Februar 2023

230214

ENERGIE-CHRONIK


UN-Vollversammlung verurteilt zum zweiten Mal den russischen Überfall auf die Ukraine

Anläßlich des ersten Jahrestags des russischen Überfalls auf die Ukraine am 24. Februar 2022 (220201) verurteilte die UN-Vollversammlung am 23. Februar erneut den noch immer andauernden Angriffskrieg. Die Resolution wurde von mehr als 50 Staaten eingebracht und mit der Mehrheit von 143 gegen 7 Stimmen bei 32 Enthaltungen angenommen. Sie fordert den Rückzug der russischen Truppen, um die territoriale Integrität der Ukraine zu wahren und einen "umfassenden, gerechten und dauerhaften Frieden" zu ermöglichen. Die Gegenstimmen kamen – wie schon bei der ersten Resolution vom 12. Oktober 2022 (221001) – von Russland, Belarus, Nordkorea und Nicaragua sowie zusätzlich Eritrea. Zu den Staaten, die Stimmenthaltung übten, gehörten vor allem wieder China und Indien.

Die Resolution ist allerdings völkerrechtlich nicht bindend. Dazu bedürfte es einer Entschließung der 15 Mitglieder des UN-Sicherheitsrats. Zu dessen fünf ständigen Mitgliedern mit Vetorecht gehört aber seit 1946 auch Russland. Der Kreml kann deshalb seine Verurteilung wegen Verletzung des Völkerrechts jederzeit verhindern. Ständiges Mitglied mit Vetorecht ist außerdem seit 1971 China, das Putin bisher stützte und aus dessen vorläufigem Scheitern bei der Einverleibung der Ukraine den größtmöglichen Nutzen für die eigene Großmachtpolitik zu ziehen versucht. Die im Februar erfolgte Ankündigung Pekings, einen eigenen Friedensvorschlag vorzulegen, stößt deshalb auf große Skepsis.

Biden bekräftigt weitere Unterstützung der USA

Ein eindrucksvolles Signal der Unterstützung für die Ukraine setzte US-Präsident Biden, indem er am 20. Februar vor einer geplanten Reise nach Polen zuerst Kiew besuchte und dort mit dem Präsidenten Zelensky sprach. Seine Reise war zuvor nicht angekündigt, aber dem Kreml inoffiziell avisiert worden. Trotzdem ging Biden mit dem Besuch in Kiew ein nicht unerhebliches persönliches Risiko ein.

10. Sanktionspaket der EU klammert den nuklearen Sektor aus

Die Europäische Union beschloss am 25. Februar ein zehntes Sanktionspaket, um den russischen Aggressor mit Exportbeschränkungen im Wert von elf Milliarden Euro zu bestrafen. Auf durchaus mögliche und sinnvolle Sanktionen gegen die russische Nuklearindustrie wurde aber mit Rücksicht auf Ungarn verzichtet, weil der staatliche russische Atomkonzern Rosatom für das ungarische Kernkraftwerk Paks zwei neue Blöcke errichtet. Die EU-Kommission hat vor sechs Jahren die staatlichen Beihilfen für dieses Projekt genehmigt (170304). Unter dem Dach von Rosatom ist auch die russische Atomwaffenproduktion angesiedelt, mit deren Einsatz der Kreml-Diktator Putin zumindest zeitweilig gedroht hat, nachdem sich die ukrainischen Streitkräfte gegenüber den russischen Angreifern behaupten und diese sogar zurückschlagen konnten.

In Berlin fanden zum Jahrestag des Überfalls zwei sehr unterschiedliche Demonstrationen statt

Am 24. Februar demonstrierten in Berlin mehr als zehntausend Menschen gegen den russischen Überfall auf die Ukraine und die dadurch manifest gewordenen Pläne zur gewaltsamen Wiedereinverleibung von ehemaligen Zwangsmitgliedern des sowjetischen Imperiums in den Machtbereich des Kreml. Vor der russischen Botschaft wurde das Wrack eines in der Ukraine zerstörten russischen Panzers aufgestellt.

Allerdings beteiligte sich am darauffolgenden Samstag eine annähernd ebenso große Anzahl Menschen an einer anderen Demonstration, die lediglich einen Waffenstillstand in der Ukraine und Verhandlungen forderte. Implizit wurde so die Ukraine zu bedingungslosen Verhandlungen mit einem Aggressor aufgefordert, der sie erklärtermaßen als Staat von der Landkarte verschwinden lassen möchte. Nachdem Putin bisher sowieso keinerlei Bereitschaft zu einem Einlenken zeigte, dürfte ihn diese Kundgebung, zu der die Linkspolitikerin Sarah Wagenknecht und die Publizistin Alice Schwarzer aufgerufen hatten, eher noch in seiner Unnachgiebigkeit und seinem imperialistischen Großmachtwahn bestätigt haben. Schließlich braucht er im eigenen Land keine Demonstrationen oder sonstigen Druck der Öffentlichkeit zu befürchten. Dafür sorgt ein fast lückenloser Propagandaapparat in Verbindung mit brutaler Gewalt, falls sich dennoch Widerspruch oder gar Widerstand regt.

"Querfront" zeichnete sich schon im August vorigen Jahres ab

Typisch für das bei der zweiten Demonstration versammelte Publikum war eine "Querfront" aus Linkssektierern und Rechtsextremen sowie solchen Teilnehmern, die von echter, aber eher naiver Friedenssehnsucht motiviert waren. Diese Querfront-Tendenzen hatten sich bereits im August vorigen Jahres abgezeichnet, als der AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla, die Linke Sarah Wagenknecht und der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki unabhängig voneinander, aber unisono, die Inbetriebnahme der Pipeline Nord Stream 2 forderten (220807), nachdem Putin die Gasflüsse über Nord Stream 1 fast völlig gestoppt hatte (220802). Anscheinend glaubten sie oder taten so, als ob Putin dadurch besänftigt und den Gashahn wieder aufdrehen würde. Der Linke-Fraktionschef Dietmar Bartsch hielt dagegen diese Erwartung persönlich für "Quatsch". Die stellvertretende Linken-Vorsitzende Katina Schubert distanzierte sich jetzt eindeutig von dem Noch-Mitglied Sarah Wagenknecht: "Diese Demonstration hatte nichts mit linker Politik, gar mit linker Friedenspolitik zu tun." – Die eher linksliberalen bzw. im guten Sinne sozialdemokratischen Kräfte scheinen somit bei der Linkspartei noch immer einflussreicher zu sein als die Sektierer.

 

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