August 2010

100807

ENERGIE-CHRONIK


Kritik an der Finanzierung des "Energiewirtschaftlichen Instituts" durch RWE und E.ON

Das Energiewirtschaftliche Institut an der Universität Köln (EWI) ist in die Kritik geraten, weil es im Auftrag der Bundesregierung als Gutachter in der gegenwärtigen Auseinandersetzung um die Verlängerung der Laufzeiten für Kernkraftwerke fungiert (100802) und zugleich von der finanziellen Förderung durch die beiden KKW-Betreiber RWE und E.ON abhängig ist. "Da haben sich die Atomkonzerne ihre Lizenz zur Laufzeitverlängerung selbst ausgestellt", meinte Greenpeace-Energieexperte Tobias Münchmeyer. Noch schärfer formulierte die stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende Bärbel Höhn: "Das EWI sieht nach einem getarnten Subunternehmen von E.ON und RWE aus." (SZ, 26.8.; spiegel online, 27.8.)

Im Vorstand des Fördervereins sitzen Manager der beiden Konzerne

Gemeinsamer Träger des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Universität Köln (EWI) sind die Universität Köln und die Gesellschaft zur Förderung des EWI. Als Vorsitzender des Fördervereins amtiert der RWE-Manager Leonhard Birnbaum. Stellvertreter sind der E.ON-Manager Guido Knott und BDEW-Präsident Ewald Woste.

Zum vierköpfigen Vorstand des Fördervereins gehört ferner noch der Institutsdirektor Marc Oliver Bettzüge, der 2007 als Nachfolger von Carl Christian von Weizsäcker die Leitung des EWI und eine neugeschaffene Stiftungsprofessur übernahm, die auf Betreiben von RWE eingerichtet worden war. Bettzüge ist wie zuvor Weizsäcker Landesbeamter und wird offiziell von der Universität besoldet. Das Geld für die Stiftungsprofessur stammt aber von den Energiekonzernen E.ON, RWE Vattenfall und RAG.

Bettzüge arbeitete zuvor für das Beratungsunternehmen Boston Consulting Group (BCG). In dieser Funktion hat er "vornehmlich das Top-Management europäischer Energiekonzerne (Strom und Gas) beraten", wie die Uni Köln vor drei Jahren anläßlich seiner Ernennung zum Professor mitteilte. Er stehe damit für einen "gelungenen Brückenschlag zwischen Wissenschaft und Praxis".

Dem Institut selber ist ein ähnlicher Brückenschlag gelungen: Es wird bis 2012 fünf Jahre lang größtenteils von RWE und E.ON finanziert. Nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" (26.8.) spendieren beide Konzerne jeweils vier Millionen Euro – insgesamt doppelt soviel wie das Land Nordrhein-Westfalen – und verfügen auch im Verwaltungsrat des EWI über zwei von insgesamt sieben Sitzen.

Das EWI gilt seit langem als Hoflieferant von Wirtschaft und Regierung

Das Institut wies den Vorwurf einer Abhängigkeit von Unternehmensinteressen zurück. Auch durch die Satzung des Fördervereins sei jede Einflußnahme auf die wissenschaftliche Arbeit ausgeschlossen. Das ändert freilich nichts daran, daß das EWI seit jeher als ebenso fachlich kompetent wie branchennah gilt.

Schon unter Bettzüges Vorgänger Carl Christian von Weizsäcker hatte das EWI bei Wirtschaft und Bundesregierung gewissermaßen den Status eines Hoflieferanten für Gutachten zu energiewirtschaftlichen Fragen. So ließ sich Ende 2001 der damalige Bundeswirtschaftsminister Werner Müller vom EWI munitionieren, um die hochgesteckten Klimaschutzziele seines grünen Kabinettskollegen Jürgen Trittin zu torpedieren (011101). Für Müllers Nachfolger Wolfgang Clement erstellte das EWI zusammen mit dem Leipziger Institut für Energetik und Umwelt und dem Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) eine EEG-kritische Studie, die aber unter Verschluß blieb, um den rot-grünen Koalitionsfrieden nicht zu gefährden (040304). Als Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundeswirtschaftsministeriums trat EWI-Chef Carl Christian von Weizsäcker für die Abschaffung der EEG-Förderung ein, weil sie durch den Handel mit Emissionszertifikaten "höchst ineffizient und letztlich wirkungslos" geworden sei (040304). Als ruchbar wurde, daß die Energiekonzerne die kostenlos erhaltenen Zertifikate für den Emissionshandel auf die Strompreise aufgeschlagen und so Milliarden an "Windfall-Profits" eingestrichen hatten, verteidigte der mittlerweile emeritierte EWI-Chef dies als ganz normales Geschäftsgebaren (050901). Weizsäcker gehörte ferner zu den Unterzeichnern eines Pamphlets, das unter dem Titel "Die Energie-Lüge" gegen die EEG-Förderung Stimmung machte (090308).

