April 2012 |
Hintergrund |
ENERGIE-CHRONIK |
Die Solarstromeinspeisung erhöhte sich durch das 1991 in Kraft getretene Stromeinspeisungsgesetz binnen neun Jahren um das Zwanzigfache. Ihr Anteil an der gesamten Stromerzeugung blieb aber noch immer im Promille-Bereich. Der Durchbruch kam erst mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und den größeren Novellierungen, die 2004 und 2009 in Kraft traten. Nun stieg der Beitrag der Photovoltaik zur Stromversorgung binnen elf Jahren um das 284fache bis in den einstelligen Prozent-Bereich. |
(zu 120405)
Es kracht derzeit mächtig im Gebälk der deutschen Solarindustrie: Solon, Q-Cells, First Solar, Odersun, Conergy, SMA Solar, Solarworld – überall werden Insolvenzanträge gestellt, Produktionseinschränkungen angeordnet oder zumindest schlechte Zahlen verkündet. Es sieht fast so aus, als habe man mit der großzügigen Förderung der netzgekoppelten Photovoltaik in Deutschland einen Irrweg beschritten und viel Geld in eine Technik investiert, von der nun die Chinesen profitieren.
Manchen ist dieser Eindruck nicht unwillkommen, weil sie das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ohnehin abschaffen wollen. Dabei ist die Solarstromförderung eine einzigartige Erfolgsgeschichte wie das EEG insgesamt (siehe Hintergrund). Sie zeigt, wie man eine zunächst völlig unrentable Energietechnik mit staatlicher Nachhilfe doch auf einen grünen Zweig bringen kann, aus dem möglicherweise bald ein starker Ast der Energieversorgung wird.
Allerdings kam es zu Fehlsteuerungen. Eine solche Fehlsteuerung hat das gegenwärtige Debakel der deutschen Hersteller von Solarzellen und Zubehörtechnik verursacht. Zugleich wurden die Kosten der Förderung unnötig aufgebläht. Wenn man sich die derzeitige Entwicklung der EEG-Umlage ansieht, könnte sogar fast der Verdacht aufkommen, hier seien absichtlich Weichen falsch gestellt worden, um das EEG als Kostentreiber zu diskreditieren und endlich abschaffen zu können. Die EEG-Umlage ist nämlich erst explodiert, als man auf den gloriosen Einfall kam, die bisherige Ausgleichsregelung abzuschaffen und die durch die "Vermarktung" des EEG-Stroms entstehenden Kosten auf die Einspeisungsvergütungen draufzusatteln.
Aber auch bei den Einspeisungsvergütungen hätte man sparen können. Das zeigt gerade die Förderung der Photovoltaik, die lange Zeit von allen erneuerbaren Energiequellen mit Abstand die teuerste war. Die extrem hohe Subventionierung war anfangs sinnvoll und notwendig. Sie schlug letztendlich auch nicht groß zu Buche, solange der Beitrag der Photovoltaik zur deutschen Stromerzeugung im Promille-Bereich blieb. Als er dann aber in den Prozent-Bereich hinüberwuchs, hätte man genauer hinsehen und den Pressionen der inzwischen mächtig erstarkten Branchen-Lobby entschiedener entgegentreten müssen. Dies ist nicht geschehen. Stattdessen wurden seit der ersten, unzureichenden Reduktion der Fördersätze im EEG 2009 mehrfach hektisch Abstriche vorgenommen, die sich dann aber doch wieder schnell als unzureichend erwiesen. Der letzte Versuch dieser Art fand soeben statt und kürzt die Fördersätze tatsächlich empfindlich. Ob er erfolgreich sein wird, bleibt abzuwarten. Sicher ist nur, daß das jahrelange Zaudern viel mit den gegenwärtigen Pleiten in der Solarindustrie zu tun hat.
Wenn man die Entwicklung der Photovoltaik in Deutschland verfolgt, zeigt sich schon für das Jahr 2007, als fast die Hälfte der weltweiten Solarzellen-Installation in Deutschland stattfand, ein bemerkenswertes Ungleichgewicht zum Anteil deutscher Hersteller an der weltweiten Solarzellen-Produktion (wir werden darauf noch zurückkommen). Es war nur eine Frage der Zeit, bis dieses Ungleichgewicht sich auch in den Bilanzen der damals noch prosperierenden deutschen Solarindustrie niederschlagen würde. Vorläufig reichte der Kuchen für alle. Weshalb sollten Firmen wie Solon und Q-Cells freiwillig Kostenreduktionen an die Kunden weitergeben und auf mühelos erzielbare Traumrenditen verzichten? – Eine durchgreifende Kürzung der Förderung wäre deshalb damals das probate Mittel gewesen, die deutsche Solarindustrie rechtzeitig konkurrenzfähiger zu machen und sie vom Importdruck zu entlasten.
Um die Erfolge und Fehlentwicklungen bei der Förderung der netzgekoppelten Photovoltaik besser verstehen zu können, ist es sinnvoll, einen Blick auf die gesamte Zeitspanne von über zwei Jahrzehnten zu werfen, in der sie sich von einer genauso teuren wie energiewirtschaftlich bedeutungslosen Technik zu einem allmählich ernstzunehmenden Faktor der Stromversorgung entwickelt hat.
Als 1991 das Stromeinspeisungsgesetz in Kraft trat, konnte man den Anteil der Photovoltaik an der deutschen Stromerzeugung nicht mal in Promille angemessen ausdrücken. Die dazu verfügbaren Zahlen sind auch nicht über jeden Zweifel erhaben. Hoch gegriffen mögen es etwa 0,004 Promille bzw. 0,0004 Prozent gewesen sein. Heute sind es etwa vier Prozent, und bald werden es fünf Prozent sein. Das ist ein Anstieg um das Tausendfache in zwanzig Jahren.
Anfangs war der Betrieb von netzgekoppelten Photovoltaik-Anlagen reine Geldvernichtung, die man sich allenfalls zu Forschungszwecken oder als Liebhaberei leistete. Pro Kilowatt installierter Leistung mußten durchschnittlich 23.500 Mark bzw. 12.000 Euro aufgewendet werden. Eine Dachanlage mit 6 Kilowatt Nennleistung kostete ungefähr soviel wie ein Porsche.
