August 2022 |
220802 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die Gazprom kündigte am 19. August eine erneute Unterbrechung des Gasflusses über die Ostsee-Pipeline Nord Stream an, die vom 31. August bis zum 2. September dauern soll. Als Begründung wurden notwendige Wartungsarbeiten genannt, obwohl die Pipeline erst vor kurzem zehn Tage lang für die jährliche Wartung stillgelegt worden war (220601, 220701). Angeblich sollen die Lieferungen, die zuletzt nur noch etwa ein Fünftel der vertraglich vereinbarten Mengen betrugen, dann wieder aufgenommen und auf ein Drittel des Normalumfangs erhöht werden. Genauso könnte es sich aber auch um den Auftakt zur völligen Einstellung der Lieferungen handeln, zumal die Wartungsarbeiten ohnehin vorgeschoben sein dürften.
Ob Putin die Pipeline Nord Stream 1 nach der angeblich notwendigen "Wartung" tatsächlich wieder öffnet, wußte er Ende August möglicherweise selber noch nicht. Vielleicht erhöht er den Gasfluss sogar ein bißchen, um mehr Geld abzuschöpfen. Vermutlich wird er aber den Gashahn deshalb nicht ganz zudrehen, weil er damit sowohl sein Erpressungspotential als auch dringend benötigte Einkünfte verlieren würde, die er für seinen Krieg in der Ukraine braucht. Quelle: Bundesnetzagentur
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Wie willkürlich der Kreml die Fakten verdreht, zeigte die Affäre um die Gasverdichter-Turbine, die noch vor Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine zur Überholung in ein Siemens-Werk nach Kanada geschickt worden war, dann aber wegen der von Kanada gefassten Sanktionsbeschlüsse nicht für den Rücktransport nach Russland freigegeben wurde (220601). Die russische Propaganda nutzte dies als Vorwand, um die Verringerung der Gaslieferungen nach Westeuropa mit der angeblichen Unentbehrlichkeit gerade dieser Maschine zu begründen. Nachdem es der Bundesregierung gelungen war, die kanadische Regierung doch zur Erteilung einer Ausfuhrgenehmigung zu bewegen, zeigten die Russen aber keinerlei Interesse am zügigen Rücktransport der Turbine, die seit 18. Juli im Werk Mülheim von Siemens Energy versandfertig bereitstand. Stattdessen behauptete die Gazprom nun, dass irgendwelche technischen Papiere oder Zoll-Unterlagen fehlen würden. Bundeskanzler Olaf Scholz reiste deshalb am 3. August ins Mülheimer Siemens-Werk, wo er den nicht abgeholten Gasverdichter besichtigte und sich mit ihm fotografieren ließ. "Es ist offensichtlich, dass nichts, aber auch wirklich gar nichts dem Weitertransport dieser Turbine und ihrem Einbau in Russland entgegensteht", erklärte er vor den anwesenden Pressevertretern. "Sie kann jederzeit transportiert und genutzt werden. Die Reduzierung der Gaslieferungen über Nord Stream 1, die Nichterfüllung der Gaslieferungsverträge, hat keinerlei technische Gründe."
Scholz blamierte damit nicht nur den Kreml-Diktator Putin, sondern auch dessen Freund und ehemaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder, der die Lüge von der technisch bedingten Verringerung der Gaslieferungen ebenfalls verbreitete. In einem Interview mit der Illustrierten "stern" und den Sendern RTL/ntv, das ebenfalls am 3. August veröffentlicht wurde, behauptete Schröder: "Es gibt keine politische Ansage des Kreml, den Gasfluss zu drosseln. Es handelt sich hier vorwiegend um ein technisches und bürokratisches Problem, übrigens eins auf beiden Seiten."
Der Antrag von 17 regionalen SPD-Gliederungen, Schröder wegen seiner Kumpanei mit Putin aus der Partei auszuschließen, wurde inzwischen von der zuständigen Schiedskommission des SPD-Unterbezirks Hannover abgelehnt. Wie sie am 8. August mitteilte, vermochte sie keinen Verstoß gegen die Parteiordnung zu erkennen. Schröders Freundschaft mit Putin sei Privatsache. Es sei nicht erkennbar, dass er den Kreml-Diktator zum Krieg antreibe, und er habe auch nicht versucht, den russischen Überfall auf die Ukraine zu rechtfertigen. Das sehen viele Sozialdemokraten nach wie vor anders, und etliche Parteigliederungen haben Berufung gegen den Beschluss der Schiedskommission eingelegt.
Um nicht auf die EU-Sanktionsliste gesetzt zu werden, hat Schröder im Mai auf zwei Aufsichtsratsposten bei russischen Staatskonzernen verzichtet, die ihm sein Freund Putin zukommen lassen wollte (220507). Keinesfalls verzichten will er aber auf das Büro mit fünf Mitarbeitern und Chauffeur, das ihm hierzulande als ehemaligem Bundeskanzler zustand, bis der Haushaltsausschuss des Bundestags am 19. Mai etwas höhere Anforderungen an eine derartige Alimentierung stellte. Wie sein Rechtsanwalt am 12. August mitteilte, hat er beim Verwaltungsgericht Berlin beantragt, den Beschluss für rechswidrig erklären zu lassen, weil der Entzug des Büros damit begründet werde, das Schröder keine "nachwirkenden Dienstpflichten" mehr wahrnehme. Dabei werde aber nicht festgelegt, was unter solchen nachwirkenden Dienstpflichten überhaupt zu verstehen sei.
In der Tat steht bisher nirgendwo, dass ein ehemaliger Bundeskanzler
nicht mit Diktatoren befreundet sein darf, auch wenn diese Nachbarländer
überfallen, Kriegsverbrechen begehen, politische Gegner bis ins Ausland
verfolgen und ermorden lassen sowie eine auf die größtmögliche Schädigung
der Bundesrepublik Deutschland gerichtete Politik betreiben. Man sollte
deshalb dem Kläger Schröder in der Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht
klarmachen, dass dies einfach eine Selbstverständlichkeit ist. Falls er
das nicht einsehen kann, bleiben ihm immer noch die Kanzlerpension von
8.300 Euro sowie die Bezüge als ehemaliger Ministerpräsident von
Niedersachsin in voller Höhe – von den Zusatzeinkünften aus Russland mal
ganz abgesehen.