Februar 2023 |
230203 |
ENERGIE-CHRONIK |
Der Aufsichtsrat des BASF-Konzerns teilte am 22. Februar in zwei Sätzen mit, dass die Vorständin Saori Dubourg das Unternehmen zum Monatsende "in bestem Einvernehmen" verlassen werde. "Der Aufsichtsrat dankt Saori Dubourg für ihre erfolgreiche Tätigkeit und wünscht ihr für ihre berufliche und private Zukunft alles Gute und weiterhin viel Erfolg", hieß es dann noch im zweiten Satz. Mit dem Einvernehmen war es aber offenbar nicht so weit her, wie der Aufsichtsratsvorsitzende Kurt Bock glauben machen wollte, der die nunmehr Ausgeschiedene in seiner Zeit als Vorstandsvorsitzender selber an die Führungsspitze geholt hatte. Die 51-jährige, die einst als Praktikantin bei der BASF anfing, galt inzwischen sogar als mögliche Nachfolgerin des seit 2018 amtierenden Vorstandsvorsitzenden Martin Brudermüller. Zum Verhängnis wurde ihr offenbar, dass sie Kritik an der China-Strategie geübt hatte, die Brudermüller nun mit besonderer Verve betreibt, nachdem er soeben erst das Russlandgeschäft als Totalverlust abschreiben musste (230103).
Brudermüller will rund zehn Milliarden Euro in einen neuen Standort in der chinesischen Provinz Guangdong investieren. Die BASF soll dieses Werk als erster petrochemischer Konzern in China ohne Zwangspartner in eigener Regie betreiben dürfen. Berichten zufolge hielt Dubourg eine derartige Investition angesichts der zunehmenden Spannungen mit China für riskant und soll das nicht nur im engsten Kreis deutlich gemacht haben. Ihre Abberufung wird deshalb allgemein als Opfergang angesehen, mit dem sich Brudermüller das Wohlwollen der chinesischen Regierung erhalten will. Ihre Stelle übernimmt der 55-jährige Stephan Kothrade, der bisher in Schanghai für die Region "Greater China" verantwortlich war.
"Der Rauswurf ist ein verheerendes Signal - nach innen und nach außen", bemerkte dazu die "Süddeutsche Zeitung" (24.2.). "Wer Karriere machen will bei BASF, hält besser die Klappe. Es gibt viele Gründe, sich von Vorstandskollegen zu trennen deren Kritik sollte es nicht sein. Eine kritische Diskussion kann Fehler offenbaren und damit viel Geld sparen. Gerade BASF sollte in diesen Tagen demütig anerkennen, dass sich mancher Fehltritt hätte vermeiden lassen mit mehr Weitsicht und einem sensibleren Gehör für Kritiker. Nichts macht das so deutlich wie das vermurkste Russlandgeschäft der BASF-Tochter Wintershall Dea, die auch noch nach der Krim-Annexion nach Gasfeldern in Sibirien griff und dafür ihre Gasspeicher hergab."
In der Tat führte Brudermüller ab 2018 genau jene ausschließlich an Profitinteressen und von Liebedienerei gegenüber dem Kreml gekennzeichnete Geschäftspolitik weiter, die schon für seine Vorgänger Kurt Bock (2011 bis 2018) und Jürgen Hambrecht (2003 bis 2011) typisch war. Nach Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine gebärdete er sich dann als Kassandra und warnte immer wieder vor den "historisch beispiellosen Gefahren", falls die russischen Lieferungen abbrächen, weil diese die "Basis für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie" seien. Damit hat er ein Gas-Embargo gegen Russland, das schon unmittelbar nach dem Überfall diskutiert wurde (220301, 220402) und auch zu meistern gewesen wäre (220404), solange verhindern können, bis Putin sich nicht mehr damit begnügte, seinen Devisenbringern die Daumenschrauben immer enger anzuziehen (220501, 220601), sondern seinerseits den Gasfluss stoppte, um der anscheinend hoffnungslos auf russisches Gas angewiesenen deutschen Wirtschaft den Garaus zu machen (220701, 220802, 220901). Der erhoffte Zusammenbruch der deutschen Wirtschaft fand dann allerdings ebensowenig statt wie der Kollaps der Ukraine, von der nicht nur Putin anfangs erwartet hatte, dass sie binnen weniger Stunden oder Tage ohne nennenswerten Widerstand kapitulieren werde.
Mittlerweile erteilt Brudermüller der Politik erneut Ratschläge, wo es langzugehen habe, wie sich am 15. Februar einem ARD-Beitrag des RBB-Fernsehens entnehmen ließ. In diesem bemerkenswert unkritischen Feature unter dem Titel "Der Energieschock" wurden Brudermüllers Äußerungen derart mit kontemplativen Statements des Bundeswirtschaftsministers Robert Habeck vermischt, dass man fast den Eindruck gewinnen konnte, da bahne sich ungeachtet unterschiedlicher politischer Positionen eine echte Männerfreundschaft an...
Eine Bundesbürgschaft für die 10-Milliarden-Investition in China wird Brudermüller von Habeck aber wohl nicht so leicht bekommen. Bei seinem Vorgänger Bock war das noch anders: Wie das Journalisten-Kollektiv "Correctiv" herausfand, bekam Bock vom damaligen Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) eine Bürgschaft von 1,8 Milliarden Euro bewilligt, damit die BASF das gigantische Tauschgeschäft mit der Gazprom doch noch vollziehen konnte, das nach der russischen Annektierung der Krim vorübergehend auf Eis gelegt worden war (150904). So gelangten jene deutschen Gasspeicher an die Gazprom, die beim Überfall auf die Ukraine leer waren und erst für Unsummen aufgefüllt werden mussten (220601, 220808).
Das Journalisten-Kollektiv hätte dazu gern noch mehr herausbekommen. Aber
trotz des neuen Dienstherrn zeigte sich das Bundeswirtschaftsministerium ziemlich
zugeknöpft. Angesichts personeller Kontinuitäten nimmt das nicht wunder:
Gabriels damaliger Büroleiter und Berater Philipp Steinberg ist heute Abteilungsleiter
bei Habeck. Seit Oktober ist er für die neu gegründete Abteilung "Wirtschaftsstabilisierung
und Energiesicherheit" zuständig.