Allerdings verhieß eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach eine ganz andere Art von Prestige: Sie signalisierte, daß hier jemand besonders umweltfreundlich war und zur Avantgarde der Öko-Bewegung gehörte. Wer genug Geld hatte und über eine geeignete Dachfläche verfügte, übertrumpfte deshalb die Porsche-Prolos gern auf diese distinguierte Art.
Den enormen Anschaffungskosten standen minimale Erträge gegenüber: Bis zum Erlaß des Stromeinspeisungsgesetzes bezahlten die Stromversorger für die Einspeisung von Solarstrom 11 Pfennig bzw. 5,6 Cent pro Kilowattstunde. Die Kosten der Solarstromerzeugung lagen dagegen bei etwa 124 Cent/kWh. Wer sich den Luxus einer Photovoltaik-Anlage leistete, mußte also mehr als zwanzigmal soviel ausgeben, wie ihm die Netzeinspeisung einbrachte.
Die genannte Einspeisungsvergütung basierte auf einer Vereinbarung, die 1979 zwischen den Verbänden VDEW, VIK und BDI geschlossen und 1988 ergänzt worden war. Maßstab der Vergütung waren die durch die Einspeisung "vermiedenen Kosten". Aus Sicht der Stromversorger waren die 11 Pfennig für Solarstrom und auch die für Strom aus Windkraftanlagen mit 7,5 Pfennig/kWh schon viel zu hoch. Schließlich fand bei beiden Techniken die Einspeisung unregelmäßig statt. Die weitgehend stabile Einspeisung aus Wasserkraftwerken wurde dagegen lediglich mit 8,9 Pfennig/kWh honoriert.
Größere Anlagen konnten sich unter diesen Umständen nur die Stromversorger selber leisten. Sie verbuchten das als Forschungs- oder auch als Werbungskosten. Sie hatten zwar – gelinde gesagt – nur ein sehr mäßiges Interesse an dieser Stromquelle. Sie wollten sich aber nicht vorwerfen lassen, sie schlicht zu ignorieren. Photovoltaik und Wind waren gut fürs grüne Image. Außerdem ließ sich so am besten demonstrieren, wie teuer und unergiebig diese "additiven Energien" waren. So lautete damals eine brancheninterne Sprachregelung, die zum Ausdruck bringen sollte, daß die erneuerbaren Stromquellen auch künftig neben Kernenergie und fossilen Brennstoffen nur einen Platz am Katzentisch haben würden.
Das RWE montierte schon 1981 eine kleine Photovoltaik-Anlage mit 3 Kilowatt aufs Dach der Hauptverwaltung in Essen. Die PreussenElektra-Tochter Schleswag betrieb seit 1983 auf der Insel Pellworm eine Photovoltaik-Anlage mit 300 kW (920812). Das Bayernwerk unterhielt seit 1990 in Neunburg vorm Wald eine Photovoltaik-Anlage mit 280 kW, um mit dem erzeugten Strom die Möglichkeiten einer "Wasserstoffwirtschaft" zu erproben (981124). Das RWE nahm 1988 in Kobern-Gondorf an der Mosel eine 340 kW-Anlage in Betrieb und errichtete drei Jahre später am Neurather See zwischen Aachen und Köln die bis dahin größte Anlage Deutschlands mit 360 kW.
Aus heutiger Sicht waren diese Großanlagen nur Kleinkram. Trotz der immensen Kluft zwischen Aufwand und Ertrag bezahlten die großen Stromerzeuger den Aufwand dafür gewissermaßen aus der Portokasse. Auch die Einspeisungsvergütungen schmerzten sie nicht wirklich, obwohl sie darüber jammerten, daß die tatsächlichen "Verdrängungskosten für ungesicherte Leistung" durch Solar- und Windstrom bei nur etwa 3 bis 4 Pfennig pro Kilowattstunde lägen. Die Vergütung für Solarstrom war somit aus ihrer Sicht dreifach überhöht, obwohl die Einspeiser damit nur ein Zwanzigstel ihrer Kosten decken konnten.
Das änderte sich mit dem Stromeinspeisungsgesetz, das ab 1991 die Vergütungen an die Durchschnittserlöse der Stromversorger aus dem Verkauf an die Letztverbraucher koppelte: Gemäß § 3 galten nun für Solar- und Windstrom 90 Prozent dieses Durchschnittserlöses als Einspeisungsvergütung. Das war noch immer viel zu wenig, um kostendeckend zu sein, aber doch deutlich mehr als bisher. Beispielsweise ergab sich so für 1996 eine Vergütung von 17,2 Pfennig/kWh und für 1999 von 16,2 Pfennig/kWh.
Das Bayernwerk bot 1993 interessierten Bürgern den Erwerb von Anteilen an einer 50-kW-Anlage zum Preis von 6.500 Mark pro 500 Watt an. Der Preis war bereits verbilligt. Trotz des inzwischen geltenden Stromeinspeisungsgesetzes handelte es sich aber nach dem Urteil der Presse um eine Geldanlage, "die sich schon auf den ersten Blick als Geldvernichtungsanlage entlarvt" (931116). Und so war das Angebot wohl auch gedacht. Die Demonstrationsprojekte der großen Stromerzeuger dienten noch immer mehr der Abschreckung als der Förderung der Photovoltaik.
Bei den Stadtwerken wurde es dagegen allmählich chic, sich ein paar Solarzellen aufs Dach zu setzen und per Lokalpresse zu verkünden, wieviel Kohlendioxid dadurch eingespart werde. Das brachte zwar mengenmäßig so gut wie nichts, war aber doch gut fürs Image. Mit den Zahlen zur Kohlendioxid-Vermeidung konnte sowieso keiner etwas anfangen. Für technisch unbewanderte Mitbürger mochte es dagegen so aussehen, als erzeuge der kommunale Versorger nunmehr einen wesentlichen Teil seines Stroms auf diese Weise...
