März 2018 |
180309 |
ENERGIE-CHRONIK |
Mit einer Verspätung von zehn Jahren und
dreimal höheren Baukosten soll der Reaktor Olkiluoto 3 nun bis
2019 ans Netz gehen. Rechts von dem neuen Druckwasserreaktor (1600 MW
netto) sind die beiden Siedewasserreaktoren mit einer Leistung von jeweils
880 MW zu sehen, die 1980 bzw. 1978 ans Netz gingen. Gekühlt wird
mit dem Wasser der Ostsee.
Foto: TVO |
Der finnische Stromversorger Teollisuuden Voima Oyj (TVO) bestätigte am 11. März Berichte über eine Vergleichsvereinbarung mit den Lieferanten Areva und Siemens, die den jahrelangen Streit wegen der Verzögerungen und Kostensteigerungen beim Bau des Reaktors 3 im Kernkraftwerk Olkiluoto beendet. Das Lieferantenkonsortium verpflichtet sich, die für den Abschluss des Projekts erforderlichen Mittel bereitzustellen. Das seit 2009 anhängige Schiedsverfahren vor der Internationalen Handelskammer (ICC) und alle anderen Rechtsstreitigkeiten werden nicht weiter verfolgt. Stattdessen zahlen die Lieferanten dem Auftraggeber TVO eine Entschädigung von 450 Millionen Euro. Falls das Kernkraftwerk bis Ende 2019 fertig wird, bekommen sie von TVO bis zu 150 Millionen Euro gutgeschrieben. Andernfalls müssen sie je nach Dauer der Verzögerung eine zusätzliche Entschädigung zahlen, die maximal 400 Millionen Euro betragen kann.
TVO-Chef Jarmo Tanhua schätzt die Kosten, die damit seinem Unternehmen durch das Projekt entstehen, auf rund 5,5 Milliarden Euro. Hinzu kommen allerdings die hohen Verluste, die den beiden Lieferanten infolge der jahrelangen Verzögerungen und Streitigkeiten entstanden und die kaum geringer sein dürften. Mit rund zehn Milliarden Euro wird Olkiluoto 3 deshalb wahrscheinlich gut dreimal soviel kosten wie ursprünglich geplant war.
Die Verträge über den Bau des Reaktors wurden Ende 2003 unterzeichnet (031205). Die französische Framatome sollte den nuklearen Teil der Anlage errichten und Siemens die konventionelle Kraftwerkstechnik mit Dampfturbine, Generator, elektromechanischer Ausrüstung und Leittechnik liefern. Die Framatome ANP gehörte damals zu 66 Prozent der französischen Nuklear-Holding Areva (010916) und zu 34 Prozent der Siemens AG, die Anfang 2001 ihr Nukleargeschäft in den neuen Weltmarktführer bei Kernkraftwerken eingebracht hatte (010215). Die beiden Unternehmen wollten mit Olkiluoto 3 zum ersten Mal den "Europäischen Druckwasserreaktor" (EPR) verwirklichen, an dessen Entwicklung sie seit Anfang der neunziger Jahre arbeiteten (920103) und den sie den Stromversorgern mit einem günstigen Preis von 4,2 Milliarden Mark – also etwa zwei Milliarden Euro – schmackhaft zu machen versuchten (970811). Die bayerische Landesregierung unterstützte den in Bayern ansässigen Siemens-Konzern durch die Gewährung eines günstigen Kredits für den Auftraggeber TVO in Höhe von 1,95 Milliarden Euro (040711).
Ursprünglich sollte Olkiluoto 3 im Jahr 2009 in Betrieb gehen. Spätestens 2006 war aber klar, dass es auf der Baustelle erhebliche Probleme gab und der Zeitplan nicht eingehalten werden konnte (061007). Im Jahr der geplanten Fertigstellung verklagten sich dann die Beteiligten wechselseitig vor der Internationalen Handelskammer ICC auf Schadenersatz, wobei Areva/Siemens eine Milliarde Euro und TVO 1,4 Milliarden Euro verlangte (090909). Inzwischen war auch das geschäftliche Bündnis zwischen Siemens und dem Areva-Konzern zerbrochen (090104). Ersatzweise verhandelte der Siemens-Konzern mit Kreml-Chef Putin über ein neues Bündnis mit dem russischen Nuklearkonzern Rosatom (090202). Das war allerdings in jeder Hinsicht sehr unüberlegt, und er und mußte deshalb dem Ex-Partner 648 Millionen Euro zahlen (110510). Außerdem blieb er mit Areva in Finnland weiterhin zwangsweise verbunden, weil das Reaktorprojekt nicht vorankam. Im Sommer 2012 mußten Areva und Siemens eingestehen, dass Olkiluoto 3 auch bis 2014 nicht fertig sein würde (121002). Anfang 2013 nannte TVO das Jahr 2016 als Termin für die Inbetriebnahme (130207). Zwei Jahre später hieß es, daß der Reaktor frühestens 2018 ans Netz gehe (140906). Im Oktober 2014 teilten die Finnen mit, dass sie in dem seit sechs Jahren andauernden Schiedsverfahren ihre Forderungen an die Lieferanten von 1,8 auf 2,3 Milliarden Euro erhöhen würden. Areva und Siemens erhöhten darauf am 23. Oktober ihr Forderungen an die Auftraggeber von 1,9 auf 3,5 Milliarden Euro (141020).
Nach der jetzt erfolgten Einigung gilt Mai 2019 als neuer Termin für die Inbetriebnahme. Wenn es später wird, verringert sich die von TVO gewährte "Anreizprämie" von 150 Millionen Euro entsprechend. Und wenn es bis Jahresende nicht klappt, werden die zusätzlichen Strafzahlungen von bis zu 400.000 Euro fällig.
(zum Reaktorprojekt Olkiluoto 3)
(zur Kooperation Siemens - Areva)