Januar 2017 |
170108 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat gegen den Eigentümer und führende Manager des insolventen Windreich-Konzerns die Eröffnung eines Verfahrens vor der Großen Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Stuttgart beantragt. Wie sie am 20. Januar mitteilte, wirft sie ihnen Insolvenzverschleppung und Beihilfe zur Insolvenzverschleppung vor. Weitere Vorwürfe sind Betrug in Höhe von mehreren Millionen Euro, Kreditbetrug, Bilanzfälschung, Verletzung der Berichtspflicht, Gläubigerbegünstigung und Insiderhandel. Unter den insgesamt acht Angeklagten befindet sich neben dem einstigen Firmenchef Willi Balz der ehemalige baden-württembergische Wirtschaftsminister Walter Döring (FDP), der von 2010 bis 2012 erst Aufsichtsratsvorsitzender und dann stellvertretender Vorsitzender der Windreich AG war.
Balz war zunächst ein erfolgreicher Unternehmer und der größte Projektentwickler für Offshore-Windparks in der deutschen Nordsee. Anfang 2010 wandelte er sein Unternehmen aus einer GmbH in einer Aktiengesellschaft um, um damit an die Börse zu gehen. Den Aufsichtsrat dekorierte er mit Döring als Vorsitzendem und der bekannten Fernsehmoderatorin Sabine Christiansen als Stellvertreterin. Es gelang ihm aber nicht, auf diese Weise seine Finanznöte zu lindern. Er mußte sogar das Windpark-Projekt "Deutsche Bucht" einem britischen Investor zum Schnäppchenpreis überlasssen (130310).
Im März 2013 durchsuchte die Staatsanwaltschaft die Hauptverwaltung der Windreich AG und vier Privatwohnungen wegen Verdachts der Bilanzfälschung (130314). Damit begannen die Ermittlungen, die jetzt zur Anklage führten. Balz machte daraufhin aus der Windreich AG wieder eine GmbH, die wenige Monate später Insolvenz anmeldete (130909). Nach Ansicht des Insolvenzverwalters Holger Blümle wäre dieser Schritt allerdings schon im Herbst 2011 fällig gewesen. Zum Zeitpunkt der Insolvenzanmeldung soll Balz mit 400 Millionen Euro verschuldet gewesen sein.
Das Offshore-Projekt MEG 1, das als Filetstück der Windreich-Insolvenzmasse galt, verkaufte Blümle im August vorigen Jahres unter der neuen Bezeichnung "Merkur" einem Investoren-Konsortium (160808). Da es über eine Netzanschlußzusage verfügt, kann es im Rahmen des Zubau-Kontingents von 7,7 Gigawatt verwirklicht werden, das die Bundesnetzagentur bis 2020 bewillligt hat (150501).