Trotz der weiterhin fehlenden Kostendeckung stieg die Solarstromerzeugung von 1991 bis 1999 von ungefähr 2 auf 42 Gigawattstunden. Das Stromeinspeisungsgesetz bewirkte also in diesen neun Jahren eine Zunahme um das Zwanzigfache. Neben den höheren Vergütungen trug dazu vor allem das "1000-Dächer-Programm" bei, das bis 1993 kleine Dachanlagen bis 5 Kilowatt mit 70 Prozent der Investitionskosten bezuschußte. Hinzu kamen fallende Anlagenpreise sowie regional und lokal begrenzte Förderungen.
Zum Beispiel gewährte die Darmstädter HEAG eine praktisch kostendeckende Vergütung von 1,28 Mark pro Kilowattstunde. Die Vergütung erhöhte sich auf 1,80 Mark pro Kilowattstunde, wenn der HEAG-Kunde außerhalb der hessischen Landesgrenzen wohnte und deshalb den 30prozentigen Investitionszuschuß des Landes nicht in Anspruch nehmen konnte (980416). In Heidelberg und Aachen verpflichteten die Kommunalpolitiker ebenfalls ihre Stadtwerke, eine kostendeckende Subventionierung für eingespeisten Solarstrom zu gewähren.
Schon damals erging es den großzügigen Solarstrom-Förderern aber ein bißchen wie dem Zauberlehrling, dem die beschworenen Geister über den Kopf wachsen. Zum Beispiel hatte man in Heidelberg nur an kleine Dachanlagen gedacht, als 1996 die kostendeckende Subventionierung für eingespeisten Solarstrom bis zu zwei Mark pro Kilowattstunde beschlossen wurde. Nun meldete sich aber ein privater Investor, der das Dach des städtischen Betriebshofs mit 300 Kilowatt Nennleistung bestücken wollte – fast soviel wie das RWE-Demonstrationsobjekt Kobern-Gondorf. Das ging der Oberbürgermeisterin zu weit. Sie verlangte eine nachträgliche Leistungsbegrenzung, zumal mit der geplanten Liberalisierung des Strommarktes härtere Zeiten für Stadtwerke bevorstanden. Der Gemeinderat entschied aber anders und verpflichtete die Stadtwerke, dem Investor zwanzig Jahre lang eine kostendeckende Einspeisevergütung von 1,43 Mark pro Kilowattstunde zu zahlen (980724).
Ähnlich in Aachen: Hier war es der nordrhein-westfälische Innenminister, der sich querlegte, weil er unkalkulierbare Kosten auf die Stadtwerke zukommen sah. Er hielt eine derartige Subventionierung für unwirtschaftlich und rechtlich unzulässig. Am Ende begnügte er sich mit der Zusage, daß die Mehrkosten nur bis zu einem Prozent des Strompreises an die Verbraucher weitergegeben würden (940614).
Den nächsten, noch weit wichtigeren Schub empfing die Photovoltaik durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), das im Jahr 2000 in Kraft trat (000201). Die Vergütungen wurden nun von den Erlösen der Stromversorger abgekoppelt, weil die Strompreise nach der Liberalisierung vorübergehend sanken und man mit weiterer Talfahrt rechnete (991023). Stattdessen gab es feste Sätze, deren Kosten direkt auf die Stromververbraucher umgelegt wurden. Und die waren geradezu exorbitant im Vergleich mit der bisherigen Regelung. Zum Beispiel hätte sich nach dem Stromeinspeisungsgesetz für das Jahr 2000 eine Photovoltaik-Vergütung von 16,10 Pfennig/kWh ergeben (990739). Nun waren es nach § 8 EEG 99 Pfennig, also mehr als sechsmal soviel. Daß dieser Satz für neu in Betrieb genommene Anlagen ab 2002 jährlich um fünf Prozent gesenkt wurde, wog dagegen nicht sonderlich schwer.
Solarstrom wurde nun auch unter finanziellen Gesichtspunkten interessant. Schon 1995 beliefen sich die Stromgestehungskosten bei einer kleinen Dachanlage auf 1,36 bis 1,68 Mark pro Kilowattstunde (1 bis 5 kW peak, Standort Süddeutschland, multikristallines Silizium, 4% Verzinsung). Inzwischen waren die Anlagen noch billiger geworden. Die Einspeisungsvergütung von 99 Pfennig – nach Einführung des Euro wurde sie auf 50,62 Cent umgestellt – konnte deshalb zumindest als kostendeckend gelten.
Für Hausbesitzer wurde die Dachanlage sogar zu einem guten Geschäft, wenn sie das 1999 gestartete "100.000-Dächer-Programm" in Anspruch nahmen, das unverzinsliche Darlehen mit zehnjähriger Laufzeit und weitere Vergünstigungen gewährte (981231). Als das alte Stromeinspeisungsgesetz noch galt, war das Interesse an diesem Angebot nur sehr schwach gewesen (990523, 991122). Nach Inkrafttreten des EEG explodierte die Nachfrage plötzlich. Das Bundeswirtschaftsministerium verfügte deshalb schon im April 2000 einen Bearbeitungsstopp für neue Anträge (000405). Als es ihn wieder aufhob, waren die zinslosen Darlehen durch eine Zinsverbilligung ersetzt und andere Abstriche vorgenommen worden (000501). Trotzdem bewirkte das "100.000-Dächer-Programm" den ersten Boom beim Zubau an PV-Anlagen (030718)).
Der Bundesrechnungshof hielt die Solarstromförderung für überhöht. In einem Bericht an den Haushaltsausschuß des Bundestags beanstandete er 2001 die doppelte Förderung, die sich aus der Förderung nach dem "100.000-Dächer-Programm" und der hohen Einspeisungsvergütung gemäß EEG ergab. Dadurch würden die Investitionskosten privater Betreiber von Solarstromanlagen zu hundert Prozent subventioniert. Bei gewerblichen Betreibern übersteige die Förderung sogar die Investitionskosten. Zudem habe die üppige Solarstrom-Förderung eine "deutliche Überhitzung des Marktes mit der Folge deutlicher Preissteigerungen" bewirkt (011014).
