Juli 2007 |
070703 |
ENERGIE-CHRONIK |
Der Siemens-Konzern bangt anscheinend um seine 34-Prozent-Beteiligung am weltweit führenden Nuklearkonzern Areva NP, den er 2001 gemeinsam mit dem Kernkraftwerksbauer Framatome gegründet hat (010215). Wie die "Wirtschaftswoche" (23.7.) berichtete, will Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy einen neuen Konzern schmieden, der nukleare und fossile Kraftwerkstechnik unter einem Dach vereint. Zu diesem Zweck will er Areva mit dem Kraftwerksbauer Alstom sowie dem Bau- und Infrastrukturkonzern Bouygues zusammenlegen. Damit drohe dem Siemens-Konzern der Verlust seiner einträglichen Beteiligung an Areva NP, denn bei der Gründung des Gemeinschaftsunternehmens habe sich der französische Vertragspartner die Option einräumen lassen, den Siemens-Anteil frühestens 2009 und spätestens 2011 zu übernehmen. In Branchenkreisen werde der Wert des Siemens-Anteils auf etwa drei Milliarden Euro geschätzt. Sowohl Areva als auch Siemens dementierten konkrete Absichten für einen Verkauf der Siemens-Beteiligung. Sie bestritten aber nicht, daß Areva über diese Option tatsächlich verfügt.
Die Fusion von Areva, Alsthom und Bouygues wird in Frankreich bereits seit einiger Zeit diskutiert. Unbekannt war bisher allerdings, daß Siemens dem französischen Partner eine Option auf den kompletten Erwerb der Areva NP eingeräumt hat. Inzwischen scheint der Konzern dies zu bereuen und dem Nukleargeschäft wieder wesentlich größere Bedeutung beizumessen. Er soll sogar bereits bei der Bundesregierung vorstellig geworden sein, um über politische Kanäle den Vollzug der Option zu verhindern. Eine mögliche Lösung wäre, daß Siemens bei Areva einsteigt – der Holding von Areva NP – , wenn die französische Regierung die geplante Teilprivatisierung ihres bisher 85 Prozent betragenden Kapitalanteils verwirklicht. In jedem Falle wäre aber mit Gegenwind aus Brüssel zu rechnen, da die Einbeziehung von Siemens in den neuen Kraftwerkskonzern den Wettbewerb auf diesem Sektor faktisch zum Erliegen bringen würde.
Der Alstom-Konzern ist weltweit führend beim Bau von Kraftwerken für fossile Brennstoffe. Er konkurriert aber auch auf anderen Gebieten wie bei der Herstellung von Hochgeschwindigkeitszügen mit Siemens. In Deutschland hat er vor acht Jahren das Kraftwerksgeschäft von ABB übernommen (000420). Vor vier Jahren geriet er in schwere Turbulenzen und konnte nur durch staatliche Hilfe vor dem Konkurs gerettet werden (030915). Die erforderlichen Millionenkredite bewilligte der heutige Staatspräsident Sarkozy in seiner damaligen Funktion als Finanzminister. Der dritte Fusionskandidat, der Bau- und Infrastrukturkonzern Bouygues, ist bereits mit 25 Prozent an Alstom beteiligt.
Der Siemens-Konzern beherrschte seit den siebziger Jahren unumstritten den Markt für Kernkraftwerke in Deutschland und hat alle Anlagen errichtet, die heute noch in Betrieb sind. Allerdings wurden hierzulande wegen der zunehmend kernkraftkritischen Stimmung seit 1982 keine neuen Aufträge für Reaktoren mehr vergeben. Seit Vollendung des KKW Neckarwestheim, das 1989 in Betrieb ging, beschränkte sich deshalb sein Nukleargeschäft im wesentlichen auf Wartungs- und Reparaturarbeiten. Vor diesem Hintergrund kam es Anfang der neunziger Jahre zur Kooperation mit dem französischen Kernkraftwerksbauer Framatome. Mit Unterstützung der Stromkonzerne beider Länder entwickelten Siemens und Framatome vor allem das Konzept des sogenannten Europäischen Druckwasserreaktors (EPR), der mit erhöhter Sicherheit eine Renaissance der Kernenenergie auslösen und auf dem Weltmarkt gegen amerikanische und japanische Konkurrenten antreten sollte (951115). Vorübergehend tauchten Zweifel am Fortbestand dieser Partnerschaft auf, als der französische Konzern Alcatel Alsthom und die britische General Electric ihre gemeinsame Tochter GEC Alsthom mit Framatome zusammenlegen wollten (970103), was der Framatome-Verwaltungsrat am Ende jedoch ablehnte (970408). Ad acta gelegt wurden auch die Pläne des Siemens-Konzerns, sein Kernenergiegeschäft mit British Nuclear Fuels (BNFL) zusammenzulegen (971002). Siemens übernahm stattdessen das fossile Kraftwerksgeschäft von Westinghouse (980823), während das Kernenergiegeschäft des US-Konzerns an BNFL ging.
Anfang 2001 verwandelten Siemens und Framatome ihre bisherige Kooperation in eine Fusion, indem sie ihr jeweiliges Nukleargeschäft in die Framatome ANP einbrachten (010215). An diesem Gemeinschaftsunternehmen, das inzwischen als Areva NP firmiert, besitzt Siemens 34 Prozent. Den Rest hält die Holding-Gesellschaft Areva, die 2001 aus dem Zusammenschluß der Konzerne Cogema, Framatome und CEA Industrie hervorging und mehrheitlich dem französischen Staat gehört (010916).