Juni 2012 |
120608 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die EU-Kommission hat am 18. Juni das Kartellverfahren gegen Siemens und Areva eingestellt, das im Mai 2010 aufgrund einer Selbstanzeige des Siemens-Konzerns in Gang gekommen war (100605). Sie zog damit den Schlußstrich unter eine Affäre, die vor mehr als drei Jahren begann, als Siemens die Nuklearpartnerschaft mit dem französischen Atomkonzern Areva beendete, um eine neue Liaison mit der russischen Atomwirtschaft anzustreben (090104).
Die beiden Konzerne hatten bei der Gründung des nuklearen Gemeinschaftsunternehmens Areva NP im Jahr 2001 ein Wettbewerbsverbot vereinbart, das auch beim Ausscheiden von Siemens noch viele Jahre lang gelten sollte. Zudem unterlag das vereinbarte Wettbewerbsverbot einer Geheimhaltungsklausel. Dennoch hatte Siemens, als der Konzern Anfang 2009 seine Areva-Beteiligung aufgab, sofort über eine Beteiligung an der russischen Atomwirtschaft verhandelt (090202), weshalb Areva eine hohe Entschädigung wegen Vertragsverletzung verlangte (100504). Mit der Selbstanzeige wollte Siemens erreichen, daß die EU-Kommission das vertraglich vereinbarte Wettbewerbsverbot nachträglich für ungültig erklärt, weil es gegen europäisches Wettbewerbsrecht verstößt.
Nach Ansicht der Kommission war das vereinbarte Wettbewerbsverbot grundsätzlich zulässig, aber zu umfassend und für den Fall des Rückzugs von Siemens mit acht bzw. elf Jahren viel zu lang befristet. Angemessen seien etwa drei Jahre gewesen. Aufgrund dieser vorläufigen Beurteilung der Kommission legten die Parteien im Februar 2012 Verpflichtungsangebote vor. Sie erklärten sich bereit, die Geltungsdauer des Wettbewerbsverbots auf drei Jahre zu verringern, soweit es um die nukleare Produktpalette von Areva NP geht, und das Verbot hinsichtlich aller anderen Produkte und Dienstleistungen ganz aufzuheben. Diese Verpflichtungszusage hat jetzt die Kommission akzeptiert und deshalb das Kartellverfahren eingestellt.
Parallel dazu entschied das angerufene Schiedsgericht der Internationalen Handelskammer im Mai 2011, daß der Siemens-Konzern von den 1,62 Milliarden Euro, die er für die Rückgabe seiner Beteiligung an Areva NP erhielt, 648 Millionen zurückzuzahlen hat. Zugleich verkürzte das Schiedsgericht das Wettbewerbsverbot bis zum September 2013 (110510). Durch die von der Kommission akzeptierte Selbstverpflichtung verkürzt sich die Frist um ein weiteres Jahr bis September 2012.
Inzwischen ist das Wettbewerbsverbot aber irrelevant geworden, weil Siemens nach der Katastrophe von Fukushima im März 2011 und der dadurch ausgelösten Wende der deutschen Atompolitik auf den Wiedereinstieg ins Nukleargeschäft verzichten will (110908).