Vorsorglich hatte der Gesetzgeber in § 8 EEG die hohe Solarstromvergütung auf eine installierte Leistung von insgesamt 350 Megawatt (MW) begrenzt. Bei Erreichen dieses Limits sollte zum Ende des darauffolgenden Jahres die Zahlungsverpflichtung für neue Anlagen entfallen. Allerdings nicht ersatzlos: Der Gesetzgeber versprach zugleich "eine Anschlußvergütungsregelung, die eine wirtschaftliche Betriebsführung unter Berücksichtigung der inzwischen erreichten Kostendegression in der Anlagentechnik sicherstellt".
Dieses Limit wurde früher erreicht als erwartet. Schon 2002 lag die installierte Leistung der netzgekoppelten PV-Anlagen mit rund 290 MW hart an der Grenze. In aller Eile hob deshalb der Bundestag im Juni 2002 die Obergrenze auf 1000 MW an (020707). Die rot-grüne Koalition wollte damit der Photovoltaik-Branche zu mehr Planungssicherheit verhelfen. Andernfalls drohe die deutsche Solarindustrie den Anschluß an Japan und die USA wieder zu verlieren, hieß es zur Begründung. Außerdem mache sich die Anhebung so gut wie gar nicht bei den Strompreisen bemerkbar, da Strom aus Photovoltaik bisher nur ein Prozent der EEG-Fördersumme beanspruche.
Die Anhebung der Zubau-Obergrenze bescherte aber nur eine kurze Atempause. Schon 2003 lag die installierte Leistung mit rund 434 MW weit über dem alten Limit, und im folgenden Jahr durchbrach sie auch die eben erst eingezogene neue Grenze. Der Bundestag nahm deshalb die erste größere EEG-Novellierung vor, die 2004 in Kraft trat (031106). Denn die Photovoltaik-Branche rief erneut nach Planungssicherheit, zumal inzwischen auch das 100.000-Dächer-Programm ausgelaufen war.
Das EEG gewährte ab 2000 zunächst eine einheitliche Vergütung. Erst ab 2004 gab es erhöhte Sätze für Dachanlagen, abgestuft nach drei Leistungsklassen (bis 30 kW, bis 100 kW und ab 100 KW). 2009 kam noch eine abgesenkte Vergütung für Dachanlagen ab 1 MW hinzu. Seit 2012 gibt es nur noch die beiden Leistungsklassen bis 10 kW (blau) und bis 1 MW. Was größer ist, bekommt wie Freiflächenanlagen nur die Grundvergütung. Und ab10 MW gibt es überhaupt keine Vergütung mehr. Die Grafik läßt erkennen, wie die Vergütungssätze – mit Ausnahme der kräftigen Anhebung im Jahr 2004 – ständig gesunken sind. Zum Teil geschah dies infolge der vorgesehenen Degression, zum Teil wurden zusätzliche Abstriche im Zuge der diversen Novellierungen des EEG vorgenommen (siehe auch Tabelle). |
Diese "kleine EEG-Novelle" führte für Solarstrom erstmals eine differenzierte Vergütung ein: Die Grundvergütung betrug nun 45,70 Cent pro Kilowattstunde. Wenn die PV-Anlagen an oder auf Gebäuden oder an einer Lärmschutzwand angebracht waren, erhöhte sich diese Grundvergütung je nach Leistung der Anlagen um 11,7 Cent (bis 30 kW), 9,3 Cent (ab 30 kW) oder 8,3 Cent (ab 100 kW). Für Solarfassaden bzw. Solarziegel gab es zusätzlich 5 Cent, so daß die höchste Vergütung 62,4 Cent betrug. Erstmals enthielt das Gesetz auch gewisse Kautelen gegen übermäßigen Flächenverbrauch durch ebenerdige Anlagen. Sämtliche Vergütungen sanken für neu in Betrieb genommene Anlagen ab 2005 jährlich um fünf Prozent.
Der Abschied von der seit 13 Jahren gezahlten Einheitsvergütung zeigte, daß man den Zubau an PV-Kapazität nicht mehr nur quantitativ fördern wollte, sondern auch qualitativ zu lenken versuchte. Die Einheitsvergütung kam eben nicht mehr nur Hausbesitzern und ihren Dachanlagen zugute. Sie lockte inzwischen auch kommerzielle Investoren an, die Flächen von der Größe mehrerer Fußballfelder mit Solarzellen bestückten. Landwirte überlegten sich, ob sie ihre Ackerflächen nicht besser in Solarparks verwandeln sollten (040803).
So errichtete die Voltwerk AG in der Oberpfalz eine Photovoltaik-Anlage mit einer Nennleistung von 1,6 MW. Sie bot Beteiligungen ab 10.000 Mark und eine "attraktive Rendite" an (011014). Dasselbe Unternehmen eröffnete 2003 bei Regensburg den "weltweit größten Solarpark" mit knapp 4 MW (030510). Diesen Titel beanspruchten aber bald darauf zwei neue Anlagen in Sachsen und Sachsen-Anhalt, die mit bis zu 5 MW aufwarten konnten (040921). Unterdessen wurde woanders bereits eine 10-MW-Anlage geplant (050711). Im Juni 2008 nahm die Firma Juwi bei Leipzig sogar eine Freiflächen-Anlage mit 24 MW in Betrieb und kündigte den weiteren Ausbau dieser nunmehr "weltweit größten Photovoltaik-Anlage" auf 40 MW an (080616).
Zum 1. August 2004 trat eine weitere, noch umfassendere Novellierung des EEG in Kraft (040801). Sie änderte aber nichts wesentliches an den Vergütungen und Konditionen für Solarstrom, die mit der vorgezogenen "kleinen EEG-Novelle" schon ab Jahresanfang eingeführt worden waren.
Vor allem für die Errichter von Großanlagen waren die folgenden Jahre paradiesisch, denn die seit 2004 geltende Grundvergütung von 45,70 Cent war leistungsmäßig nicht beschränkt. Die Rationalisierungsvorteile großer Anlagen ließen sich am einfachsten mit ebenerdig aufgeständerten Solarmodulen verwirklichen. Das jährliche Absinken um fünf Prozent reduzierte zwar die Vergütung für solche Freiflächen-Anlagen bis 2008 auf 35,49 Cent/kWh, war aber zu verschmerzen, da gleichzeitig auch die Investitionskosten sanken.
