Juli 2010

100716

ENERGIE-CHRONIK


Personalia

Utz Claassen (47) streitet weiter mit der Solar Millenium AG (100516). Inzwischen stellte sich heraus, daß ihm die Firma allein neun Millionen Euro für den Amtsantritt gezahlt hat. Hinzu kamen ein monatliches Salär von 100.00 Euro, ein Mercedes S 400 Hybrid als Dienstwagen, Vorsorgeleistungen von 180.00 Euro für das laufende Jahr und ein Zuschuß von jährlich 100.000 Euro für die Bezahlung eines Leibwächters. Das war schon ziemlich viel Geld, wenn man bedenkt, daß er den Vorstandsvorsitz gerade mal 74 Tage innehatte. Auch falls er den Bettel nicht sogleich wieder hingeschmissen hätte, bliebe es äußerst seltsam, daß ein mittelständisches Unternehmen soviel Geld lockermacht, um den abgehalfterten Chef eines Energiekonzerns vor den eigenen Wagen spannen zu können. Der kurzfristige Anstieg des Börsenkurses war das sicher nicht wert. Das Mitleid mit den düpierten Bossen der Solar Millenium AG hält sich in Grenzen.

Weitere Kosten entstanden der Solar Millenium AG dadurch, daß Claassen gleich eine ganze Reihe von Spezis mitbrachte, denen er hochdotierte Beraterverträge verschaffte. Laut "Handelsblatt" (26.7.) schlug allein der Vorschuß für Jürgen Hogrefe mit 10.000 Euro zu Buche. Der ehemalige "Spiegel"-Journalist (1985 bis 2003) und Pressesprecher der Grünen im niedersächsischen Landtag (1983 bis 1985) war 2003 von Claassen zum Leiter des EnBW-Bereichs "Wirtschaft, Politik und Gesellschaft" gemacht worden (030514), um als Cheflobbyist der Kernenergie ein grünes Mäntelchen umzuhängen und solche Spektakel wie den "Deutschen Klimakongreß" (071014) zu erfinden. Mit dem Abgang Claassens sank auch Hogrefes Stern bei der EnBW, was wohl Ende 2008 der Grund für sein Ausscheiden war. Ferner durfte sich Hans Karl Mucha, der wie Hogrefe unter Claassen zur EnBW gekommen war, über rund 10.000 Euro pro Monat von Solar Millennium freuen. Weitere 25.000 Euro erhielt der langjährige Claassen-Freund Klaus Menge, dessen Kanzlei nunmehr Claassen im Streit mit Solar Millennium vertrat. Nicht zu verachten waren auch die rund 10.000 Euro im Monat für den ehemaligen Chefredakteur der "Stuttgarter Zeitung", Peter Christ. Dieser hatte Ende 2006 das Blatt verlassen und war als PR-Berater der EnBW auf die andere Seite des Schreibtischs gewechselt, ehe er den Beratervertrag mit Solar Millenium bekam. Wie Christ dem "Handelsblatt" sagte, hält er sein Honorar für "eine ganz normale Vergütung", und auf den "hervorragenden Manager" Claassen läßt er noch immer nichts kommen...

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Vladimir V. Kotenev (44) wurde zum neuen Hauptgeschäftsführer der Gazprom Germania GmbH bestellt. Damit übernimmt ein hochrangiger Kreml-Funktionär die Leitung der deutschen Tochter des russischen Gaskonzerns. Kotenev absolvierte noch zu Zeiten der glorreichen Sowjetunion die Moskauer Hochschule für Internationale Beziehungen. Anschließend war er an russischen Botschaften in der DDR, Österreich und der Schweiz sowie beim sowjetischen Generalkonsulat in Westberlin tätig. 2001 wurde er Direktor des Departments des Konsularischen Dienstes beim russischen Außenministerium. 2004 avancierte er zum "außerordentlichen und bevollmächtigten Botschafter der Russischen Föderation in der Bundesrepublik Deutschland". Unvergessen bleibt das köstliche Bild, wie Kotenev in dieser Eigenschaft den EnBW-Chef Utz Claassen mit dem "Kreuz des Ordens des Heiligen Nikolaus" dekorierte...

Bei Gazprom Germania tritt Kotenev die Nachfolge von Hans-Joachim Gornig an, der das Unternehmen seit der Gründung 1990 leitete. Gorning begann seine Karriere 1981 in der DDR mit einem Kurs an der Parteihochschule der SED. Bis 1985 brachte er es zum Stellvertreter des DDR-Ministers für Kohle und Energie und zum Regierungsbeauftragten für den Gasleitungsbau. Nach dem Fall der Mauer tat sich der Träger des "vaterländischen Verdienstordens in Bronze" mit Gazprom zusammen und übernahm für den russischen Staatskonzern die Geschäftsführung der neu gegründeten deutschen Tochter. Laut "Spiegel" (25.8.2008) soll er den Bräuchen beim Mutterkonzern nachgeeifert und in seinem Bereich ebenfalls in die eigene Tasche gewirtschaftet haben (080804).

