Februar 2009 |
090202 |
ENERGIE-CHRONIK |
Zu "umfassender Partnerschaft" auf dem Gebiet der Kernenergie bereit: Der russische Regierungschef Putin (links) und Siemens-Chef Peter Löscher (rechts) bei ihrem Treffen am 3. Februar in Moskau. Pressefoto Reg. RU
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Nur wenige Tage nach der Aufkündigung der Partnerschaft mit dem französischen Nuklearkonzern Areva (090104) traf der Siemens-Konzern eine erste Vereinbarung mit der Kreml-Führung zur Beteiligung an der russischen Atomwirtschaft. Bis Ende April wollen beide Seiten sondieren, welche Möglichkeiten der Zusammenarbeit sich eröffnen könnten. Gesprächspartner auf russischer Seite ist dabei die Staatsholding Rosatom, unter deren Dach der russische Staat seinen gesamten Nuklearkomplex inklusive aller zivilen und militärischen Bereiche zusammengefaßt hat. Vorrangig dürfte es um die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens zum Bau von Kernkraftwerken gehen, in das Siemens seine konventionelle Kraftwerkstechnik und das notwendige Kapital einbringt, während die Russen die Reaktortechnik beisteuern. Der Siemens-Konzern verfügt selber über keine KKW-Technik mehr, seitdem er die Reste seines ehemals bedeutsamen Reaktor-Geschäfts in das Gemeinschaftsunternehmen mit der französischen Nuklearindustrie eingebracht hat (siehe Hintergrund).
Die Absprache mit der Kreml-Führung erfolgte im Rahmen einer erweiterten Vorstandssitzung am 3. Februar, zu der Siemens-Chef Peter Löscher mit dem kompletten Konzernvorstand nach Moskau reiste. Dort erklärte der russische Premier Putin seine Bereitschaft, die bereits bestehende Zusammenarbeit mit Siemens auf den Gebieten des Transportwesens, des Maschinenbaues und der Stromerzeugung auf den nuklearen Bereich auszudehnen. Im Rahmen einer "umfassenden Partnerschaft mit Rosatom" könnten beide Seiten sowohl in Rußland als auch in Deutschland und auf den Märkten anderer Länder tätig werden.
"Es ist das erste Mal, daß eine solche erweiterte Vorstandssitzung außerhalb Deutschlands durchgeführt wird", erklärte Siemens-Chef Löscher seinerseits. "Wir haben uns dazu entschlossen, um unsere Bereitschaft zur Zusammenarbeit zu unterstreichen und ein Zeichen des gegenseitigen Vertrauens zu setzen." Er denke dabei nicht nur an die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, sondern an eine umfassende Partnerschaft zwischen Rußland und Deutschland ("full-scale partnership between Russia and Germany").
In einer kurzen Pressemitteilung von Siemens zu dem Treffen hieß es, das Unternehmen sei von Putin "zu Gesprächen mit der Staatlichen Körperschaft Rosatom eingeladen" worden. Man sei schon "seit mehr als 150 Jahren in Russland geschäftlich aktiv" und arbeite bereits seit den neunziger Jahren mit Rosatom auf einigen Feldern zusammen. Beispielsweise seien die slowakischen Kernkraftwerke Mochovce und Bohunice mit der Sicherheits- und Betriebsleittechnik von Siemens ausgerüstet worden. Neuerdings kooperiere man außerdem mit der Rosatom-Tochter Atomstroyexport beim Bau des Kernkraftwerks Belene in Bulgarien.
Dieser Verweis auf die frühere technische Zusammenarbeit bei Kernkraftwerken führt jedoch insofern in die Irre, als Siemens auf diesem Gebiet inzwischen nichts mehr zu bieten hat und auch für das KKW Belene nur konventionelle Kraftwerkstechnik liefern wird. Der Konzern hat seine gesamte Nukleartechnologie vor acht Jahren in das Gemeinschaftsunternehmen Framatome bzw. Areva NP eingebracht, aus dem er nun wieder aussteigt (010215). Er erhält dafür zwar eine Abfindung, deren Höhe sich nach der Bewertung seines Anteils von 34 Prozent an Areva NP richten wird. Die ehemaligen Siemens-Nuklearbetriebe in Deutschland bleiben aber mit sämtlichen Produktionsstätten, Personal und Know-how Bestandteil von Areva.
"Für Areva ändert sich nichts", meinte deshalb die Areva-Vorstandsvorsitzende Anne Lauvergeon in einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen" (29.1.). "Wir agieren in Deutschland wie ein deutscher Akteur, nur mit dem Unterschied, dass wir an Areva NP bald 100 statt 66 Prozent halten werden. Siemens dagegen hat angekündigt, in anderer Form in der Nuklearindustrie weiterarbeiten zu wollen. Ich weiß nicht, in welcher. Aber Siemens wird von null anfangen, weil sie weder die Technik noch das Personal haben."
Das beabsichtigte Bündnis mit der russischen Atomindustrie wäre also eine Finanzbeteiligung ohne irgendeinen Synergie-Effekt bei nukleartechnischer Kompetenz. Unter den gegenwärtigen Umständen könnte Siemens in ein Gemeinschaftsunternehmen zwar konventionelle Technik, Kapital und geschäftliche Verbindungen einbringen, aber so gut wie keinen sachlich begründeten Beitrag leisten, um dem immer noch zweifelhaften Ruf der russischen Reaktoren aufzuhelfen.