Juni 2023 |
230606 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die EU-Staaten beschlossen am 21. Juni ein elftes Sanktionspaket, um Russland für den Angriffskrieg gegen die Ukraine zu bestrafen. Dieses Mal handelt es sich vor allem um solche Maßnahmen, die dazu dienen sollen, die bereits beschlossenen Sanktionen effizienter umzusetzen. Die im Ausschuss der Ständigen Vertreter erzielte Einigung soll vom Europäischen Rat der Staats- und Regierungschefs im schriftlichen Verfahren kurzfristig gebilligt werden, damit sie in Kraft treten kann.
"Die Umgehung von Sanktionen ist nicht akzeptabel", erklärte dazu der Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, Robert Habeck. "Wir müssen entschlossen dagegen angehen. Hierfür habe ich im Februar Vorschläge vorgelegt, die das heute beschlossene 11. Sanktionspaket in zentralen Punkten aufgreift. Mit dem neuen Maßnahmenbündel können wir EU-weit besser und effektiver gegen die Sanktionsumgehung vorgehen."
Kern des 11. Sanktionspakets sind verschiedene Maßnahmen gegen die Umgehung der Sanktionen über Drittstaaten. Falls diese nicht bereit sind, mit der EU enger zu kooperieren, sind künftig Maßnahmen gegen einzelne Unternehmen dieser Staaten möglich. Wenn alle anderen Bemühungen ohne Erfolg bleiben, können außerdem gegen die Drittstaaten selber Exportbeschränkungen für einzelne besonders kritische Güter verhängt werden. Wer über sanktionsrelevante Informationen verfügt, muss diese den Behörden melden, die mit der Durchsetzung der Sanktionen beauftragt sind. Der Transit kritischer Güter über Russland in Richtung Drittstaaten ist künftig nicht nur für "Dual-Use-Güter" verboten, sondern auch für "Advanced-Tech-Güter", die ebenfalls zur militärischen und technologischen Stärkung Russlands beitragen können.
Eine weitere wichtige Neuerung betrifft das Embargo beim Bezug von russischem Öl über den nördlichen Abzweig der russischen Pipeline Druschba, das nun für Deutschland und Polen verpflichtend wird. Die beiden Staaten hatten sich vor einem Jahr bei den Beratungen über das sechste Sanktionspaket bereiterklärt, ein solches Embargo auf freiwilliger Grundlage einzuführen - auch als demonstrativer Akt gegenüber der prorussischen Schaukelpolitik der ungarischen Regierung, die mit ihrem Vetorecht ein komplettes Verbot des leitungsgebundenen Ölimports aus Russland verhindern konnte, indem sie auf der weiteren Belieferung über die beiden südlichen Druschba-Stränge bestand, die nach Ungarn, Slowakei und Tschechien führen (220604). Allerdings hat dann nur die deutsche Regierung dieses freiwillige Embargo mit Beginn des Jahres 2023 konsequent umgesetzt, nachdem sie die mehrheitlich dem russischen Staat gehörende Raffinerie in Schwedt unter Treuhandverwaltung gestellt hatte (220907). Der staatliche polnische Mineralölkonzern PNK Orlen bezog dagegen noch immer einen kleineren Teil seines Bedarfs über die Druschba und behielt sich im Einvernehmen mit der Warschauer Regierung vor, die auch weiterhin zu tun (230207). Wenn das 11. Sanktionspaket in Kraft tritt, wird das nicht mehr möglich sein, da es beide Staaten zum Embargo verpflichtet.
Laut Bundeswirtschaftsministerium entsprechen die nun gefassten Beschlüsse großteils den von ihm gemachten Vorschlägen. Nicht aufgegriffen wurde aber offenbar Habecks Forderung, in das nächste Sanktionspaket auch die Nuklearindustrie aufzunehmen und die Zusammenarbeit mit Russland auf diesem Gebiet zu beenden (230405). Die Mitteilung des Ministeriums enthält dazu keine Angaben. Es ist zu vermuten und war vorhersehbar, dass diese Forderung am Widerstand Frankreichs scheitern würde, dessen Nuklearwirtschaft nach wie vor intensive Kontakte mit Russland unterhält (siehe Hintergrund, April 2022). Möglicherweise wurde sie aber deshalb auch gar nicht erst aufs Tapet gebracht.