Dezember 2020 |
201210 |
ENERGIE-CHRONIK |
Das Landgericht Stuttgart hat am 2. Dezember den Gründer des Windpark-Entwicklers Windreich AG, Willi Balz, zu vier Jahren und sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Es befand den 60-jährigen Angeklagten für schuldig, die im September 2013 angemeldete Insolvenz seines Unternehmens (130909) um ein Jahr und drei Monate verschleppt zu haben. Ferner habe er sich des Betrugs, der Untreue, der veruntreuenden Unterschlagung und des Insiderhandels schuldig gemacht. Das Strafmaß blieb damit um neun Monate unter der Forderung der Staatsanwaltschaft, die fünf Jahre und drei Monate Haft beantragt hatte. Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig.
Der Windreich AG, die Balz 1999 gegründet hatte, gehörten unter anderem die Offshore-Projekte MEG 1, Global Tech 1 und Deutsche Bucht in der Nordsee (120904). Ihren Angaben zufolge verfügte sie dort 2013 über einen Anteil von 35 Prozent an der Nennleistung aller Windparks, die fertiggestellt, genehmigt oder in der Planung waren. Erst mit großem Abstand folgen dann Bard (9,8 Prozent), wpd (6,0 Prozent) und RWE (5,2 Prozent). Anfang 2010 wandelte Balz das Unternehmen aus einer GmbH in einer Aktiengesellschaft um, um damit an die Börse zu gehen. Den Aufsichtsrat dekorierte er mit dem früheren baden-württembergischen Wirtschaftsminister Walter Döring (FDP) als Vorsitzenden sowie der bekannten Fernsehmoderatorin Sabine Christiansen als Stellvertreterin.
Es gelang Balz aber nicht, auf diese Weise seine Finanznöte zu lindern, und er blieb alleiniger Aktionär des Unternehmens. Seine überaus prekäre Finanzlage wurde offenbar, als er das Windpark-Projekt "Deutsche Bucht" einem britischen Gläubiger zum Schnäppchenpreis überlassen musste (130310). Im März 2013 durchsuchte die Staatsanwaltschaft die Hauptverwaltung der Windreich AG und vier Privatwohnungen wegen Verdachts der Bilanzfälschung (130314). Damit begannen die Ermittlungen, die im Januar 2017 zur Anklage (170108) und im August 2019 zur Eröffnung des Strafprozesses (190813) führten.
Das Verfahren zog sich über 72 Verhandlungstage hin. Balz wies die Vorwürfe der Insolvenzverschleppung und des Betrugs zurück. Stattdessen beschuldigte er die Staatsanwaltschaft, sie habe mit ihrer Razzia die Geschäftspartner verschreckt und damit die Insolvenz erst herbeigeführt. Das Gericht ließ diese Sichtweise aber nicht gelten, sondern stellte fest, er habe "die Durchsuchung zum großen K.o.-Schlag aufgebauscht". Die Verteidigung, die auf Freispruch plädiert hatte, kündigte die Anfechtung des Urteils an. Gegen sieben weitere Angeklagte – darunter den Aufsichtsratsvorsitzenden Döring – wurden die Verfahren eingestellt.