März 2009 |
090308 |
ENERGIE-CHRONIK |
Der Handel mit CO2-Emissionsrechten macht die gesetzliche Förderung von Strom aus erneuerbaren Energien nicht überflüssig oder sogar kontraproduktiv, wie immer wieder behauptet wird. Zu diesem Schluß gelangt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in seinem Wochenbericht Nr. 11, den es am 11. März veröffentlichte. Das Institut antwortete damit auf den Vorstoß von acht Wirtschaftsprofessoren, die in der Dezember-Ausgabe der Zeitschrift "Cicero" behauptet hatten, durch das EEG werde wegen des gleichzeitig stattfindenden Emissionshandels auf europäischer Ebene keine einzige Tonne CO2 eingespart. Besondere Bedeutung erhält die Replik dadurch, daß sich mit den beiden Verfassern 14 namhafte weitere Wissenschaftler solidarisiert haben (siehe Liste).
Nach diesem DIW-Schaubild wären die CO2-Emissionen in Deutschland seit 1992 mehr oder weniger auf demselben Niveau geblieben, wenn nicht die erneuerbaren Energien für einen deutlichen Rückgang gesorgt hätten. Grafik: DIW
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Die Zeitschrift "Cicero" geriert sich als eine Art geistiges Lifestyle-Magazin mit konservativ-neoliberaler Schlagseite. Diesem eher kläglichen intellektuellen Niveau entsprach auch der Artikel der acht Wirtschaftsprofessoren, der mehr ein Pamphlet als eine wissenschaftlich begründete Aussage darstellte. Unter dem Titel "Die Energie-Lüge" wiederholte er in vergröberter Form die Behauptungen, die der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit bereits im März 2004 in einer Studie für den damaligen Minister Wolfgang Clement (SPD) aufstellte (040304) und die das Bundesumweltministerium unter Jürgen Trittin (Grüne) postwendend durch eine andere Studie zurückweisen ließ (040305). Zwei der Autoren - es handelt sich um die Professoren Weizsäcker und Breyer - wirkten schon damals federführend an der Auftragsarbeit für Clement mit. Ein weiterer (Blankart) fungierte als Berater.
Ebenso wie damals der BMWA-Beirat forderten die acht "Cicero"-Autoren die Abschaffung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG), weil es mit dem Emissionshandel kollidiere und die teilweise hohen Vergütungen für wenig ertragreiche Bereiche wie die Photovoltaik ohnehin "keine rationale Form der Klimapolitik" seien. Es verhalte sich nämlich so, daß die deutschen Stromerzeuger die mit Hilfe des EEG erzielten Emissionsminderungen in Form von dadurch freiwerdenden CO2-Zertifikaten an andere Branchen oder ins EU-Ausland verkaufen würden. Das EEG bewirke deshalb lediglich eine Verlagerung von CO2-Emissionen aus dem Bereich der Stromwirtschaft in andere Branchen oder EU-Länder. Per Saldo werde "tatsächlich nicht eine einzige Tonne Kohlendioxid eingespart".
Die beiden DIW-Mitarbeiter Claudia Kemfert und Jochen Diekmann stellten dazu fest, daß die Wirtschaftsprofessoren "wichtige energie-, klima- und technologiepolitische Zusammenhänge außer Acht gelassen und aus vereinfachten Modellüberlegungen weitreichende wirtschafts- und umweltpolitische Schlußfolgerungen gezogen" hätten. Selbstverständlich müsse man beim Einsatz unterschiedlicher energie- und umweltpolitischer Instrumente auch die Wechselwirkungen berücksichtigen. Im vorliegenden Fall könne und müsse dies durch eine entsprechende Anpassung der Emissionsobergrenzen ("Cap") im Zuteilungsplan für die Zertifikate geschehen.
In der ersten Handelsphase von 2005 bis 2007 sei die Emissionsobergrenze und die dadurch bewirkte Zahl der Zertifikate in vielen Ländern deutlich überhöht gewesen. Man dürfe deshalb bezweifeln, ob der Emissionshandel überhaupt fähig war, eine Verlagerung der durch das EEG eingesparten CO2-Emissionen zu bewirken. Für die zweite Handelsperiode von 2008 bis 2012 habe man die zunehmende Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien berücksichtigt und die Emissionsobergrenzen - teilweise allerdings erst auf Druck aus Brüssel - entsprechend reduziert. Es sei deshalb auch für die zweite Handelsperiode nicht davon auszugehen, dass die Förderpolitik den Emissionshandel systematisch beeinträchtige. Für die dritte Handelsperiode ab 2013 sei bereits eine EU-weite Abstimmung von Emissionshandel und Förderpolitik beschlossen, die den erwarteten Beitrag der erneuerbaren Energien zur Emissionsverminderung bei der Festlegung der Emissionsobergrenzen einrechnet.
Die von den acht Wirtschaftsprofessoren gesehenen Verlagerungseffekte – die rein theoretischer Natur seien und in deren statischer Betrachtungsweise wurzelten – ließen sich durch die beschriebene Anpassung des '"Cap" ohne weiteres vermeiden, resümieren die beiden DIW-Autoren. Von einer klimapolitischen Unwirksamkeit der EEG-Förderung könne deshalb keine Rede sein. Die Nutzung erneuerbarer Energien müsse nicht nur bei der Stromversorgung, sondern auch in den Bereichen Verkehr und Wärme weiter gezielt gefördert werden.
Die DIW-Stellungnahme wird unterstützt von | Das "Energie-Lüge"-Pamphlet verfaßten |
Prof. Dr. Claudia Kemfert,
HU Berlin und DIW Berlin Prof. Dr. Udo Ernst Simonis, Berlin Prof. Dr. Olav Hohmeyer, Universität Flensburg Prof. Dr. Uwe Leprich, FH Saarbrücken Prof. Dr. Fritjof Staiß, Leiter ZSW Stuttgart Prof. Dr. Eberhard Jochem, ISI Karlsruhe, Centre for Energy Policy and Economics (CEPE) an der ETH Zürich , Prof. Dr. Martin Jänicke, FU Berlin Prof. Dr. Joachim Schleich, Karlsruhe Prof. Dr. Marion A. Weissenberger-Eibl, Leiterin Fraunhofer ISI, Karlruhe Prof. Dr. Manfred Fischedick, Vizepräsident, Kom. Leiter des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie Prof. Dr.-Ing. Martin Kaltschmitt, Hamburg und Leipzig Prof. Dr. Miranda Schreurs, Freie Universität Berlin, Leiterin der Forschungsstelle für Umweltpolitik Prof. Dr. Peter Hennicke Prof. Dr. Dr. h.c. Ortwin Renn, Stuttgart Prof. Dr. Karl W. Steininger, Universität Graz |
Charles B. Blankart,
Professor fur Öffentliche Finanzen, Humboldt-Universität zu
Berlin Christoph Böhringer, Professor für Wirtschaftspolitik, Universität Oldenburg Friedrich Breyer, Professor für Wirtschafts- und Sozialpolitik, Universität Konstanz Wolfgang Buchholz, Professor für Finanzwissenschaft, Universität Regensburg Till Requate, Professor für Innovations-, Wettbewerbs- und Neue Institutionenökonornik, Universität Kiel Christoph M. Schmldt, Professor für Wirtschaftspolitik und angewandte Ökonometrie, Ruhr-Universität Bochum Carl Christian von Weizsäcker, Emeritierter Professor, Universität zu Köln Joachim Weimann, Professor für Wirtschaftspolitik, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg |