Dezember 2021

211204

ENERGIE-CHRONIK


Kernkraftwerk Olkiluoto geht mit 13 Jahren Verzögerung ans Netz

Mit einer Verspätung von 13 Jahren wird das finnische Kernkraftwerk Olkiluoto 3 Ende Januar ans Netz gehen. Wie der finnische Betreiber TVO und der französische Reaktorbauer Framatome am 21. Dezember mitteilten, wurde an diesem Tag die erste Kritikalität des Reaktors erreicht. Die Leistung werde nun schrittweise erhöht, wobei auf jeder Leistungsstufe Inbetriebnahmeprüfungen stattfinden. Die Stromeinspeisung ins Netz beginne Ende Januar bei einer Leistung von 25 Prozent, was etwa 300 bis 400 Megawatt entspreche. Die reguläre Stromerzeugung werde dann im Juni kommenden Jahres starten.

Areva und Siemens mussten sich 2018 zu hohen Entschädigungen verpflichten

Der Block vom Typ EPR, mit dessen Bau 2005 begonnen wurde, sollte eigentlich schon seit 2009 in Betrieb sein. Mit rund zehn Milliarden Euro wird er vermutlich gut dreimal soviel kosten wie ursprünglich geplant war. Im März 2018 einigte sich der Auftraggeber TVO mit den beiden Lieferanten Areva und Siemens auf eine Vergleichsvereinbarung, wonach sie ihm eine Entschädigung von 450 Millionen Euro zahlen, falls das Kernkraftwerk nicht bis Ende 2019 vollendet wird. Da dies nicht gelang, dürfte die Entschädigung jetzt eine halbe Milliarde übersteigen (180309).

Betreiber und Lieferant feiern das "historische" Ereignis mit blumigen Sprüchen

Sowohl der finnische Betreiber als auch der französische Lieferant vermieden es in ihren Mitteilungen, die extrem lange Bauzeit zu erwähnen, die von ständigen Pannen, Kostensteigerungen und Streitigkeiten zwischen den Beteiligten begleitet war. Stattdessen ergingen sie sich in blumigen Sprüchen über das gelungene Werk und die enorme Leistung, die damit vollbracht worden sei.

TVO sprach von einem "historischen" Ereignis, weil in Finnland zuletzt vor über vierzig Jahren ein neues KKW (sowjetischer Bauart) in Betrieb genommen wurde. Selbst in ganz Europa habe es ein solches Ereignis zuletzt vor etwa 15 Jahren gegeben (gemeint ist anscheinend der rumänische Reaktor Cernavoda 2). Der EPR-Block werde nun etwa 14 Prozent des finnischen Stromverbrauchs decken.

Sogar der enormen Verzögerung kann TVO nachträglich etwas Großartiges abgewinnen

Der für die Stromerzeugung zuständige TVO-Manager Marjo Mustonen konnte unter diskreter Anspielung auf die enorme Verzögerung auch dieser noch Großartiges abgewinnen: "Dieser Moment wird für immer als Beweis für die beharrliche Arbeit an der Inbetriebnahme unseres neuen Kraftwerksblocks in Erinnerung bleiben. Er zeugt von großer Professionalität im Bereich der Kernenergie und dem Willen, Finnlands größten Beitrag für das Klima in die Tat umzusetzen." Und sein Projektleiter Jouni Silvennoinen jubelte: ""Gemeinsam mit dem Anlagenlieferanten wurde ein wunderbarer Höhepunkt des Projekts erreicht."

Framatome wird künftig für Brennelemente und Wartung sorgen...

Ähnlich tönte Framatome-Chef Bernard Fontana in der Pressemitteilung seines Unternehmens: "Wir gratulieren dem Team von TVO zu diesem wichtigen Meilenstein und danken den Teams von Areva und Framatome, die durch ihren Einsatz und ihr Fachwissen dazu beigetragen haben. Er ebnet den Weg für eine sichere, zuverlässige und kohlenstoffarme Stromerzeugung für die Finnen. Unser Engagement bei TVO ist durch die künftige Lieferung von in unseren Werken hergestellten Brennelementen und die Bereitstellung von Wartungsdiensten langfristig angelegt."

...wobei ähnliche Probleme wie in Taishan zu befürchten sind

Olkiluoto ist der zweite Standort, an dem Frankreich einen EPR in Betrieb nehmen kann. Bisher gelang das nur mit dem chinesischen Kernkraftwerk Taishan. Allerdings zeigten sich dort am älteren der beiden Blöcke inzwischen gravierende Mangel, die auf einem prinzipiellen Konstruktionsfehler des Reaktordruckbehälters beruhen könnten. Sie wären deshalb bei allen baugleichen Ausführungen über kurz oder lang zu erwarten (211203).

 

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