Januar 2011

110101

ENERGIE-CHRONIK


 


Schnäppchen für Aldi: Diese Dachanlage auf einem Supermarkt in Sinsheim demonstriert, wie attraktiv die Photovoltaik-Förderung für reine Kapitalanleger geworden ist.

Weitere Abstriche an der Solarförderung sollen Photovoltaik-Boom bremsen

Das Bundesumweltministerium und der Bundesverband Solarwirtschaft haben sich auf weitere Abstriche an den Einspeisungsvergütungen für Solarstrom verständigt. Zum einen soll die ab 2012 geltende Degression der Vergütungssätze um ein halbes Jahr vorgezogen werden. Außerdem gilt eine neue, um drei Prozent verschärfte Degression, falls der jährliche Zubau an installierter Leistung mehr als 7500 Megawatt (MW) beträgt. Bisher endet die Degressions-Skala, die den jährlichen Zubau in einem Zielkorridor zwischen 2500 und 3500 MW halten soll, bei 6500 MW und einer Absenkung um 12 Prozent.

Wie Bundesumweltminister Norbert Röttgen am 20. Januar mitteilte, soll damit die Solarförderung der Marktentwicklung angepaßt werden, die sich von den im Vorjahr beschlossenen Abstrichen nicht im erwünschten Ausmaß beeindrucken ließ. Statt der Anfang 2010 prognostizierten maximal 5.000 Megawatt seien im vergangenen Jahr mehr als 7.000 Megawatt in Betrieb genommen worden. Insgesamt seien in Deutschland derzeit Solarstromanlagen mit einer Leistung von etwa 17.000 Megawatt installiert. Ein schneller und überhitzter Ausbau der Photovoltaik müsse verhindert werden, weil sonst die hohen EEG-Kosten zu "erheblichen Akzeptanzproblemen" führen würden.

Auch die Lobby ist mehr an einen kontinuierlichen Ausbau interessiert

Der Bundesverband Solarwirtschaft vertrat auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit Röttgen ebenfalls die Ansicht, daß der Markt nicht zu schnell wachsen dürfe, "um die technische Realisierbarkeit zu ermöglichen und die notwendigen Investitionen für den Umbau des Energiesystems hin zur einer dezentralen Energieversorgung mit Erneuerbaren Energien in einem vertretbaren Rahmen zu halten". Zielsetzung der Branche bleibe jedoch der weitere Ausbau der Photovoltaik. Bis 2020 wolle man den Anteil der Solarenergie am deutschen Strom-Mix von "derzeit rund zwei Prozent" auf mindestens zehn Prozent ausbauen und zugleich die Kosten mindestens halbieren.

Gleitklauseln zur Steuerung des Zubaues waren völlig unzureichend

Das Erneuerbare-Energien-Gesetz war zuletzt Ende 2008 grundlegend novelliert worden (080601) und in der neuen Fassung zum 1. Januar 2009 in Kraft getreten (081203). Es führte in § 20 Abs. 2a erstmals eine Gleitklausel ein, die eine Erhöhung oder Minderung der jährlichen prozentualen Absenkung der in § 33 festgelegten Vergütungssätze vom jährlichen Zubau an Anlagen abhängig machte (080601). Diese Bestimmungen erwiesen sich aber als ungeeignet, um das rasante Wachstum des Zubaues und damit der Kosten zu bremsen, denn 2009 wurden fast vier Megawatt an Photovoltaik-Leistung neu installiert (100403). Der Bundestag beschloß deshalb im Mai 2010 unter heftigem Protest der Solar-Lobby zusätzliche Abstriche an der Solarförderung, wobei er die Meßlatte mit einem tolerierbaren Zubau von etwa 3000 MW pro Jahr aber weit höher ansetzte als die bisherige Regelung, die z.B. für das Jahr 2010 einen Zubau von etwa 1400 MW vorsah (100501).

Bei dieser nachträglichen Korrektur des neuen EEG wurden zum einen die Vergütungssätze nach § 20 Abs. 4 einmalig um 11 bis 16 Prozent gesenkt. Ferner wurden die in § 20 Abs. 2 Nr. 8 vorgesehenen Absenkungen der Vergütungssätze für die Jahre 2010 und 2011 erhöht. Für das Jahr 2010 geschah dies durch eine Anhebung der geltenden Degressionssätze (8 bzw. 10 Prozent) um jeweils ein Prozent. Für das Jahr 2011 wurde eine weitere Gleitklausel eingeführt, die eine Erhöhung oder Minderung der vorgesehenen Absenkung (9 Prozent) ebenfalls vom Zubau abhängig machte. Diese in § 20 Abs. 3 verankerten Variablen sollen dann greifen, wenn der Zubau einen "Korridor" zwischen 2500 und 3500 Megawatt an neu installierter Nennleistung nach oben oder nach unten überschreitet. In der Praxis erwiesen sich aber auch diese Abstriche als unzulänglich, zumal die Solar-Lobby über die Ländervertretung noch eine Verzögerung des Inkrafttretens der einmaligen Absenkung erreichte (100701).