Auch die Dachanlagen wurden immer größer, denn ab 100 kW galt ohne weitere Begrenzung die Ausgangsvergütung von 54 Cent/kWh, die bis 2008 auf 43,99 Cent/kWh absank. Neben Wohngebäuden wurden deshalb zunehmend Fabrikhallen und andere Gewerbebauten mit Solarmodulen bestückt. Da unterhalb von 100 kW die Vergütungen für Dachanlagen noch höher waren, erfuhr so mancher Schuppen und Hühnerstall eine neue Verwendung und bescherte den Eigentümern zusätzliche Einkünfte. Ein besonders geschäftstüchtiger Solaranlagenbetreiber klagte sogar bis zum Bundesgerichtshof, weil er die Tragekonstruktion seiner Solarmodule als Unterstand für Hühner und damit als Gebäude im Sinne von § 11 Abs. 2 EEG anerkannt wissen wollte (081120).
Im Jahr 2007 entfielen von insgesamt 2,3 Gigawatt weltweit installierter PV-Leistung 1,1 Gigawatt auf Deutschland. Das waren 48 Prozent. Mit großem Abstand folgten Spanien (13 %), die USA (11 %), Japan (10%) und sonstige Länder. Die einst totgesagte einheimische Solarindustrie war durch das Stromeinspeisungsgesetz und andere staatliche Hilfen schon 1998 wieder in Fahrt gekommen (980120). Inzwischen gab es mehr als dreißig Produktionsstätten für kristalline bzw. Dünnschichtzellen, Module, Wafer und Silizium sowie über zwanzig Hersteller von Spezialmaschinen für die PV-Industrie. Dennoch belief sich der Anteil deutscher Hersteller an der weltweiten Solarzellen-Produktion 2006 nur auf 21 Prozent. Der größte Teil des inländischen Bedarfs an Solarzellen wurde somit von ausländischen Herstellern gedeckt.
Und dieser Trend hielt an: Bis 2008 ging der Anteil Deutschlands an der Solarzellenherstellung auf 18,5 Prozent zurück. Zugleich legte China auf 32,7 Prozent und Taiwan auf 11,6 Prozent zu. Insgesamt kamen etwa 68 Prozent der Weltproduktion aus Asien. Im folgenden Jahr berichteten die bisher glänzend verdienenden deutschen Hersteller erstmals von Umsatzrückgängen oder sogar roten Zahlen (090812).
In der Hochkonjunktur steckte somit bereits der Wurm drin. Die Absenkung der EEG-Vergütungen blieb hinter dem Produktivitätsfortschritt und den sich daraus ergebenden möglichen Preissenkungen zurück. Die Übernachfrage führte zeitweilig sogar zu einer Verknappung an Silizium und damit zu steigenden Preisen. Die deutschen Hersteller profitierten so lange wie möglich von einem überhöhten Preisniveau und fuhren bis 2008 Rekordgewinne ein. Die Umsatzrendite des Bonner Solarworld-Konzerns lag über der von Google, die des Solarzellenherstellers Q-Cells über der von Ebay. Zugleich schaufelten sie sich aber das eigene Grab, indem sie den zunehmenden Import von billigeren und technisch annähernd gleichwertigen Solarzellen stimulierten.
Ausgerechnet die üppigen EEG-Vergütungen drohten so zum Hindernis für die Weiterentwicklung der Photovoltaik zu werden. Zugleich zeichnete sich mit den weiterhin explodierenden jährlichen Zubau-Raten eine langfristige Belastung der Strompreise ab, die den Verbrauchern nicht mehr zuzumuten war. Denn die jährliche Absenkung der Vergütungen für neue Anlagen wurde durch den gleichzeitigen Zubau mehr als kompensiert. Da die Zahlung der Vergütungen für jeweils zwanzig Jahre garantiert war, ergab sich ein Kumulationseffekt. Die Belastungskurve stieg zwar nicht ganz so steil an wie die eingespeisten Strommengen, stieß aber doch schnell in Höhen vor, die nicht mehr akzeptabel waren (siehe Grafik).
Teile der Solarbranche erkannten den Konflikt, der sich hier anbahnte, und drangen bereits 2007 auf eine stärkere Absenkung der EEG-Vergütungen. Es kam deshalb sogar vorübergehend zu einer Art Schisma zwischen der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS) und der Zeitschrift "photon" auf der einen sowie dem Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) auf der anderen Seite (070615). Der einflußreichere Teil der Branche wollte sich aber die Gewinne nicht beschneiden lassen. Mit massiver Lobby-Arbeit gelang es ihm auch, in der nun einsetzenden Diskussion um eine erneute Novellierung des EEG tiefere Einschnitte in die Förderung zu verhindern (080507). Natürlich verwies die Lobby dabei nicht auf ihre bedrohten Gewinne, sondern auf die bedrohten Arbeitsplätze, die sie durch ihr kurzfristiges Profitdenken selber in Gefahr gebracht hatte.
Die zweite größere Novellierung des EEG, die der Bundestag im Juni 2008 im Rahmen des "Klimapakets" beschloß und mit Jahresbeginn 2009 in Kraft trat, kürzte deshalb die Vergütungen nicht im wünschenswerten Ausmaß. Es wurde lediglich der "Fassadenbonus" gestrichen, für große Dachanlagen ab 1 MW eine verminderte Vergütung eingeführt und die jährliche Degression etwas erhöht (080601).
Allerdings enthielt das Gesetz eine Neuerung: Eine Art Gleitklausel in § 20 Abs. 2a machte die Höhe der Degression vom erwarteten Zubau in den den kommenden drei Jahren abhängig. Falls die erwartete Gesamtleistung aller Solaranlagen nicht erreicht bzw. übertroffen werden sollte, war eine Absenkung bzw. Erhöhung der Degression um jeweils ein Prozent vorgesehen. Der als wünschenswert erachtete Zubau-Korridor bewegte sich für 2009 zwischen 1000 und 1500 MW, für 2010 zwischen 1100 und 1700 MW und für 2011zwischen 1200 und 1900 MW.
