Mai 2011 |
110510 |
ENERGIE-CHRONIK |
Teures Gespräch: Siemens-Chef Peter Löscher (rechts) muß nun 648 Millionen Euro plus Zinsen an Areva zahlen, weil er Anfang 2009 mit dem russischen Regierungschef Putin (links) über eine "umfassende Partnerschaft" auf dem Gebiet der Kernenergie verhandelte. Dabei hätte er wissen müssen, daß die atomare Partnerschaft mit Areva noch gar nicht aufgelöst war und selbst nach vollzogener Trennung ein acht Jahre dauerndes Wettbewerbsverbot galt. Pressefoto Reg. RU
|
Der Siemens-Konzern muß von den 1,62 Milliarden Euro, die er für die Rückgabe seiner Beteiligung an Areva NP erhalten hat (110311), 648 Millionen Euro an Areva zurückzahlen. Wie beide Unternehmen am 19. Mai mitteilten, entschied so das angerufene Schiedsgericht der Internationalen Handelskammer (ICC). Ferner muß Siemens bis zum 25. September 2013 auf Konkurrenz zu dem französischen Nuklearkonzern verzichten.
Siemens bekommt damit weniger als die Hälfte des Buchwerts von 2,1 Milliarden Euro, von dem zunächst als Abfindung für den Ausstieg aus Areva NP die Rede war. Stattdessen hatte ein Gutachter im März 2011 den Betrag von 1,62 Milliarden Euro festgesetzt. Er vermindert sich nun nochmals um den 40-prozentigen Abschlag auf den Wert der Beteiligung, den Siemens und Framatome im Februar 2001 bei der Zusammenlegung ihres Nukleargeschäfts (010215) als maximale Strafe für eine Verletzung der Vertragsbedingungen vereinbart hatten.
Die Verletzung der Vertragsbedingungen bestand darin, daß Siemens bereits Anfang 2009 mit dem russischen Nuklearkonzern Atomenergieprom über die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens sprach (090104). Im Februar 2009 unterzeichnete Siemens-Chef Peter Löscher in Moskau sogar eine erste Vereinbarung über die geplante Beteiligung an der russischen Atomwirtschaft, obwohl das Gemeinschaftsunternehmen mit Areva noch gar nicht aufgelöst war und für den Fall der Trennung ein achtjähriges Wettbewerbsverbot galt (090202).
Das Schiedsgericht halbierte nun den Zeitraum für das Wettbewerbsverbot nach der offiziellen Beendigung des Gemeinschaftsunternehmens. Es gilt deshalb bis 25. September 2013. Eine weitere Korrektur könnte durch die EU-Kommission erfolgen, bei der sich Siemens wegen Verstoßes gegen das europäische Wettbewerbsrecht selber angezeigt hat, um eine Verkürzung des vertraglich vereinbarten Wettbewerbsverbots von acht Jahren zu erreichen (100605).
Ob Siemens die vor zwei Jahren eingefädelte Partnerschaft mit der russischen Atomindustrie tatsächlich eingehen wird, ist seit einiger Zeit ungewiß und durch die Katastrophe von Fukushima (110301) mit zusätzlichen Fragezeichen versehen worden. Infolge der Einbringung des früheren Kernenergiegeschäfts in Areva NP verfügt Siemens auf diesem Gebiet über keine wesentlichen Kompetenzen mehr (siehe Hintergrund). Der Konzern wäre also auf den technischen Sachverstand der Russen angewiesen. Er würde aber im Rahmen des Gemeinschaftsunternehmens mithaften und sein Image lädieren, falls die nicht gerade für Solidität bekannte russische Nukleartechnik ein zweites Tschernobyl oder Fukushima produzieren würde.