November 2015 |
151107 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will für die Abschaltung des Kernkraftwerks Biblis im März 2011 nicht verantwortlich gewesen sein, obwohl diese Maßnahme aufgrund eines Beschlusses der Bundesregierung zustande kam. "Da kann nicht der Bund den Hut aufhaben nach der Rechtslage", sagte sie am 6. November vor dem Untersuchungsausschuß des Hessischen Landtags, der nach Berlin gereist war, um sie im Bundeskanzleramt als Zeugin zu vernehmen.
Nach Merkels Darstellung haben der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier und die damalige Umweltminsterin Lucia Puttrich (beide CDU) in alleiniger Verantwortung gehandelt, als sie dem Biblis-Betreiber RWE die Abschaltverfügung zustellten. Bouffier vertrat dagegen bisher den Standpunkt, eine Weisung der Bundesregierung ausgeführt zu haben. Außerdem soll ihm die Kanzlerin vage versprochen haben, der Bund werde das Land "nicht im Regen stehen lassen", falls es zu Klagen der KKW-Betreiber komme. Aber auch an eine derartige Zusage konnte oder wollte Merkel sich nicht erinnern.
Der Hessische Landtag hatte den Untersuchungsausschuß am 13. März 2014 eingesetzt hatte, nachdem der Hessische Verwaltungsgerichtshof die seinerzeit erfolgten Abschaltungsverfügungen gegen die beiden Kernkraftwerke Biblis A und B für rechtswidrig erklärt hatte (130214) und auch die Revisionsbeschwerde des Landes Hessen gegen dieses Urteil vom Bundesverwaltungsgericht zurückgewiesen worden war (140110). Er soll klären, wer für die rechtswidrig ergangenen Abschaltverfügungen und die daraus für das Land entstehenden finanziellen Lasten verantwortlich war. Am 17. Dezember findet vor dem Landgericht Essen die erste Verhandlung in einem Schadenersatzprozeß statt, den RWE gegen das Land Hessen angestrengt hat.
Die Abschaltung von Biblis war Bestandteil des "Moratoriums", mit dem die schwarz-gelbe Bundesregierung nach der Reaktor-Katastrophe von Fukushima am 14. März 2011 die auf drei Monate befristete Außerbetriebnahme der sieben ältesten Kernkraftwerke verfügte. Der Beschluß wurde am folgenden Tag mit den CDU-MInisterpräsidenten der betroffenen Länder Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein abgestimmt und bis zum 18. März über entsprechende Anordnungen der Landesaufsichtsbehörden umgesetzt. Bei der EnBW gingen Neckarwestheim 1 und Philippsburg 1 vom Netz, bei E.ON Isar 1 und Unterweser. RWE schaltete Biblis A ab; der Block Biblis B sowie das Vattenfall gehörende Kernkraftwerk Brunsbüttel standen ebenfalls auf der Liste, waren aber bereits aus anderen Gründen abgeschaltet. (110302)
RWE war der einzige KKW-Betreiber, der sich gegen die Abschaltverfügungen wehrte (110403). Nachdem deren Rechtswidrigkeit von allen Instanzen der Verwaltungsgerichtsbarkeit bestätigt worden war, verlangte er vom Land Hessen und der Bundesregierung gesamtschuldnerisch einen Schadenersatz in Höhe von 235.310.891,60 Euro zuzüglich Zinsen (140807). Die KKW-Betreiber E.ON (141002) und EnBW (141002) machten daraufhin ähnliche Forderungen geltend. Insgesamt sollen sich die Schadenersatzforderungen der KKW-Betreiber auf 882 Millionen Euro belaufen.