Tatsächlich stieg die installierte Leistung im Jahr 2009 um 3800 MW (100403). Das war rund das Dreifache des anvisierten Mittelwerts von 1250 MW. Der bei Verlassen des Zubau-Korridors vorgesehene Degressionszuschlag von einem Prozent war sicher nicht geeignet, diese Zubau-Zunahme zu bremsen. Er wirkte geradezu lächerlich.
Schon im Januar 2010 – als der Zubau-Rekord des Vorjahres vorläufig noch mit 3000 MW beziffert wurde – schlug das Bundesumweltministerium deshalb zusätzliche Kürzungen vor (100105), die vom Kabinett im Februar gebilligt wurden (100203). Im Mai 2010 verabschiedete der Bundestag das Gesetz in seiner endgültigen Fassung: Für Photovoltaik-Anlagen an oder auf Gebäuden wurde die Vergütung einmalig um 16 Prozent gesenkt. Für Anlagen auf bereits versiegelten oder auf Konversionsflächen betrug die Absenkung nur 11 Prozent, für Anlagen auf sonstigen Flächen 15 Prozent.
Zugleich setzte der Bundestag aber die Meßlatte für den tolerierbaren Zubau mit etwa 3000 MW pro Jahr weit höher an als die bisherige Regelung: Die in § 20 EEG vorgesehene jährliche Degression der Vergütung blieb bei 9 Prozent, sofern sich der Zubau zwischen 2500 bis 3500 MW bewegte. Falls er er diesen Korridor nach oben durchstoßen sollte, erhöhte sich die Degression in mehreren Stufen um 1 bis 12 Prozent. Falls der Korridor nach unten verlassen werden sollte, verringerte sich die Degression um 1 bis 7,5 Prozent. Weitere Änderungen betrafen die Vergütung von Anlagen auf Freiflächen und des Eigenverbrauchs (100501). Die Abstriche an den Vergütung sollten zunächst zum 1.Juli in Kraft treten, wurden aber auf Wunsch des Bundesrats erst zum 1. Oktober 2010 in vollem Umfang wirksam (100701).
Als der Bundestag diese Neuregelung beschloß, war bereits klar, daß selbst dieser vergrößerte Zubau-Korridor 2010 überschritten werden würde. Anfangs rechnete man mit 5.000 MW. Am Ende waren es sogar 7.000 MW. Das war wiederum mehr als das Doppelte des erstrebten Zuwachses. Das Bundesumweltministerium verständigte sich deshalb mit der Solar-Lobby auf eine Verschärfung der Degression bei Überschreiten des Zubau-Korridors. Sie wurde vom Bundestag im Februar 2011 im Rahmen einer weiteren umfangreichen Änderung des EEG umgesetzt (110201). Da der Bundesnetzagentur im maßgeblichen Zeitraum vom 1. Oktober 2010 bis 30. September 2011ein Zubau von rund 5.200 MW gemeldet worden war, ergab sich so ab 2012 für neue Anlagen eine Absenkung der Vergütungen um 15 Prozent. Konkret erhielten die Betreiber je nach Standort und Größe der Anlage zwischen 17,94 Cent und 24,43 Cent pro eingespeiste Kilowattstunde (111012).
Inzwischen hatte sich herausgestellt, daß der Zubau im gesamten Kalenderjahr 2011 sogar rund 7500 MW betragen hatte. Das waren 2.300 MW mehr, als die Bundesnetzagentur für die zwölf Monate bis zum 1.September 2011 ermittelt hatte. Wäre das Kalenderjahr maßgebend gewesen, hätten deshalb die Vergütungen ab 2012 sogar um mindestens 21 statt 15 Prozent gesenkt werden müssen. Offenbar wurde der neue Rekord wiederum durch eine Art Torschlußpanik begünstigt. Die Bundesnetzagentur kritisierte den vom EEG vorgeschriebenen "Stichtagsmechanismus", weil er dazu beitrage, den Zubau von PV-Anlagen kurz vor einer Förderkürzung deutlich zu verstärken(120101).
Da die Zahlung der Solarstrom-Vergütungen für jeweils zwanzig Jahre garantiert ist, ergibt sich ein Kumulationseffekt. Trotz der jährlichen Absenkung der Vergütungen für neue Anlagen (rot) sorgte der jährliche Zubau für einen steilen Anstieg der eingespeisten Strommengen (weiß). Die Summe der daraus resultierenden Einspeisungsvergütungen (blau) stieg zwar nicht ganz so steil an, stieß aber doch schnell in Höhen vor, die kaum noch akzeptabel waren. |
Um die Sache endlich besser in den Griff zu bekommen, wurden nun erneut zusätzliche Abstriche beschlossen - zum drittenmal, seitdem 2009 das neugefaßte EEG in Kraft getreten war und die Solarstromvergütungen nur zaghaft gekürzt hatte. Der im Februar 2012 vorgelegt Regierungsentwurf nahm nun wirklich drastische Abstriche vor (120201) und wurde vom Bundestag im wesentlichen auch so beschlossen: Der neugefaßte § 32 senkt die Vergütungen einmalig um 20,2 bis 29 Prozent. Die neue Grundvergütung beträgt 13,50 Cent/kWh. Die erhöhte Vergütung für Dachanlagen gibt es nur noch für die beiden Leistungsklassen bis 10 kW (19,50 Cent/kWh) und bis 1 MW (16,50 Cent/kWh)t. Generell werden nur noch Dach- und Freiflächenanlagen bis 10 MW vergütet, was künftig den Bau riesiger Solarparks unrentabel macht. Dachanlagen auf Nichtwohngebäuden werden wie Freiflächenanlagen behandelt.
Außerdem sind für die Jahre 2012 und 2013 weiterhin Zubau-Korridore vorgesehen, deren Nichteinhaltung zu Zu- oder Abschlägen führt. Durch vierteljährliches Nachsteuern will man eine kontinuierlichere Anpassung der Vergütungen erreichen. § 20a Abs. 3 schreibt deshalb vor, daß die Bundesnetzagentur jeweils zum Ende der Monate Januar, April, Juli und Oktober die Entwicklung beim Zubau bekanntgibt. Diese Zahlen werden dann mit vier multipliziert, um sie aufs Jahr hochzurechnen, und gemäß § 20b in Ab- oder Zuschläge umgerechnet.
