Juni 2008 |
080601 |
ENERGIE-CHRONIK |
Der Bundestag beschloß am 6. Juni in zweiter und dritter Lesung die Neufassungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (080507) und des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes (080302). Außerdem verabschiedete er zwei neue Gesetze zur Öffnung des Meßwesens bei Strom und Gas (080301) und zur stärkeren Nutzung der erneuerbaren Energien für Wärmezwecke. Alle vier Gesetze gehören zum "Klimapaket", das die Bundesregierung Ende 2007 beschloß und insgesamt 14 Gesetzesvorhaben umfaßt (071204). Am 19. Juni befaßte sich der Wirtschaftsausschuß des Bundesrats mit dem Gesetzespaket.
Die Neufassung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) verfolgt das Ziel, den Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromversorgung bis zum Jahr 2020 auf 30 Prozent zu erhöhen und damit gegenüber dem aktuellen Stand zu verdoppeln. Sie nimmt einerseits Abstriche bei der Solarstromförderung vor, während sie andererseits die Vergütungen für Strom aus Wind, Wasser und Geothermie anhebt. Diese Grundtendenz, die schon der ursprüngliche Regierungsentwurf aufwies (071205), akzentuierte zusätzlich noch der Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit in seiner Beschlußempfehlung, die das Parlament jetzt billigte. Außerdem enthält das Gesetz andere Neuregelungen. Zum Beispiel müssen nun Anlagen mit einer Einspeisungsleistung von mehr als 100 Kilowatt in jedem Falle mit Vorrichtungen ausgestattet sein, die eine ferngesteuerte Abschaltung bei Netzüberlastung sowie die Fernablesung der momentanen Einspeisungsleistung ermöglichen.
Ziel des neugefaßten KWK-Gesetzes ist es, den Anteil der Stromerzeugung aus Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) bis zum Jahr 2020 auf etwa 25 Prozent zu verdoppeln. Dazu sollen Anlagen zur Nutzung der KWK und Wärmenetze mit jährlich bis zu 750 Millionen Euro gefördert werden. Grundlage der Förderung ist wie bisher ein Zuschlag, den der Netzbetreiber auf die Endkunden umlegen kann. Die Förderung soll neue und modernisierte KWK-Anlagen umfassen, die bis Ende 2016 ihren Dauerbetrieb aufgenommen haben, sowie neue oder ausgebaute Wärmenetze, deren Dauerbetrieb bis Ende des Jahres 2020 begonnen hat. Bei den Anlagen wurde die Förderfrist gegenüber dem Regierungsentwurf um zwei Jahre auf Ende 2016 verlängert. Der Förderzuschlag soll für Stromleistungen bis 50 Kilowatt 5,11 Cent, zwischen 50 Kilowatt und 2 Megawatt 2,1 Cent und für mehr als zwei Megawatt 1,5 Cent, jeweils pro Kilowattstunde, betragen.
Mit dem Gesetz zur Öffnung des Meßwesens bei Strom und Gas für den Wettbewerb möchte die Bundesregierung die Einführung lastvariabler Tarife für Haushalte ermöglichen und die Kleinverbraucher zu preisbewußterem Verhalten animieren. Sie erhofft sich dadurch Energieeinsparungen. Die Anschaffung der dafür erforderlichen "intelligenten Strom- und Gaszähler" bleibt aber weiterhin freiwillig, obwohl ausgerechnet die FDP sich in sehr unliberaler Weise für die Zwangsumrüstung von Gewerbebetrieben und Haushalten einsetzte. Dem Drängen der Zähler-Lobby (080410) wurde immerhin insoweit nachgegeben, als die neuen Zählertechnologien bei Neubauten ab 2010 zum Standard werden sollen. Außerdem haben die Energieversorger allen Kunden ab 2011 lastvariable Tarife anzubieten, die sich nur mit den neuen Zählern nutzen lassen. Ab sofort sind auf den Stromrechnungen die Netzentgelte und darin enthaltene Meßentgelte gesondert auszuweisen. Ferner sind die Lieferanten verpflichtet, auf Wunsch des Letztverbrauchers eine monatliche, viertel- oder halbjährliche Abrechnung des Strom- und Gasverbrauchs vorzunehmen.
Das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) soll den Anteil der erneuerbaren Energien am Wärmemarkt, der derzeit knapp sieben Prozent beträgt, bis zum Jahr 2020 auf 14 Prozent verdoppeln. Bei Neubauten muß künftig ein Teil der Wärmeversorgung aus solchen Quellen stammen (z.B. durch solare Brauchwassererwärmung, Holzpellets, Wärmepumpen) oder die Dämmung die Normen um mindestens 15 Prozent übertreffen. Für Altbauten bleibt die vermehrte Nutzung erneuerbarer Wärmequellen freiwillig, soll aber durch ein Marktanreizprogramm gefördert werden.
