August 2023

230803

ENERGIE-CHRONIK


Hürden für Anschluss von "Balkonkraftwerken" werden beseitigt

Mit der geplanten Neufassung des EEG, die das Bundeskabinett am 16. August beschloss (230802), werden die letzten gesetzlichen Hürden für den Anschluss sogenannter Balkonkraftwerke beseitigt. Dabei handelt es sich um kleine Solarmodule mit einer Anschlussleistung von maximal 800 Watt, die durch einfaches Einstöpseln in eine Steckdose des häuslichen Stromnetzes einen bescheidenen Beitrag zur Deckung des eigenen Strombedarfs und zur Senkung der Stromrechnung leisten können.

Solche Module werden inzwischen in allen Baumärkten anschlussfertig angeboten. Stromwirtschaftlich sind sie bisher ohne Bedeutung. Trotzdem haben sie wesentlich zur Popularisierung der Photovoltaik großen Stils beigetragen, da sie die private Nutzung des Sonnenlichts zur Erzeugung von Strom in einer deutlich höheren Leistungsklasse ermöglichen, als das etwa bei Taschenrechnern oder Solarleuchten mit winzigen Akkus und Dämmerungssschalter der Fall ist. Wer die zusätzliche Ausgabe für einen Batteriespeicher nicht scheut, kann sich auf diese Weise sogar eine netzunabhängige Stromversorgung zulegen, die beispielsweise die elektrische Beleuchtung der Gartenhütte sichert.

Trotz Begrenzung der Anschlussleistung auf 800 Watt könnenn die Module eine Nennleistung bis zu 2 Kilowatt erbringen

Die Mini-Solaranlagen können so "die niedrigschwellige Teilhabe an der Energiewende fördern", wie es in der Begründung des Gesetzentwurfs heißt. Dass ihre maximal zulässige Leistung auf 800 Watt begrenzt wird, liegt an Artikel 5 der seit 2016 geltenden EU-Verordnung 2016/631, wonach Stromerzeugungsanlagen bis zu dieser Leistung für die Netzbetreiber als "nicht signifikant" gelten. Entscheidend ist dabei die Anschlussleistung des Wechselrichters in Watt bzw. Voltampere (Scheinleistung). Die Module, deren Gleichstrom vom Wechselrichter netzkonform gemacht wird, dürfen dagegen über eine höhere Nennleistung bis zu 2 Kilowatt verfügen, so dass auch bei schwächerer Sonneneinstrahlung eine höhere Stromerzeugung bis zur Leistungsbegrenzung von 800 Voltampere möglich wird.

In § 8 des EEG wird deshalb folgender Absatz 5a neu eingefügt:

(5a) Ein Steckersolargerät oder mehrere Steckersolargeräte mit einer installierten Leistung von insgesamt bis zu 2 Kilowatt und einer Wechselrichterleistung von insgesamt bis zu 800 Voltampere, die hinter der Entnahmestelle eines Letztverbrauchers betrieben werden und der unentgeltlichen Abnahme zugeordnet werden, können unter Einhaltung der für die Ausführung eines Netzanschlusses maßgeblichen Regelungen angeschlossen werden. Registrierungspflichten nach der Marktstammdatenregisterverordnung bleiben unberührt; zusätzliche gegenüber dem Netzbetreiber abzugebende Meldungen von Anlagen nach Satz 1 können nicht verlangt werden.

Alle Anlagen dürfen mit dem jeweils vorhandenen Stromzähler betrieben werden, auch wenn dieser rückwärts läuft

Zwei neue Absätze in § 10a des EEG sorgen außerdem dafür, dass solche Anlagen unabhängig vom vorhandenen Stromzähler betrieben werden dürfen. Der Netzbetreiber kann also die Inbetriebnahme nicht vom Einbau eines Zweirichtungszähler abhängig machen, auch wenn der alte Zähler rückwärts laufen sollte. Ebensowenig darf er die Ersetzung des alten Zählers durch einen "Smart Meter" verlangen, solange er bzw. der von ihm beauftragte Meßstellenbetreiber diesen Einbau nicht selber durchführen. Stattdessen werden die Messstellenbetreiber verpflichtet, ihre arg in Verzug geratene "Rollout-Planung" (230106) so umzustellen, dass die "Smart Meter" vorrangig in Haushalten mit angemeldeten Steckersolargeräten installiert werden:

(2) Der Messstellenbetreiber hat Messstellen an Zählpunkten von Steckersolargeräten im Sinne von § 8 Absatz 5a Satz 1 abweichend von § 3 Absatz 3a des Messstellenbetriebsgesetzes mit Rücksicht auf seine Rollout-Planung nach dem Messstellenbetriebsgesetz unverzüglich nach der Aufforderung durch die Bundesnetzagentur an den Netzbetreiber zur Prüfung der im Marktstammdatenregister eingetragenen Daten nach § 13 Absatz 1 der Markstammdatenregisterverordnung mit einer modernen Messeinrichtung als Zweirichtungszähler oder einem intelligenten Messsystem entsprechend den Regelungen des Messstellenbetriebsgesetzes auszustatten, ohne dass es einer gesonderten Beauftragung durch den Anschlussnehmer oder Anschlussnutzer bedarf. Die Rechte nach § 34 Absatz 2 Satz 2 des Messstellenbetriebsgesetzes bleiben unberührt.

(3) Steckersolargeräte im Sinn von § 8 Absatz 5a dürfen an der Entnahmestelle eines Letztverbrauchers bereits vor dem Einbau einer modernen Messeinrichtung als Zweirichtungszähler oder eines intelligenten Messsystems mit einer bereits vorhandenen Messeinrichtung betrieben werden. Die Richtigkeit der von der Messeinrichtung ermittelten Messwerte wird zu Zwecken der Abrechnung und Bilanzierung längstens bis zur Ausstattung mit einer modernen Messeinrichtung als Zweirichtungszähler oder einem intelligenten Messsystem nach Absatz 2 Satz 1 vermutet, dabei kann diese Vermutung nur durch den Nachweis einer technischen Störung oder einer Manipulation der Messeinrichtung widerlegt werden.

Anmeldung beim Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur genügt

Die bisher erforderliche Anmeldung von Steckersolargeräten beim Netzbetreiber entfällt. Es genügt, die Anlage innerhalb eines Monats nach der Inbetriebnahme beim Marktstammdatenregister anzumelden, das von der Bundesnetzagentur geführt wird. Diese Anmeldung soll durch ein von bürokratischem Ballast entrümpeltes Formular erleichtert werden. Sie wird dann von der Behörde automatisch an den jeweils zuständigen Netzbetreiber weitergeleitet, der damit zugleich an seine Verpflichtung erinnert wird, diese Netzkunden vorrangig mit "Smart Metern" auszustatten.

Anpassung der Normen für den Steckkontakt bleibt der DKE überlassen

Außerdem ist auch die Bundesregierung der Auffassung, dass die Verbindung der Mini-Solaranlagen mit dem häuslichen Stromnetz durch einen simplen Schuko-Stecker erlaubt sein sollte, der in die nächstgelegene Steckdose eingestöpselt wird und so den Ausgang des Wechselrichters mit einem der drei 230-Volt-Stromkreise verbindet. Die endgültige Klärung dieser zeitweilig heiß umstrittenen "Steckerfrage" sei aber nicht Sache des Gesetzgebers, sondern in technischen Normen geregelt, die derzeit von der dafür zuständigen "Deutschen Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik in DIN und VDE" (DKE) entsprechend überarbeitet werden (siehe 230202 und Hintergrund, Februar 2023).

Verbraucherzentralen halten die angebotenen Geräte grundsätzlich für sehr sicher

In der Praxis werden ohnehin fast alle "Balkonkraftwerke" mit Schuko-Steckkontakten angeboten. "Die Geräte sind grundsätzlich sehr sicher", stellte dazu der Bundesverband der Verbraucherzentralen am 11. August fest, nachdem die Bundesnetzagentur im Juni vor möglichen Mängeln solcher Anlagen gewarnt hatte (230609). Ende 2021 seien bereits über 190.000 solcher Systeme in Deutschland in Betrieb gewesen, ohne dass ein einziger Fall von Sachschäden oder verletzten Personen bekannt geworden sei. Anscheinend mit Blick auf die Warnung der Bundesnetzagentur, die neben der Nichteinhaltung von formalen Vorschriften nicht näher konkretisierte technische Mängel gerügt hatte, heißt es dann weiter: "Auch die aktuelle Diskussion zu Wechselrichtern, bei denen Hersteller ein Relais weggelassen haben, ändert nichts an der grundsätzlichen Sicherheit. Geräte, die hier fehlerhaft sind, werden teils von den Anbietern zurückgerufen und ausgetauscht. Auch bei den fehlerhaften Geräten ist im normalen Betrieb des Steckersolar-Gerätes praktisch kein Sicherheitsrisiko vorhanden."

 

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