Mai 2020 |
200508 |
ENERGIE-CHRONIK |
Fotos (4): EnBW
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Die Energie Baden-Württemberg hat am 14. Mai die beiden Kühltürme des Kernkraftwerks Philippsburg gesprengt, das zum Jahresende 2019 komplett stillgelegt wurde (191208). Sie hatte die Sprengung Anfang Mai für diesen oder den folgenden Tag angekündigt. Angesichts der Coronavirus-Pandemie nannte sie absichtlich keinen genaueren Zeitpunkt, um der Ansteckungsgefahr durch eine große Ansammlung von Schaulustigen vorzubeugen. Trotzdem fanden sich um sechs Uhr morgens außerhalb des abgesperrten Bereichs zahlreiche Zuschauer ein. Sie erlebten eine mustergültige Sprengung, bei der die 150 Meter hohen Türme in weniger als einer Minute so in sich zusammensackten, dass sie nur noch kreisrunde Trümmerhaufen bildeten.
Den Bauschutt, der jeweils rund 32.500 Tonnen pro Turm beträgt, will die EnBW zur Aufschüttung des Geländes verwenden. Am früheren Standort der Kühltürme wird dann die Konverterstation für die "Ultranet"-Leitung errichtet, die von Osterath bei Düsseldorf nach Philippsburg führt und bis 2024 durch Umrüstung von bereits vorhandenen Höchstspannungsleitungen auf Hochspannungs-Gleichstromübertragung (HGÜ) fertiggestellt sein soll. Bis 2025 soll auch die anschließende HGÜ-Trasse von Osterath bis Emden zur Verfügung stehen (200516, 200408). Das ehemalige Kernkraftwerk Philippsburg wird damit zum Endpunkt der im Westen Deutschlands geplanten Hochspannungs-Gleichstrom-Brücke A und behält seine Bedeutung als Netzknoten. Die HGÜ-Übertragungsleistung von zwei Gigawatt entspricht ungefähr der elektrischen Nettoleistung des stillgelegten Kernkraftwerks.
Das Kernkraftwerk Philippsburg verfügte über einen Siedewasserreaktor mit 864 MW, der 1979 in Betrieb ging, und einen Druckwasserreaktor mit 1268 MW, der 1984 hinzukam. Der Siedewasserreaktor wurde bereits mit der 2011 erfolgten Neufassung des Atomgesetzes stillgelegt (110601). Ende 2019 lief auch die gesetzliche Frist für den Druckwasserreaktor ab (160711). Die beiden Kühltürme bildeten jahrzehntelang weithin sichtbare Landmarken in der Oberrheinischen Tiefebene. Besonders auffällig war der Kühlturm des Siedewasserreaktors, der seine hellere Farbe einer zwischenzeitlich erfolgten Sanierung verdankte und über dem schon seit März 2011 keine Dampfwolken mehr zu sehen waren (110302).
Der Sprengung gingen umfangreiche Vorarbeiten voraus. Zum Beispiel mussten in die Betonschalen sogenannte Fall- und Vertikalschlitze eingebracht werden, die gewährleisten, dass die Kühltürme bei der Sprengung infolge ihres Eigengewichts in sich zusammenfallen. Ferner mussten an genau definierten Stellen Bohrlöcher gebohrt und mit Sprengstoff gefüllt werden. Die Zündung der Sprengladungen erfolgte nicht gleichzeitig, sondern in genau kalkulierten Abständen von Sekunden. Nach Angaben der EnBW wurden derartige "Fallrichtungssprengungen" in Deutschland schon mehr als fünfzigmal erfolgreich beim Abbruch von Kühltürmen praktiziert.