Explosion der EEG-Umlage wurde hauptsächlich der Photovoltaik angekreidet

Als just nach der Beilegung des Streits um die Solarförderung die EEG-Umlage um das Dreifache gegenüber 2009 stieg, wurden für diese Explosion der EEG-Kosten allgemein die Einspeisungsvergütungen für Solaranlagen verantwortlich gemacht, obwohl der Hauptgrund das geänderte EEG-Abrechnungsverfahren war (101001). Diese falsche Optik hat sicher viel dazu beigetragen, daß die Solar-Lobby nun weitere Abstriche akzeptiert. Sie will verhindern, daß die Photovoltaik noch mehr in die Kritik gerät, zumal tonangebende Wirtschaftskreise ohnehin zum Generalangriff auf das EEG blasen (110102). Die besonders hohen und besonders stark gestiegenen Einspeisungsvergütungen für die Photovoltaik sind für die Gegner des EEG ein beliebtes Argument, um das Gesetz insgesamt zu diskreditieren.

Umweltrat empfiehlt deutliche Absenkung des Zubau-Korridors

Auch unter Verfechtern des EEG sind die hohen Photovoltaik-Vergütungen umstritten, da so ein Großteil der Subventionen für die mit Abstand teuerste Art der Stromerzeugung ausgegeben wird. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) empfahl deshalb im Januar der Bundesregierung, den 2010 erhöhten Zubau-Korridor wieder abzusenken (110103). "Wir halten es für sinnvoll, den Photovoltaik-Ausbau deutlich früher zu bremsen; der Deckel sollte im Bereich von 1000 Megawatt sein", präzisierte Ratsmiglied Olav Hohmeyer diese Forderung gegenüber der Wochenzeitung "Die Zeit" (27.1.).

Ab 1. Juli 2011 können die Vergütungssätze um bis zu 24 Prozent sinken

Die jetzt zwischen Bundesumweltministerium und Solar-Lobby erzielte Vereinbarung sieht vor, daß die gemäß § 20 Abs. 3 Nr. 4 ab dem 1. Januar 2012 geltende "Korridor"-Regelung um ein halbes Jahr vorgezogen wird. Dies bedeutet, daß bereits zum 1. Juli 2011 eine zusätzliche Absenkung der Vergütungen stattfindet, wenn der Zubau mehr als 3500 Megawatt (MW) beträgt. Ab 4500 MW sind es 6 Prozent, ab 5500 MW 9 Prozent und ab 6500 MW 12 Prozent. Entsprechendes gilt für die Minderung der Absenkungen, die im Falle eines Unterschreitens von 2500 MW gesetzlich vorgesehen ist. Mit einer solchen Minderung rechnet aber niemand ernsthaft, denn zur Absicherung des "Korridors" nach oben soll sogar eine weitere Stufe eingefügt werden, die bei einem Zubau von mehr als 7500 MW die Absenkung der Vergütungen auf 15 Prozent erhöht. Zusammen mit der Basisdegression von 9 Prozent könnte so ab 1. Juli 2011 eine Gesamtdegression von 24 Prozent zustande kommen, falls der Zubau an Photovoltaik-Anlagen mehr als 7500 MW betragen würde. Die tatsächliche Höhe des Zubaues bzw. der Absenkung wird von der Bundesnetzagentur ermittelt, indem sie das Ergebnis der Monate März, April und Mai auf das ganze Jahr hochrechnet. Für Freiflächenanlagen soll die Absenkung wegen der längeren Planungszeiten nicht bereits zum 1. Juli, sondern zum 1. September 2011 gelten.

Grünstromprivileg soll bleiben, aber auf 2 Cent/kWh begrenzt werden

Am umstrittenen Grünstromprivileg in § 37 will das Bundesumweltministerium festhalten. Es befreit Stromversorger von der EEG-Umlage, wenn der von ihnen gelieferte Strom einen Anteil von mindestens 50 Prozent EEG-Strom umfaßt. Die Befreiung gilt auch für jenen Teil des Stroms, der nicht aus erneuerbaren Energien stammt. Infolge des explosionsartigen Anstiegs der EEG-Umlage auf 3,53 Cent/kWh in diesem Jahr ist mit einer verstärkten Nutzung des Grünstromprivilegs zu rechnen, was wiederum die EEG-Umlage noch höher treiben würde. Um diese zu verhindern, will das Bundesumweltministerium die Befreiung auf 2,0 Cent pro Kilowattstunde begrenzen. Dies entspricht etwa der Höhe der EEG-Umlage 2010. Eine darüber hinaus gehende Reform des Grünstromprivilegs werde im Rahmen des EEG-Erfahrungsberichts geprüft.

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