September 2003 |
030914 |
ENERGIE-CHRONIK |
In Baden-Württemberg will die Landesregierung die Baugenehmigung für zwei Windkraftanlagen rückgängig machen, die auf der 950 Meter hohen "Holzschlägermatte" am Freiburger Hausberg "Schauinsland" (1284 Meter) errichtet wurden und seit 3. September in Betrieb sind. Es handelt sich um zwei Anlagen des Typs Enercon E-66/18.70 mit einer Nennleistung von jeweils 1,8 MW. Betreiber ist die Firma regiowind GmbH, eine im Januar 2002 gegründete Tochter des Regionalversorgers Badenova (001213) und der Ökostrom GmbH. Am 22. September wies das Regierungspräsidium die Stadt Freiburg an, die Baugenehmigung zurückzunehmen. Damit dürfte ein jahrelanger Rechtsstreit beginnen. Falls es tatsächlich zur vorzeitigen Stillegung und Beseitigung der Windkraftanlagen kommt, muß die Stadt Freiburg mit Schadenersatzforderungen der Betreiber rechnen, obwohl sie das Projekt eigentlich unterstützt und die Baugenehmigung nur auf Weisung der Landesregierung zurückgenommen hat.
Bereits 1995 hatte sich der damalige baden-württembergische Umweltminister Harald Schäfer (SPD) gegen den Bau einer Windkraftanlage auf dem "Schauinsland" ausgesprochen, weil dies die Kernzone des dortigen Landschaftsschutzgebiets beeinträchtigen würde (951120). Dennoch erteilte die Stadt Freiburg im Januar 2003 die Baugenehmigung. Oberbürgermeister Dieter Salomon (Grüne) sah darin einen Beitrag zur "Energiewende". Im Mai begannen die Bauarbeiten. Zuvor war eine Klage des Schwarzwaldvereins und einzelner Naturschützer gegen das Projekt vom Verwaltungsgericht Freiburg abgewiesen worden. Offene Ohren fanden die Kläger jedoch beim Petitionsausschuss des Landtags, der am 2. Juli 2003 mit großer Mehrheit der Meinung war, daß die Errichtung der Anlagen an diesem höchst "sensiblen" Standort einen groben Eingriff in Natur und Landschaft bedeute.
Das Wirtschaftsministerium, das bis dahin nicht intervenierte, sondern eine eher wohlwollende Haltung einnahm, kündigte daraufhin im August die Rücknahme der Baugenehmigung an. Wirtschaftsminister Walter Döring (FDP) folgte damit offenbar einem Wunsch von Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU), der sich schon seit längerem gegen die "Verspargelung" der Landschaft durch Windkraftanlagen wendet (010918). Auf Betreiben Teufels wird derzeit das Landesplanungsgesetz dahingehend geändert, daß künftig die Regionalverbände über die zulässigen Standorte von "regionalbedeutsamen" Windkraftanlagen sowie über "Ausschlußgebiete" entscheiden. Ein entsprechender Gesetzentwurf wurde am 9. April vom Wirtschaftsausschuß des Landtags gebilligt.
Die Betreiberfirma Regiowind beeilte sich unter diesen Umständen, vollendete Tatsachen zu schaffen, indem sie die beiden fast vollendeten Anlagen mit einer Nabenhöhe von 98 Metern und einem Rotordurchmesser von 70 Metern so schnell wie möglich in Betrieb nahm. Neben den beiden umstrittenen Anlagen am Schauinsland will die Regiowind GmbH auf dem elf Kilometer entfernten "Roßkopf" (737 Meter) noch in diesem Herbst vier weitere Anlagen desselben Typs in Betrieb nehmen. Gegen diesen Standort hatte auch der Petitionsausschuß nichts einzuwenden. Die Kosten des Gesamtprojekts werden mit 13 Millionen Euro beziffert. Nach Angaben des Betreibers führte das Veto der Landesregierung zu einer "gewissen Verunsicherung" der Kapitalanleger. Bis Anfang August hätten aber rund 350 Kommanditisten gut die Hälfte des erforderlichen Eigenkapitals gezeichnet. Der Betreiber hat ihnen eine Rendite von über 6 Prozent versprochen.
Am 20. Mai hatte der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
die Untersagung des Baues mehrerer Windkraftanlagen auf der Hochfläche
Hoheneck zwischen Oberwihl und Hottingen durch das Landratsamt Waldshut
bestätigt, weil das Projekt zu einer Verunstaltung des Landschaftsbildes
führe. Die geplanten Anlagen auf der 820 Meter hohen Bergkuppe stellten
einen "groben Eingriff in die weitgehend unberührte, ruhige, besonders
reizvolle Landschaft mit ihren offenen Sichtbeziehungen" dar. Sie wären
ein dominierender Blickfang im Landschaftsraum, brächten mit den Drehbewegungen
der Rotoren Unruhe in die Landschaft und würden von Erholungssuchenden
als erheblich belastend empfunden (Az. 5 S 1181/02).