Juni 2025 |
250602 |
ENERGIE-CHRONIK |
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Allein in den ersten fünf Monaten dieses Jahres wurden bei der Bundesnetzagentur fast doppelt so viele"steckerfertige Solaranlagen" mit Leistungen bis zu 2 Kilowatt neu angemeldet wie im ganzen Jahr zuvor. |
Die Zahl der seit 2021 bei der Bundesnetzagentur gemeldeten "Balkonkraftwerke" hat sich bis Ende Mai von 10.398 auf insgesamt 987.943 Anlagen erhöht. Zusammen verfügen sie über eine Nennleistung von 920 Megawatt. Bei Fortsetzung dieses Trends ist zu erwarten, dass bis Ende Juni die Anzahl von einer Million deutlich überschritten wird.
Die seit Beginn des Balkonkraftwerke-Booms erreichte kumulierte Nennleistung der PV-Minianlagen wird dann rund 1.000 Megawatt bzw. 1 Gigawatt überschreiten. Rechnerisch entspricht das der Leistung von mehreren fossil befeuerten Wärmekraftwerken. Im übrigen lässt sich die in Kilowattpeak (kWp) angegebene Nennleistung von Solaranlagen wegen der vom Sonnenlicht abhängigen Erzeugung jedoch nur bedingt mit der von steuerbaren Kraftwerken vergleichen.
Unter Berücksichtigung des bis 2020 erreichten Bestands dürfte die 1-Gigawatt-Grenze schon zu Anfang dieses Jahres erreicht und überschritten worden sein. Laut Statistik belief sich die installierte Leistung von Solaranlagen mit bis zu 2 Kilowatt Nennleistung im Jahr 2000 erst auf knapp 5 Megawatt und stieg dann bis 2020 auf 60 Megawatt. Diese innerhalb von zwanzig Jahren installierte Leistung wäre somit nur ein Klacks im Vergleich mit dem zwölfmal größeren Zuwachs um 709 Megawatt, der allein in den ersten fünf Monaten dieses Jahres erreicht wurde. Erst recht gilt dies gegenüber dem Gesamtzuwachs auf über 1 Gigawatt, der ab 2021 zustande kam.
Früher stützten sich die statistischen Angaben vor allem auf Verkaufszahlen. Eine verläßlichere Grundlage bietet seit 2017 das von der Bundesnetzagentur geführte "Marktstammdatenregister" (160604), da seitdem alle Käufer zur Anmeldung bei der Bundesnetzagentur verpflichtet sind, sobald sie die solaren Kleinkraftwerke durch Einstöpseln in eine Steckdose erstmals in Betrieb genommen haben. Ausgenommen von der Meldepflicht sind nur solche Anlagen, die nicht über die häusliche Stromversorgung mit dem Niederspannungsnetz verbunden werden, sondern im Inselbetrieb ausschließlich der Eigenversorgung dienen (beispielsweise zur Beleuchtung einer Schrebergarten-Hütte ohne Netzanschluss). Indessen muss auch bei den Zahlen des Marktstammdatenregisters mit einer möglicherweise großen Dunkelziffer gerechnet werden, da viele Käufer die Anmeldung aus Unwissen, Bequemlichkeit oder anderen Gründen unterlassen. Sie begehen damit eine Ordnungwidrigkeit und riskieren eine Geldbuße.
Entfallen ist dagegen die Verpflichtung zur Anmeldung beim zuständigen Netzbetreiber. Dieser erhält nun von der Bundesnetzagentur eine Mitteilung, wenn die Meldung beim Marktstammdatenregister erfolgt ist. Beseitigt wurden auch andere Auflagen, die teilweise schikanös anmuteten und die Mini-Solarkraftwerke derart verteuerten, dass sie sich gar nicht rentieren konnten (230803). So ist es inzwischen keine Streitfrage mehr, ob bereits ein einfacher Schukostecker genügt, um die Anlagen mit einem der häuslichen Stromkreise hinter dem Zähler zu verbinden. Die Netzbetreiber müssen nun auch in Kauf nehmen, dass Stromzähler älterer Bauart rückwärts laufen, wenn der Solarstrom nicht im Haushalt verbraucht werden kann. sofern sie nicht auf eigene Kosten für den Einbau eines elektronischen Zählers sorgen, der das verhindert. Es ist noch gar nicht lange her, dass der VDE eine solche technisch bedingte und eigentlich angemessene Rückvergütung des eingespeisten Solarstroms mit strafbarem Betrug verglichen hat (siehe Hintergrund, Februar 2023).
