September 2014

140906

ENERGIE-CHRONIK


Russischer Reaktor spaltet finnische Regierung

Die Mitglieder des finnischen Kabinetts haben am 18. September der Errichtung eines Kernkraftwerks auf der Halbinsel Hanhikivi durch den russischen Staatskonzern Rosatom mehrheitlich zugestimmt. Die Grünen, die bisher an der Fünf-Parteien-Koalition in Helsinki beteiligt waren, verließen daraufhin aus Protest die Regierung. Ministerpräsident Alexander Stubb wird nun bis zu den Parlamentswahlen im kommenden April mit einer hauchdünnen Mehrheit von 101 zu 98 Sitzen im Parlament weiterregieren müssen.

Der Protest der Grünen richtete sich weniger gegen das KKW-Projekt an sich (100607) als gegen dessen Übertragung an Rosatom. An dem Auftraggeber Fennovoyma Oy war ursprünglich E.ON mit 34 Prozent beteiligt, hatte sich aber vor zwei Jahren zurückgezogen (121002). Daraufhin hatte Rosatom diese Drittelbeteiligung übernommen und sich den Auftrag für die Errichtung der ganzen Anlage gesichert. Deren Kernstück wird nun ein russischer Druckwasserreaktor mit einer Leistung von 1200 MW sein (140113). Wegen des Lieferantenwechsels und der Änderung der Reaktorleistung mußte das Projekt von der Regierung neu genehmigt werden. Besondere politische Brisanz erhielt die nun getroffene Entscheidung durch die Brutalität, mit der Rußland gegenwärtig große Gebiete der Ukraine an sich reißt, denn eine Verringerung der Abhängigkeit vom russischen Nachbarn – in Finnland ein beliebtes Argument für den Ausbau der Kernenergie – kommt auf diese Weise sicher nicht zustande.

EPR in Olkiluoto verzögert sich jetzt sogar um neun Jahre

Finnland verfügt derzeit über vier Reaktoren an den Standorten Loviisa (2 x 496 MW) und Olkiluoto (2 x 880 MW). Am Standort Olkiluoto befindet sich ein weiterer Reaktor vom Typ EPR mit 1600 MW in Bau. Ursprünglich sollte er 2009 in Betrieb gehen. Er wird sich nun aber um insgesamt neun Jahre verzögern. Wie die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEA) am 1. September mitteilte, hat das Konsortium aus Areva und Siemens, das vor elf Jahren den Bauauftrag erhielt, einen neuen Zeitplan vorgelegt. Demnach kann der Reaktor frühestens 2018 ans Netz gehen.

Baukosten haben sich fast verdreifacht

Mit Olkiluoto 3 wollten der französische Reaktorbauer Areva NP und Siemens zum ersten Mal den "Europäischen Druckwasserreaktor" (EPR) verwirklichen, an dessen Entwicklung sie seit den neunziger Jahren gearbeitet hatten (031205). Siemens war an dem von Areva geführten Konsortium mit 27 Prozent beteiligt und lieferte die konventionelle Kraftwerkstechnik. Zugleich verfügte der deutsche Partner über 34 Prozent an Areva und war insoweit geschäftlich auch am nuklearen Teil beteiligt. Das änderte sich, als Siemens das gemeinsame Nuklearunternehmen mit Areva kündigte (090104), um ein neues Bündnis mit der russischen Atomindustrie einzugehen (100504), das dann aber wegen der KKW-Katastrophe im japanischen Fukushima nicht zustande kam (110908). Siemens und Areva waren seitdem völlig zerstritten (110510).

Auch die Baustelle in Olkiluoto sorgte für erhebliche Spannungen zwischen beiden Unternehmen. Der als Vorzeigemodell geplante EPR geriet zu einem einzigen Desaster. Die Beteiligten wurden nur noch durch die Zwangspartnerschaft des Konsortialvertrages und gemeinsam erhobene Schadenersatzansprüche zusammengehalten (090909). Die ursprünglich mit drei Milliarden Euro bezifferten Gesamtkosten des Projekts sind inzwischen auf 8,5 Milliarden Euro gestiegen. Areva und Siemens streiten schon seit Jahren mit dem finnischen Auftraggeber TVO um die Schuld an den Verzögerungen (090909). Inzwischen beläuft sich ihre Schadenersatzforderung auf knapp zwei Milliarden Euro. Die Finnen haben eine Gegenrechnung aufgemacht, die nicht viel geringer ist.

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