Für die deutsche Photovoltaik-Industrie, die sich schon seit 2009 auf dem absteigenden Ast befand, war diese EEG-Änderung natürlich ein Schlag ins Kontor, der weitere Insolvenzen und Produktionseinschränkungen zur Folge hatte (120405). Bundesumweltminister Norbert Röttgen hatte indessen nicht ganz Unrecht, wenn er einen "unmittelbaren" Zusammenhang mit den jüngsten Kürzungen bestritt: Die Misere dauert schon länger und die Ursachen sitzen tiefer. Schon vor fünf Jahren war absehbar, daß die überhöhte Solarstrom-Förderung einen ungesunden Boom ausgelöst hatte. Man hätte schon damals die Vergütungen stärker kürzen sowie riesige Solarparks und monströse Dachanlagen ganz von der Förderung ausnehmen sollen. Die Abstriche fielen aber nur bescheiden aus, weil die Lobby erfolgreich mobil machte.
Der Bundesnetzagentur wurden für das vergangene Jahr insgesamt 238.719 Anlagen mit einer Gesamtleistung von 7.485 MW neu gemeldet. Dabei entfielen fast 31 Prozent der neu installierten Leistung auf 645 Anlagen im Megawatt-Bereich. Ein Großteil der Einspeisungsvergütungen kommt somit nur 0,3 Prozent der Anlagen zugute. Diese gehören Betreibern wie der Firma Juwi Solar, die derzeit in Windeseile noch einen 20-MW-Solarpark im thüringischen Ronneburg fertigstellt, weil die Einspeisungsvergütung für solche Großanlagen auf Konversionsflächen nur noch bei Inbetriebnahme bis 1. Juli in der bisherigen Höhe beansprucht werden kann und ab 1. September ganz entfällt (für kurz vor der Inbetriebnahme stehende Anlagen wurden die sonst ab 1. April geltenden Kürzungen für ein paar Monate suspendiert). Künftig werden sich solche Großprojektierer mit Anlagen bis 10 MW begnügen müssen. Und Deutschlands größter Solarpark in Lieberosa mit 52,8 MW wird diesen Titel wohl nicht so schnell streitig gemacht bekommen...
Die Förderung riesiger Anlagen ist schon deshalb wenig sinnvoll, weil sie die bereits vorhandenen netztechnischen Probleme mit der zunehmenden Einspeisung aus PV-Anlagen wie auch die Belastung der Stromverbraucher verstärkt. Es trifft zwar zu, daß Solarstrom inzwischen zeitweilig den Strom aus teueren Spitzenlastkraftwerken verdrängt und so die Preise am Spotmarkt dämpft. Paradoxerweise beschert dieser Preisrückgang an der Börse den Verbrauchern aber keine Entlastung, sondern eine erhöhte EEG-Umlage (120204). Der Grund dafür ist die 2010 erfolgte Umstellung des EEG-Ausgleichsverfahrens, die generell einen starken Anstieg der EEG-Umlage bewirkt hat, fälschlicherweise aber als eine hauptsächliche Folge des Anstiegs der Solarstromvergütungen dargestellt wird (101001).
Außerdem ist bereits die Förderung kleiner und mittlerer Dachanlagen über den Strompreis nicht unproblematisch: Auf diese Weise profitiert eine Minderheit, die einen mehr oder weniger bescheidenen Gewinn einheimst, von der Mehrheit der Stromverbraucher, die keine Gelegenheit, kein Geld oder keine Lust hat, sich ein paar Solarmodule aufs Dach zu schrauben. Immerhin wird jährlich rund 600.000 Verbrauchern der Strom abgestellt, weil sie ihre Rechnung nicht bezahlen können oder wollen (120211). Noch fragwürdiger wird die Solarförderung aber, wenn sie zu Lasten der kleinen Stromverbraucher die Taschen großer Investoren füllt.
Ausgerechnet die "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft" entdeckte jetzt diese soziale Asymmetrie der EEG-Förderung. "Bei den einkommensschwächsten Haushalten fließt inzwischen fast 1 Prozent des verfügbaren Einkommens in die EEG-Umlage, bei Haushalten mit den höchsten Einkommen gerade einmal 0,1 Prozent", jammerte sie am 24. April in einer Pressemitteilung.
Nun ist dieser neoliberale Propagandaverein eigentlich jeder sozialen Anwandlung unverdächtig. Er wurde schließlich von "Gesamtmetall" gegründet, um die gesellschaftspolitischen Interessen der Metall- und Elektroindustrie zu propagieren. Es ging ihm wohl auch nur um Stimmungsmache gegen die "technologiespezifische Förderung" des EEG, das die Energiekonzerne durch eine europaweite "Harmonisierung" ersetzen wollen (090308, 100408, 110102). Gemeint ist damit die Konzentration der Förderung auf die profitabelsten Techniken und Regionen innerhalb der EU, was eine noch direktere Vereinnahmung der Fördersummen durch große Investoren ermöglichen würde.
Nebenbei erinnerte dieser Propagandaverein aber doch an die Binsenweisheit, daß alle Verbrauchssteuern auf lebensnotwendige Güter die Ärmsten am stärksten belasten. Denn in der finanziellen Wirkung ist die EEG-Umlage nichts anderes als eine weitere Verbrauchssteuer, die zusätzlich zu Mehrwertsteuer, Stromsteuer, Konzessionsabgabe und KWK-Zuschlag erhoben wird. Kein Wunder also, daß sie die einkommensschwächsten Haushalte mit fast 1 Prozent belastet, während es bei betuchteren Einkommensbeziehern nur 0,1 Prozent sind. Ein gewisses Quantum an elektrischer Energie brauchen eben alle. Strom ist für Arme wie für Reiche lebensnotwendig.