Die Zeitschrift "Stiftung Warentest" untersuchte in ihrer Juni-Ausgabe acht marktgängige Balkonkraftwerke, die zwischen 329 und 578 Euro kosteten und deren Wechselrichter jeweils über eine Leistung von 800 Watt verfügen. Mit "Gut" bewertete sie dabei die Produkte "GreenSolar" (515 Euro) und Heckert Solar (329 Euro). Ein weitere Anlage wurde mit "befriedigend" eingestuft und die restlichen fünf mit "mangelhaft". Die Abwertung kam in allen sechs Fällen wegen mangelnder Stabilität zustande kam (Belastung durch Wind und Schnee, Regendichtigkeit, Schlagfestigkeit).
Bei optimaler Ausrichtung der Module bezifferten die Tester den möglichen Jahresertrag bei Anbringung auf einem Flachdach mit etwa 960 Kilowattstunden. Bei senkrechter Montage am Balkon seien es dagegen nur 690 Kilowattstunden. Je nach jährlichem Stromverbrauch rentiere sich die Flachdach-Anlage nach 26 Monaten (2000 kWh) oder bereits nach 19 Monaten (4000 kWh). Bei senkrechter Montage am Balkon sei die Rentabilität nach 37 Monaten bzw. 27 Monaten zu erwarten.
Der von den Balkonkraftwerken ins häusliche Stromnetz eingespeiste Strom senkt die Stromrechnung nur dann, wenn im selben Moment ein Bedarf besteht und er deshalb verbraucht werden kann. Andernfalls fließt er ohne Anspruch auf Vergütung ins Niederspannungsnetz. Um dies nach Möglichkeit zu verhindern, hält "Stiftung Warentest" die Anschaffung eines Batteriespeichers für sinnvoll. Für den Anfang reiche ein Speicher mit zwei Kilowattstunden Kapazität, der schon für etwa 400 Euro zu haben sei. Auch mit diesen Zusatzkosten würde sich die Anlage nach kurzer Zeit rechnen. Auch solche Batteriespeicher müssen übrigens beim Marktstammdatenregister gemeldet werden.
Inzwischen werden die Mini-Solaranlagen nicht nur in Baumärkten angeboten, sondern auch von Einzelhandelsketten wie Aldi, Lidl, Netto oder dem Möbelverkäufer Ikea. Laut einer Umfrage des Vergleichsportals Verivox plant ein Viertel der Deutschen die Anschaffung einer solchen Anlage oder besitzt sie bereits.
Trotz des beispiellosen Verkaufserfolgs, der zu Anfang des Jahrzehnts begann und noch immer neue Rekorde erreicht, machen die Balkonkraftwerke bisher nur etwas mehr als ein Prozent der gesamten installierten Solarleistung in Deutschland aus. Energiewirtschaftlich haben sie damit weiterhin keine große Bedeutung. Energiepolitisch sind sie aber insoweit zu einem Faktor von erheblicher Bedeutung geworden, als sie "die niedrigschwellige Teilhabe an der Energiewende fördern", wie es in der Begründung der EEG-Novellierung hieß, mit der die letzten Hemmnisse für eine solche Teilhabe beseitigt wurden (230803). Schon damals erfreuten sich die "Balkonkraftwerke" solcher Popularität, dass die oppositionellen Unionsparteien die von der Ampel-Koalition geplante Reform nicht etwa kritisierten, sondern durch einen eigenen Gesetzentwurf "zum beschleunigten Ausbau von Balkonkraftwerken" zu übertrumpfen versuchten (230504),