November 2015 |
151110 |
ENERGIE-CHRONIK |
Mit 4.750 MW erreichte der Zubau von Windkraftanlagen im vergangenen Jahr seinen bisher höchsten Stand. Er übertraf bei weitem den vorgesehenen "Korridor" von 2.400 bis 2.600 MW – im Gegensatz zur Entwicklung bei den Solaranlagen, für die derselbe Korridor gilt, die aber mit 1.437 MW weit unter dem offiziell erwünschten Zubau blieben (151105). |
Die Fördersätze für neue Windkraftanlagen unterliegen zum 1. Januar 2016 erstmals der in § 29 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) festgelegten Degression. Bei Einhaltung des vorgesehenen Zubau-Korridors von 2.400 bis 2.600 MW würden sie vierteljährlich um 0,4 Prozent sinken. Tatsächlich werden sie jedoch um 1,2 Prozent gekürzt, weil der Netto-Zubau in den zwölf Monaten zwischen August 2014 und Juli 2015 insgesamt 3.666 MW betragen hat. Damit tritt der Höchstsatz in Kraft, der bei einer Überschreitung des Korridors nach oben um mehr als 800 MW vorgesehen ist.
Die Grundförderung für landgestützte Windkraftanlagen beträgt nach § 49 des neuen EEG 4,95 Cent pro Kilowattstunde. Sie erhöht sich aber in den ersten fünf Jahren nach Inbetriebnahme auf 8,9 Cent/kWh, wobei sich diese Frist umso mehr verlängert, je unergiebiger der Standort und damit die Stromproduktion ist. Mit dieser Regelung wurde die ursprüngliche Absicht der Koalition, die Windkraft-Förderung auf ertragreiche Standorte zu beschränken (131101), geradezu auf den Kopf gestellt. Sie kam vor allem auf Drängen der Landesregierungen von Baden-Württemberg, Bayern und Schleswig-Holstein zustande (140102).
Inzwischen regt sich in den gut für Solaranlagen geeigneten, aber eher windarmen Gebieten Süddeutschlands allenthalben Widerstand gegen die vermehrte Ausweisung von Vorranggebieten für die Errichtung von Windkraftanlagen. So haben sich allein im Odenwald 17 Bürgerinitiativen gebildet, die gegen die "Verspargelung" des waldreichen Mittelgebirges protestieren, das sowohl in Hessen als auch in Baden-Württemberg den Status eines "Naturparks" besitzt. Neben der optischen Beeinträchtigung des Landschaftsbildes kritisieren die Initiativen die Abholzung großer Baumbestände, die zur Schaffung geeigneter Bauplätze und Zufahrtswege erforderlich wäre. Eine Forderung lautet, zumindest den Kamm des Gebirges von Windkraftanlagen freizuhalten, wie dies auf der anderen Seite des Oberrheintals der Fall ist, wo die Haardt und die nördlich anschließende Randzone des Pfälzer Walds zu Ausschlußgebieten erklärt wurden. In Heidelberg empört vor allem eine Fotomontage, die beim Blick nach Osten die vertraute Kulisse mit Stadt, Neckar und Alter Brücke durch mehrere deutlich sichtbare Windkraftanlagen auf den Höhen des Odenwalds ergänzt. Die Simulation stammt nicht etwa von Windkraftgegnern, sondern von dem für die Planung zuständigen Nachbarschaftsverband Rhein-Neckar.
Vor allem die grün-rote Landesregierung in Stuttgart muß sich auf starken Gegenwind gefaßt machen. Sie hat in ihrem Koalitionsvertrag das Ziel formuliert, "bis 2020 mindestens zehn Prozent unseres Stroms aus heimischer Windkraft zu decken". Das würde mehr als eine Verzehnfachung des aktuellen Ausbaustandes erfordern, der beim Regierungsantritt der Koalition im Jahre 2011 etwa 482 MW betrug und auch Ende 2014 erst bei 550 MW lag (110509). Bei einem Zubau von landesweit gerade mal acht Anlagen mit einer Kapazität von 18,65 MW im vergangenen Jahr schlugen die ehrgeizigen Ziele der grün-roten Koalition bisher keine großen Wellen. Das beginnt sich nun aber zu ändern, da die vor zwei Jahren erfolgte Änderung des Landesplanungsrechts sowie der ergänzende Windenergieerlaß (110911) auf den unteren Planungsebenen allmählich umgesetzt werden und zur Ausweisung konkreter Vorranggebiete führen. Außerdem sind die Aussichten wesentlich gestiegen, daß solche Vorranggebiete trotz relativ schlechter Windausbeute tatsächlich von Kapitalanlegern mit Anlagen bestückt werden. Dafür sorgte die Revision der ursprünglich vorgesehenen EEG-Förderbestimmungen zur Windkraft, für die sich vor allem die Stuttgarter Landesregierung eingesetzt hat. Entsprechend häuft sich in den betroffenen Regionen nun politischer Konfliktstoff. Auch deshalb ist es fraglich, ob die grün-rote Koalition die nächsten Landtagswahlen am 13. März 2016 überstehen wird.