Mai 2005 |
050503 |
ENERGIE-CHRONIK |
Das Kernkraftwerk Obrigheim am Neckar ging am 11. Mai endgültig vom Netz. Es handelt sich um das zweite Kernkraftwerk, das aufgrund des im Juni 2000 vereinbarten Energiekonsenses (000601, 010602) und der darauf beruhenden Neufassung des Atomgesetzes (020404) den Leistungsbetrieb einstellt. Der Druckwasserreaktor mit einer Leistung von 357 Megawatt speiste seit April 1969 ins Netz der Energie-Versorgung Schwaben (EVS) bzw. der späteren Energie Baden-Württemberg (EnBW) ein.
Als ältestes deutsches Kernkraftwerk hätte Obrigheim aufgrund der Vereinbarungen zwischen Bundesregierung und KKW-Betreibern schon Ende 2002 abgeschaltet werden müssen, doch gab es eine Geheimzusage des Bundeskanzlers Schröder gegenüber dem damaligen EnBW-Chef Gerhard Goll, einen Antrag auf Laufzeitverlängerung zu genehmigen. Bundesumweltminister Trittin bewilligte der EnBW deshalb im Oktober 2002 die Übertragung einer Reststrommenge von 5,5 Terawattstunden vom Kernkraftwerk Philippsburg 1 auf Obrigheim (021002). Die EnBW mußte sich jedoch verpflichten, den Reaktor nicht länger als bis zum 15. November 2005 zu betreiben (021212).
Im November 2003 war als erstes Kernkraftwerk der Reaktor Stade (630 MW) stillgelegt worden, der zu zwei Dritteln E.ON und zu einem Drittel HEW/Vattenfall gehörte (031107). Im Unterschied zu Obrigheim handelte es sich hier um eine vorzeitige Stillegung, wobei die Übertragung der noch nicht abgearbeiteten Reststrommenge auf neuere Anlagen keiner besonderen Genehmigung durch die Bundesregierung bedurfte.
Nach Angaben der EnBW folgt in Obrigheim nun eine "Nachbetriebsphase". Ab 2007 könne mit dem Abbau des Kraftwerks begonnen werden. Die komplette Beseitigung der Anlage sei bis zum Jahr 2023 möglich.
Bundesumweltminister Trittin begrüßte die Abschaltung Obrigheims als "ein weiteres Stück Energiewende". Damit sei bereits das dritte Atomkraftwerk aufgrund des vereinbarten Ausstiegs aus der Kernenergie stillgelegt worden. Bei dieser Zählweise schloß Trittin den Reaktor Mülheim-Kärlich mit ein, der nur von 1987 bis 1990 Strom erzeugte und für dessen endgültige Stillegung RWE eine Reststrommenge von 107 Terawattstunden auf andere Kernkraftwerke verteilen durfte.
Die deutschen Kernkraftwerke haben vom 1. Januar 2000 bis zum 31. Dezember 2004 knapp 31 Prozent der im Atomkonsens festgelegten Gesamtstrommenge produziert. Dies teilte das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) am 14. April mit. Damit verfüge die deutsche Energiewirtschaft seit Anfang 2005 noch über eine Reststrommenge von rund 1.829 Milliarden Kilowattstunden der ursprünglich festgelegten 2.623 Milliarden Kilowattstunden.