Januar 2013

130114

ENERGIE-CHRONIK


EnBW unterliegt im Streit mit dem Russen Bykov ein weiteres Mal

Die Energie Baden-Württemberg (EnBW) ist im Rechtsstreit um Millionengeschäfte mit dem russischen Lobbyisten Andrey Bykov ein weiteres Mal unterlegen. Wie sie am 8. Januar mitteilte, hat ein Schiedsgericht in Berlin die Klage der Kernkraftwerk Obrigheim GmbH gegen die Pro Life Systems SA (PLS) zurückgewiesen. Die EnBW-Tochter hatte das in Zürich angesiedelte Bykov-Unternehmen auf Rückzahlung von 46,5 Millionen Euro verklagt, weil es vereinbarte Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem Rückbau des Kernkraftwerks Obrigheim nicht korrekt erbracht habe. Das Schiedsgericht vertrat dagegen die Auffassung, daß die vertraglich vereinbarten Leistungen in ausreichender Form erbracht worden seien. Gegen die Entscheidung sind keine Rechtsmittel möglich.

Von drei Schiedsgerichtsklagen war lediglich eine halbwegs erfolgreich

Es handelte sich um das letzte von insgesamt drei Verfahren, die die EnBW vor Schiedsgerichten in Stockholm, Zürich und Berlin gegen Bykov-Firmen angestrengt hatte. Insgesamt forderte die EnBW 130 Millionen Euro zurück, weil vertraglich vereinbarte Leistungen wie Uranlieferungen aus Rußland, die Entsorgung von Atommüll aus dem stillgelegten Kernkraftwerk Obrigheim oder die Entwicklung eines Überwachungssystems für Nukleartransporte nicht erbracht worden seien.

Lediglich eine der Klagen war halbwegs erfolgreich: Im Mai 2012 verurteilte ein Stockholmer Schiedsgericht die Bykov-Firma Europa Suisse SA zur Rückzahlung von 24,4 Millionen Euro, weil sie einen im März 2007 geschlossenen Vertrag über die Lieferung von Uran nicht erfüllt habe (120601). Im übrigen lehnte es die Ansprüche der EnBW ab, weil sich aus den Vertragstexten ein Anspruch auf Rückzahlung nicht hinreichend begründen lasse. Die von Bykov geschuldete Rückzahlung ist nach Angaben der EnBW bis heute nicht bei ihr eingegangen.

Bykovs These von den "Scheingeschäften" wird nicht für glaubwürdig gehalten

Um die Nichterfüllung von vereinbarten Leistungen plausibel zu machen, hatte Bykov im Zuge der Verfahren selber die Behauptung aufgestellt, es habe sich um Scheingeschäfte gehandelt. In Wirklichkeit sei es darum gegangen, ihn für Lobbyarbeit zur Anbahnung von Gasgeschäften in Rußland zu honorieren. Als Präsident der Stiftung "Heiliger Nikolaus, der Wundertäter" habe er deshalb die EnBW-Gelder für Kirchen, Wallfahrten und andere klerikale Propaganda zur Stützung des Kreml-Regimes verwendet (120601). Diese Darstellung wurde schon von dem Schiedsgericht in Zürich bezweifelt und bei dem jetzigen Verfahren in Berlin ebenfalls nicht für glaubwürdig gehalten. Die Entscheidungen zugunsten des Russen stützen sich deshalb anscheinend mehr auf die Unzulänglichkeit der Vertragstexte als darauf, wieweit Bykov tatsächlich Leistungen erbracht hat.

Ex-Chef Claassen bestreitet, von den dubiosen Geschäften gewußt zu haben

Wie die "Süddeutsche Zeitung" am 17. Januar berichtete, sieht es das Berliner Schiedsgericht für erwiesen an, daß die EnBW-Spitze von den fragwürdigen Geschäften mit Bykov wußte. Die Vertragstexte seien auch intensiv in der Rechtsabteilung des Konzerns diskutiert worden. "Es ist somit klar, daß beide Parteien grundsätzlich wußten bzw. wissen mußten, worauf sie sich einlassen und wie der gewählte Vertragswortlaut ausgelegt werden kann", zitierte das Blatt wörtlich aus dem Spruch des Schiedsgerichts, der mehr als fünfzig Seiten umfaßt.

Der frühere EnBW-Chef Utz Claassen kann sich indessen nicht daran erinnern, daß ihm zu seiner Amtszeit jemals einer der millionenschweren Verträge mit Bykov zur Genehmigung vorgelegt worden sei. Auf SZ-Anfrage ließ er seinen Anwalt jedwede Kenntnis oder Beteiligung an diesen Verträgen dementieren: "Herr Classen hatte persönlich vom Inhalt keines der angeblich während seiner Amtszeit von Enkel- oder Urenkelgesellschaften der EnBW mit Herrn Bykow oder dessen Firmen abgeschlossene Verträge Kenntnis."

EnBW verlangt von vier Managern bis zu 87,5 Millionen Euro Schadenersatz

Falls die EnBW-Spitze tatsächlich von den dubiosen Geschäften mit Bykov gewußt hat, dürfte es der heutigen Konzernführung schwer fallen, vier damals amtierende Manager für die entstandenen Schäden regreßpflichtig zu machen: Am 23. Oktober begann vor dem Landgericht Mosbach ein Prozeß gegen den ehemaligen Geschäftsführer des Kernkraftwerks Obrigheim, Konrad Schauer, von dem die EnBW 8,5 Millionen Euro fordert. Am 8. Januar folgte vor dem Landgericht Heidelberg die Eröffnung eines Prozesses gegen den früheren Technik-Vorstand Thomas Hartkopf, von dem sie 26 Millionen Euro Schadenersatz haben möchte. Um noch höhere Summen geht es bei zwei bevorstehenden Prozessen vor den Landgerichten Heilbronn und Landau: In Heilbronn verlangt die EnBW von ihrem früheren Kernkraft-Chef Wolfgang Heni 93 Millionen Euro. In Landau will sie von dem damaligen Technik-Vorstand Hans-Josef Zimmer 87,5 Millionen Euro haben. Seltsam mutet dabei an, daß Zimmer zwar wegen der Bykov -Affärer im Juli 2010 sein Amt abgeben mußte (100716), aber eineinhalb Jahre später erneut für fünf Jahre zum Technik-Vorstand bestellt wurde, wobei der Aufsichtsrat eine Art Ehrenerklärung für ihn abgab (111206).

Unabhängig von diesen privatrechtlichen Forderungen hat die Staatsanwaltschaft gegen sieben EnBW-Manager ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Steuerhinterziehung und der Untreue zum Nachteil der EnBW eingeleitet (120601).

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