Gegenüber solcher Polemik von interessierter Seite verdient festgehalten zu werden, daß sich das EEG im allgemeinen und speziell die PV-Förderung als ein hoch effizientes Instrument erwiesen hat. Die Belastung der Strompreise ist zwar nicht schön, aber kein viel größeres Übel, als wenn die Förderung aus Steuergeldern erfolgen oder – wie das bis 1999 der Fall war – formal den Stromversorgern zugewiesen würde. Das gilt auch und besonders im Vergleich mit dem Emissionshandel, den neoliberale Schlaumeier für das wirksamere Instrument halten, während das EEG überflüssig und kontraproduktiv geworden sei (040304, 090308). Tatsächlich dümpelt der 2005 gestartete Emissionshandel auch in der zweiten Handelsperiode noch immer wirkungslos vor sich hin (120203). Das EEG schaffte es dagegen in derselben Zeit von sieben Jahren, die Gesamteinspeisung aus erneuerbaren Energien von 14 auf 67 Terawattstunden und die Solarstromerzeugung von 64 auf 3075 Gigawattstunden zu katapultieren. Inzwischen sind es noch viel mehr.
Das eigentliche Ziel der Förderung war allerdings weniger die Steigerung als eine Verbilligung der Solarstromerzeugung, die irgendwann die Förderung überflüssig machen würde. Heute hat photovoltaisch erzeugter Strom zumindest die "Netzparität" erreicht. Das heißt, die Kosten seiner Erzeugung liegen in der Höhe der Endverbraucherpreise für Strom. Es kann sogar günstiger sein, den Strom selber zu verbrauchen, statt ihn gegen Vergütung ins Netz einzuspeisen. Zu dieser Netzparität haben neben den sinkenden Kosten des Solarstroms natürlich auch die ständig steigenden Rechnungen für den Strom aus dem Netz beigetragen. Der Gesetzgeber trug dieser Entwicklung Rechnung, indem er den Eigenverbrauch in § 33 Abs. 2 EEG zunächst mit einer stark abgesenkten Vergütung honorierte und so stimulierte (100501). Ebenso richtig war es, diesen Bonus zu streichen, als man davon ausgehen konnte, daß für selbst verbrauchten Strom bereits die "Netzparität" erreicht und unterschritten war (120301).
Im übrigen vergleicht man natürlich Äpfel mit Birnen, wenn man den Preis für den Strom aus der Steckdose, der inzwischen zu 46 Prozent aus staatlich verfügten Belastungen besteht, mit den Gestehungskosten für Solarstrom vergleicht, die überhaupt erst durch staatlich verfügte Förderung möglich wurden. Eine weitere Kostensenkung ist indessen möglich und wahrscheinlich. Die wichtigste Vorarbeit ist geleistet: Das EEG hat im Bereich der erneuerbaren Energiequellen in die Praxis umgesetzt, was die Betriebswirtschaft als Skalierungseffekt ("economy of scales") bezeichnet. Es verhalf sogar der Photovoltaik zum Durchbruch, die einst reine Geldvernichtung und Liebhaberei war, soweit sie sich nicht auf Nischenanwendungen beschränkte. Schon 2007 hatten sich die Gesamtkosten einer kleinen PV-Anlage, für die 1991 noch durchschnittlich 12.000 Euro pro Kilowatt aufgebracht werden mußten, um mehr als 60 Prozent auf 4.500 Euro verringert. An dieser Kostenreduktion waren nicht nur die Solarzellen beteiligt, sondern die ganze Anlagentechnik, vor allem auch die Wechselrichter, ohne die keine netzgekoppelte Anlage auskommt. Aus dem Porsche ist seitdem ein Mittelklassewagen geworden, den sich weite Kreise leisten können und wollen.
Vielleicht wird die Selbstversorgung mit PV-Strom bald zum Preis eines Kleinwagens zu haben sein. Der besondere Charme der Photovoltaik liegt gerade in der dezentralen Stromerzeugung mit absoluter Emissionsfreiheit. Leider fehlt es noch an an einer geeigneten Speichertechnik, um das Problem der flukturierenden Erzeugung zu lösen und PV-Anlagen weitgehend unabhängig vom Netz betreiben zu können. Wünschenswert wären außerdem noch höhere Wirkungsgrade sowie eine ästhetisch befriedigendere Integration der Anlagen in Dächer und Fassaden. Wenn auch hier praktikable Lösungen gefunden würden, müßten sich die etablierten Stromerzeuger warm anziehen, und es würde so richtig spannend auf dem Strommarkt.
Entwicklung der EEG-Einspeisungsvergütung für Solarstrom von 2000 bis 2012
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ab 1. April 2000 | 2001 | 2002 | 2002 | 2002 | 2002 | 2003 | 2004 | 2004 | 2005 | 2006 | 2007 | 2008 | 2009 | 2010 | ab 1. Juli 2010 |
ab 1. Oktober 2010 |
2011 | 2012 | ab 1. April 2012 | ab 1. Juli 2012 | |
Grundvergütung | 50,62 | 48,09 | 45,68 | 45,68 | 45,68 | 45,68 | 43,40 | 43,40 | 45,70 | 43,41 | 40,59 | 37,96 | 35,49 | 31,94 | 28,43 | 25,02 | 24,26 | 21,11 | 17,94 | 13,50 | 13,10 |
Dachanlage bis 10 kW |
24,43 | 19,50 | 18,92 | ||||||||||||||||||
Dachanlage bis 30 kW |
57,40 | 54,53 | 51,80 | 49,21 | 46,75 | 43,01 | 39,14 | 34,05 | 33,03 | 28,74 | 24,43 | 16,50 | 16,01 | ||||||||
Dachanlage ab 30 kW |
54,60 | 51,87 | 49,28 | 46,82 | 44,48 | 40,91 | 37,23 | 32,39 | 31,42 | 27,33 | 23,23 | 16,50 | 16,01 | ||||||||
Dachanlage ab 100 kW |
54,00 | 51,30 | 48,73 | 46,30 | 43,99 | 39,58 | 35,23 | 30,65 | 29,73 | 25,86 | 21,98 | 16,50 | 16,01 | ||||||||
Dachanlage ab 1 MW |
33,00 | 29,37 | 25,55 | 24,79 | 21,56 | 18,33 | 13,50 | 13,36 | |||||||||||||
siehe hierzu |
000201 | 080601 | 100501 | 100501 | 110201 | 110201 | 120301 | 120301 |