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Ewald Woste (50) wurde am 1. Juli zum neuen Präsidenten des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) gewählt. Der Vorstandsvorsitzende der neuen Thüga AG (091213) löst den RWE-Vorstand Rolf Martin Schmitz ab, der dem BDEW-Präsidium weiterhin als Vizepräsident angehört.

Als Vizepräsidenten bestätigt wurden Bernhard Reutersberg (56), Chef der E.ON Ruhrgas AG, und Claus Gebhardt (61), Geschäftsführer der Stadtwerke Augsburg. Neuer Vizepräsident für den Bereich Wasser/Abwasser ist Wulf Abke (57), Geschäftsführer der Hessenwasser (Groß Gerau). Sein Vorgänger Peter Rebohle (60), Geschäftsführer der Südsachsen Wasser GmbH, Chemnitz, und der bisherige Vizepräsident Herbert Dombrowsky (60), Vorstandsvorsitzender der N-ERGIE (Nürnberg), hattenen nicht mehr für das Präsidium kandidiert. Sie werden aber beide weiterhin dem BDEW-Vorstand angehören.

Das Amt des BDEW-Präsidenten wird alle zwei Jahre ehrenamtlich an Chefs von Mitgliedsunternehmen vergeben, wobei abwechselnd Energiekonzerne und kleinere Unternehmen am Zuge sind. Vor zwei Jahren unternahmen die vier Energiekonzerne den Versuch, den Posten hauptamtlich mit einem Manager zu besetzen. Freundlicherweise erklärten sie sich sogar bereit, dessen ansehnliches Gehalt zu bezahlen, das sich an den Bezügen von Vorstandsmitgliedern der Energiekonzerne orientieren sollte. Die kleineren Mitglieder rochen jedoch den Braten und blockten diesen Versuch zur weiteren Ausrichtung des BDEW im Sinne der vier Konzerne ab (080615).

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Hans-Josef Zimmer (52) hat sein Amt als Technik-Vorstand der Energie Baden-Württemberg (EnBW) mit Wirkung vom 20. Juli niedergelegt. Der Grund dafür sind dubiose Nuklear-Geschäfte mit russischen Partnern, die bei der EnBW ein Loch von 130 Millionen Euro hinterlassen haben. Bei diesen Geschäften ging es vor allem um die Lieferung von Brennelementen unter Verwendung von hochangereichertem Uran aus russischen Militärbeständen sowie die Entsorgung von radioaktivem Schrott aus dem stillgelegten Reaktor Obrigheim. Als Geschäftsführer der Kernkraftstochter EnBW Kernkraft GmbH war Zimmer im größten Teil des fraglichen Zeitraums von 2005 bis 2008 für diesen Bereich verantwortlich. Sein "freiwilliger" Rücktritt erfolgte nach Darstellung der EnBW, "um jedwedem Eindruck vorzubeugen, daß die Prüfungen der Verträge und Geschäftstätigkeiten nicht vorbehaltlos erfolgen könnten".

Die EnBW beteuert, daß es allein um das Millionen-Loch bei den Rußland-Geschäften gehe. Die gelieferten Brennelemente hätten die Anforderungen "uneingeschränkt" erfüllt. Die Grünen im baden-württembergischen Landtag forderten dagegen das Umweltministerium auf, umgehend mit der EnBW zu klären, ob nicht auch Tatbestände wie Korruption vorliegen und dadurch sicherheitsrelevante Fragen aufwerfen.

Schon im November 2001 war Zimmers Name durch die Presse gegangen, weil er als Leiter des Kernkraftwerks Philippsburg keine Reaktor-Lizenz besaß und deshalb nicht die formalen Voraussetzungen für diesen Posten erfüllte (011103). Zimmer amtierte dann als Geschäftsführer der neu gegründeten Kernkraft-Tochter der EnBW, bis ihn der damalige Konzernchef Utz Claassen zum Technikvorstand bestellte (070915). Sein dreijähriger Vertrag wäre in diesem September ohnehin ausgelaufen. Die anstehende aber nicht vollzogene Vertragsverlängerung wurde schon vor seinem Rücktritt als Indiz für eine Ablösung gewertet.

Zimmer fällt indessen weich: Der EnBW-Aufsichtsrat bezeichnete den Rücktritt als "höchst respektable Geste, die Zeugnis der Integrität von Dr. Zimmer" sei. Um den Fachmann weiter behalten zu können, werde er ihm "einen Vertrag als Topmanager mit weitreichender Verantwortung im Bereich Technik anbieten". Das Vorstandsressort Technik will die EnBW bis auf weiteres nicht wieder besetzen.