Juni 2005

050609

ENERGIE-CHRONIK


Kernfusionsreaktor ITER wird in Frankreich gebaut

Die internationale Fusionstestanlage ITER wird im südfranzösischen Kernforschungszentrum Cadarache gebaut. Dies gaben nach fast zweijährigen Verhandlungen die Vertreter der beteiligten Länder – EU-Staaten, Japan, Russland, die USA, China und Südkorea – bei einem Treffen in Moskau am 28. Juni 2005 in einer gemeinsamen Erklärung bekannt.

Als Standorte hatten sich Frankreich (für die EU), Japan und Kanada beworben. Kanada kam wegen fehlender finanzieller Leistungsbereitschaft nicht in Frage und zog sich Ende 2003 ganz aus dem Projekt zurück. Bis Ende 2004 bestand Japan kompromißlos darauf, als Standort gewählt zu werden. Der japanische Anspruch wurde von den USA und Südkorea unterstützt, wobei auch eine Rolle spielte, daß die US-Regierung den Bewerber Frankreich für seine unbotmäßige Haltung im Irak-Krieg "bestrafen" wollte. Erst als die EU-Staaten damit drohten, den Reaktor ohne die drei Opponenten zu errichten, zeigte sich Japan bereit, gegen Einräumung einer "privilegierten Partnerschaft" auf seinen Anspruch zu verzichten.

Weitreichende Sonderkonditionen für Japan

Die jetzt getroffene Regelung sieht vor, daß japanische Unternehmen zwanzig Prozent der Aufträge für den Bau des Reaktors erhalten, obwohl Japan nur zehn Prozent der Kosten beisteuert. Weiterhin hat die EU zugesagt, die Errichtung einer weiteren Fusionsforschungsanlage in Japan mit bis zu acht Prozent der ITER-Kosten (etwa 350 Millionen Euro) zu unterstützen. Japan darf außerdem ein Fünftel der rund 200 Mitarbeiter stellen, die ab dem Jahr 2015 in Cadarache forschen werden. Auch der Generaldirektor des ITER-Projekts soll aus Japan kommen.

Die Baukosten von ITER betragen rund 4,6 Milliarden Euro (Preisbasis 2000), von denen die EU die Hälfte übernehmen wird. Die USA, Russland, China, Korea und Japan beteiligen sich mit je zehn Prozent an der Finanzierung.

"Auch Deutschland profitiert vom Standort Cadarache"

Bundesforschungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) begrüßte die Entscheidung für den Standort Cadarache, der auch Deutschland optimale Möglichkeiten einer Zusammenarbeit in der Forschung und der deutschen Industrie die Chance für lukrative Aufträge eröffne. In vielen Bereichen, wie der Magnetspulentechnologie, der Vakuumtechnik oder Materialentwicklung, könne die deutsche Industrie und Forschung von dem neuen Großforschungsgerät profitieren.

ITER wird wie sein Vorläufer JET im englischen Culham - das derzeit weltweit größte Fusionsexperiment - ein so genannter Tokamak  sein. Dies ist die bisher am weitesten untersuchte Entwicklungslinie von Fusionsreaktoren. Das weltweit größte und fortgeschrittenste Fusionsexperiment nach dem alternativen "Stellarator"-Prinzip  wird parallel dazu in Deutschland mit dem Projekt "Wendelstein 7-X" des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik in Greifswald errichtet (000721).

Mit Netzeinspeisung erst in fünfzig Jahren zu rechnen

Das Wort ITER steht für International Thermonuclear Experimental Reactor und bedeutet zugleich auf Latein "der Weg". Falls ITER die in ihn gesetzten Erwartungen erfüllt, soll um das Jahr 2030 ein Demonstrationsreaktor folgen, der alle Funktionen eines Kraftwerks besitzt. Die EU hat Japan bereits zugesagt, dessen Bewerbung als Standort des Demonstrationsreaktors zu unterstützen. Mit dem Bau kommerzieller Fusionsreaktoren, die als Alternative zur Kernspaltung eine neue leistungsfähige Energiequelle erschließen, wird derzeit erst in etwa fünfzig Jahren gerechnet.

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