Dena-Netzstudie entstand unter Federführung des EWI

Eine Studie zu den netztechnischen Folgen der vermehrten Windstrom-Einspeisung, die gemeinhin als "Dena-Netzstudie" bezeichnet wird, weil sie von der Deutschen Energie-Agentur (dena) in Auftrag gegeben wurde, entstand ebenfalls unter Federführung des EWI in Abstimmung mit Netzexperten der Konzerne E.ON, RWE und Vattenfall (050102). Im Frühjahr 2010 bediente das EWI die Energiekonzerne und deren Verbände mit einem Gutachten, das faktisch auf die Ersetzung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) durch den europaweiten Handel mit Emissions- oder RECS-Zertifikaten zielt (100408). Zuletzt veröffentlichte das Institut eine Studie, die vom Bundeswirtschaftsministerium zur Verteidigung der Negativpreise für Windstrom in Auftrag gegeben worden war. Die nicht ganz unwesentliche Erkenntnis, daß infolge der Negativpreise und des veränderten EEG-Ausgleichsvefahrens künftig auch sinkende Börsenstrompreise höhere Strompreise für Letztverbraucher bedeuten können, wurde dabei in einer Fußnote versteckt (100708).

Ferner war das EWI maßgeblich an den bisher zwei "Monitoring-Berichten" zur Sicherheit der Stromversorgung beteiligt, die der Bundeswirtschaftsminister gemäß § 63 EnWG alle zwei Jahre bis spätestens 31. Juli veröffentlichen muß. Den in diesem Jahr fälligen zweiten Bericht wird das Bundeswirtschaftsministerium allerdings erst im Herbst vorlegen. Der Grund dafür ist angeblich die Arbeitsüberlastung des Instituts, das rund zwei Dutzend Mitarbeiter beschäftigt (100808).

Wissenschaftsbetrieb gerät zunehmend ins Schlepptau der Wirtschaft

Die finanzielle Abhängigkeit des EWI von Industriegeldern ergänzt sich mit der Vergabe von Regierungsaufträgen. Sie ist freilich nur Teil des größeren Problems, daß die Wirtschaft zunehmend Teilbereiche des Hochschulbetriebs finanziert und dies gewiß nicht uneigennützig tut. Die im Grundgesetz garantierte Freiheit von Forschung und Lehre bleibt unter diesen Umständen formal gewährleistet, wird aber inhaltlich ausgehöhlt. Wie der "Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft" am 15. Juli 2009 mitteilte, gibt es inzwischen rund 660 Stiftungsprofessuren in Deutschland. Bei der wissenschaftlichen Ausrichtung dieser Lehrstühle dominieren die Wirtschaftswissenschaften und die MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik). Drei Viertel davon sind an Universitäten angesiedelt, ein Viertel an Fachhochschulen. In den meisten Fällen erfolgt die Finanzierung direkt durch Unternehmen (41 %). Als Geldgeber fungieren ferner Stiftungen (27 %), Forschungsverbände (8 %), Verbände (6 %), Vereine (6 %) und Einzelpersonen (3 %). Etwas mehr als die Hälfte aller Stiftungslehrstühle wird von den Förderern für fünf Jahre finanziert. Knapp zwölf Prozent werden über zehn Jahre gefördert. Nach Ablauf der privaten Förderung werden 65 Prozent der Stiftungsprofessuren in den Haushalt der Hochschulen übernommen und damit weitergeführt. Auffällig ist die besonders große Zahl von Stiftungsprofessuren in Bayern (114) und Baden-Württemberg (103).

Auch die Energiekonzerne spendieren allerlei Stiftungsprofessuren

Im Energiebereich ist es keineswegs nur das EWI, das samt seiner Stiftungsprofessur finanziell am Tropf der Konzerne hängt. Beispielsweise finanziert RWE der TU Dortmund seit 2008 einen Lehrstuhl für Energiesysteme und Energiewirtschaft und der Universität Duisburg-Essen seit 2009 den ersten Lehrstuhl für Energiehandel in Europa. Die Anschubfinanzierung ist jeweils auf fünf Jahre angelegt. E.ON stiftete der RWTH Aachen 2006 ein "E.ON Forschungsinstitut für Energie" mit insgesamt fünf Professuren, das der Konzern zehn Jahre lang mit mindestens 40 Millionen Euro unterstützt. Fast gleichzeitig spendierte Vattenfall der Universität Leipzig eine Professur für Energiemanagement und Nachhaltigkeit (060209).

Daß solche Stiftungen nicht uneigennützig erfolgen, sondern mit mannigfachen Interessenverflechtungen und Einflußmöglichkeiten verbunden sind, zeigt etwa die Professur für "innovative Energiesysteme", die der Fachhochschule Düsseldorf von der Energie Baden-Württemberg gestiftet wurde. Inhaber des Lehrstuhls wurde der bisherige Vorstand der Stadtwerke Düsseldorf, Dieter Oesterwind. Die EnBW, die damals noch nicht die Mehrheit an den Stadtwerken erlangt hatte, konnte so den freiwerdenden Vorstandsposten bei den Stadtwerken mit einem eigenen Vertreter besetzen (050216).

Die Stiftungsprofessuren ermöglichen den edlen Spendern zumindest in der Anfangsphase wichtige Weichenstellungen, ehe die weitere Finanzierung der öffentlichen Hand überlassen wird. Ersatzweise oder zusätzlich gibt es noch andere Möglichkeiten der Einflußnahme, wie die Trägerschafts-Konstruktion beim EWI zeigt. Neuerdings haben sechs führende Unternehmen der Atomwirtschaft sogar eine brancheneigene Kaderschmiede im Rahmen der Technischen Universität München gründen können (100208). Eine genauso beliebte wie simple Art der Einflußnahme auf Forschungsergebnisse bleibt ferner die Vergabe hochbezahlter Gutachter-Aufträge, deren Ergebnisse dem Auftraggeber tunlichst behagen sollten, falls Wert auf weitere Aufträge gelegt wird...