Der Streit um die Höhe der Solarstrom-Vergütungen hätte den Zeitplan zur Verabschiedung des Klimapakets fast scheitern lassen. Einflußreiche Teile der Unionsfraktion verlangten weiterhin wesentlich stärkere Abstriche, als sie der Gesetzentwurf vorsah. Erst am 3. Juni vermochte sich die CDU/CSU auf eine Linie verständigen, die weitgehend dem mit der SPD am 29. Mai ausgehandelten Kompromiß entsprach (080507). Der zuständige Bundestagsausschuß legte deshalb seine Beschlußempfehlung für das Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) erst zwei Tage vor der Parlamentssitzung vor. Wie bereits aus den Verhandlungen zwischen Union und SPD durchgesickert war, wurde darin der "Fassadenbonus" gestrichen und die jährliche Degression der Mindestvergütung um ein Prozent erhöht. Zugleich wurde aber für große Dachanlagen die Degression verschärft und für kleine Dachanlagen eine etwas höhere Vergütung gewährt, als der Gesetzentwurf ursprünglich vorsah. Außerdem enthält das Gesetz nun eine Art Gleitklausel, welche die Höhe der Degression vom erwarteten Zubau in den den kommenden drei Jahren abhängig macht: Falls die erwartete Gesamtleistung aller Solaranlagen nicht erreicht bzw. übertroffen sollten, ist eine Absenkung bzw. Erhöhung der Degression um jeweils ein Prozent vorgesehen (siehe Übersicht Solarenergie). Anscheinend wurde diese Gleitklausel in letzter Minute vereinbart, damit sich sowohl Gegner wie Verteidiger der Solarstromförderung noch Hoffnungen auf eine Revision des Kompromisses machen können.
Die Vergütungen für landgestützte Windstromanlagen wurden gegenüber dem ursprünglichen Gesetzentwurf um 1,25 Cent pro Kilowattstunde angehoben. Die Betreiber von Offshore-Anlagen dürfen ebenfalls mit einem Cent mehr rechnen. Außerdem können sie sich nun mit der Inbetriebnahme ihrer Anlagen zwei Jahre länger Zeit lassen (bis Ende 2015), um zwölf Jahre lang in den Genuß der erhöhten Vergütung von 15 Cent pro Kilowattstunde zu kommen (siehe Übersicht Windenergie).
Verbessert haben sich auch die Bedingungen für geothermische Stromerzeugung: Soweit die Anlagen bis Ende 2015 in Betrieb gehen, gewährt das EEG zusätzlich zur Normalvergütung, die bereits auf 16 Cent pro Kilowattstunde erhöht wurde, einen Zuschlag von 4 Cent. Hinzu erhöht sich sich Wärmenutzungs-Bonus von 2 auf 3 ct/kWh und der HDR-Bonus von 2 auf 4 ct/kWh (siehe Übersicht Geothermie).
Die Modernisierung von kleineren Wasserkraftanlagen bis 5 MW wird nun zwanzig Jahre lang mit 11,67 bzw. 8,65 Cent pro Kilowattstunde honoriert, was jeweils ein Cent mehr ist als ursprünglich vorgesehen. Etwas erhöht wurden auch die Vergütungen für den Neubau größerer Anlagen sowie die Teil-Modernisierung bestehender Wasserkraftwerke (siehe Übersicht Wasserkraft).
Die Bundestagsdebatte zeigte, daß die große Mehrheit der Parteien am bisherigen System zur Förderung der erneuerbaren Energien festhalten will, das mit dem 1991 in Kraft getretenen Stromeinspeisungsgesetz begann und nun mit der dritten Fassung des EEG fortgesetzt wird. Lediglich die FDP-Sprecherin Gudrun Kopp polemisierte wieder heftig gegen den "politischen Irrsinn" des EEG, das durch den Handel mit Emissionszertifikaten ersetzt werden könne und müsse (040304).
Entsprechend billigte der Bundestag das neue EEG mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und Linken. Die Grünen übten nur deshalb Enthaltung, weil sie eine noch großzügigere Förderung verlangt hatten. Die FDP-Fraktion lehnte dagegen das Gesetz grundsätzlich ab. Auf ihr Verlangen fand die Schlußabstimmung namentlich statt, was mehrere Abgeordnete veranlaßte, ihr von der Fraktionsmehrheit abweichendes Stimmverhalten zu begründen oder nicht ausgeräumte Bedenken zu Protokoll zu geben. Zum Beispiel begründeten die Unionsabgeordneten Michael Fuchs und Kai Wegner ihre Ablehnung des Gesetzes mit den noch immer zu hohen Sätzen für Solarstrom. Die Energiexpertin der Linken, Eva Bulling-Schröter, stimmte der EEG-Novelle zwar im Ganzen zu, gab aber zu bedenken, daß die erhöhte Förderung der kleinen Wasserkraft bis 5 Megawatt "ökologisch kontraproduktiv" sei und zu einer weiteren Verbauung der Flüsse führe.
Das Gesetz zur Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung wurde mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen angenommen, während FDP und Bündnis 90/Die Grünen dagegen stimmten und Die Linke sich enthielt. Der Gesetzentwurf zur Öffnung des Meßwesens bei Strom und Gas für Wettbewerb erhielt die Stimmen aller Fraktionen mit Ausnahme der FDP. Das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz wurde mit den Stimmen der Koalition bei Gegenstimmen der Opposition angenommen.
In der Bundestagsdebatte zeigte sich ein weiteres Mal, daß die Komplexität der Gesetzgebung inzwischen sogar die Energieexperten der Parteien überfordert und in den Details wahrscheinlich nur noch von der jeweiligen Lobby überschaut wird. So mußte sich die FDP-Energieexpertin Gudrun Kopp im Plenum darüber belehren lassen, daß ihre Forderung nach einer Standardisierung der neuen Zähler-Technik bereits bei den Verhandlungen der Koalitionsparteien in einer Protokollnotiz berücksichtigt worden sei. Der Energieexperte der Grünen, Hans-Josef Fell, beschwerte sich vor dem Plenum darüber, daß die Regierungsparteien eine Senkung der Vergütung um 25 Prozent für Solar-Dachanlagen über 1 Megawatt bisher "verschwiegen" und so den Umweltausschuß "während der Beratung in falscher Sicherheit gewiegt" hätten.