April 2022 |
220402 |
ENERGIE-CHRONIK |
Das EU-Parlament stimmte am 7. April einer umfangreichen Entschließung zu, in der es den russischen Überfall auf die Ukraine verurteilt und weitere Strafmaßnahmen gegen das Putin-Regime verlangt. Unter anderem fordern die Abgeordneten, "dass gegen Einfuhren von Öl, Kohle, Kernbrennstoff und Gas aus Russland mit sofortiger Wirkung ein vollständiges Embargo verhängt wird, dass die Erdgasfernleitungen Nord Stream 1 und Nord Stream 2 vollständig aufgegeben werden und dass ein Plan vorgelegt wird, mit dem die Energieversorgungssicherheit der EU auch kurzfristig weiterhin gewahrt wird". Die Entschließung wurde mit 513 gegen 22 Stimmen bei 19 Enthaltungen angenommen.
Ferner fordert das Parlament die Mitgliedsstaaten auf, jegliche Zusammenarbeit mit Russland im Nuklearbereich zu beenden und die "Inanspruchnahme von Dienstleistungen von Rosatom schrittweise einzustellen". Namentlich werden Finnland, Ungarn und Bulgarien aufgefordert, bei bestehenden oder geplanten Nuklearvorhaben auf russische Mitwirkung zu verzichten. Faktisch richtet sich diese Forderung allerdings hauptsächlich an Frankreich. Dasselbe gilt für die Einbeziehung von "Kernbrennstoff" in das Embargo für Öl, Kohle und Gas. Frankreich unterhält nämlich seit Jahrzehnten enge Beziehungen zum Staatsmonopolisten Rosatom, der in Russland für den zivilen wie für den militärischen Atombereich zuständig ist.
Greenpeace Frankreich hat deshalb am 21. März die beiden französischen Atomkonzerne EDF und Orano aufgefordert, "so schnell wie möglich alle Geschäfts- und Handelsbeziehungen im Nuklearsektor einzustellen, die zur Verletzung von Menschenrechten und Grundfreiheiten durch den russischen Staat beitragen". Zugleich veröffentlichte die Organisation Einzelheiten zu den Verflechtungen zwischen russischer und französischer Nuklearwirtschaft (siehe Hintergrund sowie Links).
In der 33 Punkte umfassenden Resolution unterstreichen die Abgeordneten, "dass die vollständige und wirksame Umsetzung der bestehenden Sanktionen in der gesamten EU und durch die internationalen Verbündeten der EU jetzt Priorität haben muss". Sie fordern die Staats- und Regierungschefs der EU auf, Russland aus der G20-Runde und anderen multilateralen Organisationen wie dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen, Interpol, der Welthandelsorganisation und der UNESCO auszuschließen, "was ein wichtiges Zeichen dafür wäre, dass die internationale Gemeinschaft nicht gedenkt, einfach wieder zum Tagesgeschäft mit dem Aggressorstaat überzugehen". Sie verweisen auf die "erschütternden Gräueltaten", die von den russischen Truppen in der Ukraine begangen wurden, und fordern die Ahndung dieser Kriegsverbrechen durch ein Sondergericht der Vereinten Nationen. Sie bekräftigen, dass die Waffenlieferungen an die Ukraine fortgesetzt und intensiviert werden müssten, damit diese sich wirksam verteidigen kann.
Um die Wirksamkeit der Sanktionen zu erhöhen, verlangt das Parlament, russische Banken aus dem SWIFT-System auszuschließen, allen mit Russland in Verbindung stehenden Schiffen die Einfahrt in EU-Hoheitsgewässer und das Anlegen in Häfen der EU zu untersagen und den Straßengüterverkehr von und nach Russland und Belarus zu verbieten. Die Abgeordneten fordern ferner die Beschlagnahme "sämtlicher Vermögenswerte russischer Amtsträger oder der Oligarchen, die dem Putin-Regime nahestehen, ihrer Stellvertreter und Strohmänner sowie derjenigen Personen in Belarus, die dem Lukaschenka-Regime nahestehen".
In derselben Plenarsitzung unterstützte das Parlament die Pläne der EU-Kommission zur Sicherung eines ausreichenden Füllstands der Gasspeicher (220303). Der Gesetzgebungsvorschlag wird nun mit den EU-Ministern verhandelt. Kommission und Abgeordneten fordern, dass bis zum 1. November 2022 die Gasspeicher zu mindestens 80 Prozent gefüllt sein müssen, um die Energieversorgungssicherheit der Europäer zu gewährleisten. In folgenden Jahren soll diese Vorratshaltung auf 90 Prozent der Speicherkapazität steigen. Alle Speicherbetreiber müssen sich außerdem einer neu eingeführten obligatorischen Zertifizierung unterziehen, um Risiken durch äußere Einflussnahme auf kritische Speicherinfrastruktur zu vermeiden. Nicht zertifizierte Betreiber müssen auf das Eigentum an oder die Kontrolle über Gasspeicheranlagen in der EU verzichten. Außerdem darf der Betrieb einer Gasspeicheranlage nur mit Genehmigung der nationalen Regulierungsbehörde eingestellt werden. Als Anreiz für Energieunternehmen für die Wiederbefüllung der Gasspeicher in der EU schlägt die Kommission einen Preisnachlass auf Fernleitungstarife am Ein- und Ausspeisepunkt von Speicheranlagen vor.