Januar 2024

240110

ENERGIE-CHRONIK


Springer-Verlag zieht Artikel über angeblich wissenschaftliche Windkraft-Studie zurück

Der Wissenschaftsverlag Springer hat einen Artikel zurückgezogen, den er im Juni 2023 in seiner Internet-Publikation "Forschung im Ingenieurwesen" unter der Überschrift "Der Windatlas Baden-Württemberg im Realitätscheck" veröffentlichte. Der zurückgezogene Artikel war die Zusammenfassung einer 36 Seiten umfassenden Streitschrift, die im September 2019 in Zusammenarbeit mit der bundesweiten Anti-Windkraft-Initiative "Vernunftkraft" erschien, und wurde in etwas neutralerer Tonalität von denselben Autoren verfasst. Wie die Heidelberger "Rhein-Neckar-Zeitung" am 30. Januar berichtete, erfolgte der Rückzug durch den Herausgeberkreis der Springer-Publikation "still und leise" schon Ende November. Vorausgegangen war eine mehr als vier Monate dauernde Überprüfung der Kritik, die sofort an der Kolportierung des Anti-Windkraft-Textes durch einen Wissenschaftsverlag geübt geworden war und über die auch in der Regionalzeitung berichtet wurde, da es in Heidelberg und Umgebung derzeit eine Debatte um die Nutzung des Odenwalds als Standort für Windkraftanlagen gibt.

Zwei der drei Autoren verschwiegen ihre Mitgliedschaft in Anti-Windkraft-Organisationen

"Das Herausgebergremium hat diesen Artikel zurückgezogen", heißt es jetzt auf der Springer-Internetseite. "Nach der Veröffentlichung wurden Bedenken hinsichtlich der in dieser Studie verwendeten Methodik geäußert. Eine nach der Veröffentlichung durchgeführte Peer-Review hat ergeben, dass diese Bedenken berechtigt sind und dass die berichteten Daten unzuverlässig sind. Die Herausgeber haben daher kein Vertrauen mehr in die vorgelegten Schlussfolgerungen." Darüber hinaus hätten zwei der drei Autoren nicht den Interessenkonflikt angegeben, der sich aus ihrer Mitgliedschaft in Anti-Windkraft-Organisationen ergibt: Detlef Ahlborn ist im Vorstand der „Bundesinitiative Vernunftkraft“ und Michael Thorwart ist Mitglied der „Bürgerinitiative Gegenwind Hohenzollern“. Sowohl diese beiden als auch der dritte Autor Jörg Sauer lehnten es ab, die negative Beurteilung ihres Artikels bzw. der zugrundeliegenden Publikation durch den Herausgeberkreis zu akzeptieren und den Artikel selber zurückzuziehen. Er wird deshalb weiter auf der Springer-Seite veröffentlicht, aber zugleich unübersehbar mit der Distanzierung durch die Herausgeber von "Forschung im Ingenieurwesen" versehen.

AfD nutzte das "Vernunftkraft"-Papier zu einer Anfrage im Landtag

Das fragwürdige Fazit der drei Autoren lautete, dass der von der Landesregierung herausgegebene "Windatlas 2019", der die 2011 erschienene Erstfassung (110509) fortschreibt, auf falschen Daten basiere und vor allem das Windaufkommen zu hoch veranschlage. Die rechtsextreme AfD nahm die 2019 veröffentlichte Studie aus dem Umfeld von "Vernunftkraft" im Juli 2023 zum Anlaß einer Anfrage im Landtag. Unter anderem wollte sie wissen, ob die Landesregierung ebenfalls der Ansicht sei, dass der Windatlas zu einer Überschätzung der Ertragsprognosen um bis zu 30 Prozent führe. Deren Antwort lautete, dass sie das Papier kenne, die darin geübte Kritik aber nicht für zutreffend halte.

 

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