März 2013

130314

ENERGIE-CHRONIK


Razzia beim Windpark-Projektierer Windreich AG

Die Staatsanwaltschaft Stuttgart ließ am 5. März die Hauptverwaltung der Windreich AG in Wolfschlugen sowie vier Privatwohnungen durchsuchen. Wie sie am folgenden Tag bestätigte, wirft sie fünf amtierenden und ehemaligen Vorstandsmitgliedern des Unternehmens vor, Jahres- und Konzernabschlüsse sowie Konzernlageberichte durch Überbewertung von Vermögenspositionen geschönt zu haben. Vier Staatsanwälte und rund 35 Beamte des Landeskriminalamts hätten rund 1200 Ordner mit schriftlichen Unterlagen sowie große Mengen digitaler Daten sichergestellt, deren Auswertung "einen erheblichen Zeitraum" in Anspruch nehmen werde.

Der Windreich AG gehören zahlreiche Offshore-Projekte in der Nordsee. Eigenen Angaben zufolge verfügt sie dort über einen Anteil von 35 Prozent an der Nennleistung aller Windparks, die fertiggestellt, genehmigt oder in der Planung sind. Erst mit großem Abstand folgen dann Bard (9,8 Prozent), wpd (6,0 Prozent) und RWE (5,2 Prozent). Alleiniger Aktionär des Unternehmens ist der 52-jährige Willi Balz, der es 1999 gegründet hat.

Verdacht auf Kapitalanlagebetrug, Marktpreismanipulation und Kreditbetrug

Die Staatsanwaltschaft verdächtigt Balz und die anderen vier Beschuldigten, sie hätten "in den Jahren 2010 und 2011 Forderungen und Umsätze in Millionenhöhe ausgewiesen, denen entweder keine effektiven Geschäfte zugrundelagen oder aber Geschäfte mit einem deutlich niedrigeren Gegenwert, oder aber Forderungen, bei denen mit einer Tilgung nicht mehr ernsthaft zu rechnen war". Aufgrund dieser Verdachtsmomente würden die Ermittlungen auch insbesondere den Verdacht des Kapitalanlagebetrugs (§ 264a StGB), der Marktpreismanipulation (§ 38 Abs. 2 WpHG) und des Kreditbetrugs (§ 265b StGB) umfassen.

Der FDP-Politiker Döring gerät erneut ins Visier der Strafverfolger

Neben Balz, den amtierenden Vorstandsmitgliedern Heiko Roß und Anil Srivastava sowie dem Ex-Finanzvorstand Matthias Hassels gehört der frühere baden-württembergische Wirtschaftsminister Walter Döring zu den Verdächtigen. Döring war von 2010 bis 2012 erst Aufsichtsratsvorsitzender und dann stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Windreich AG. Der einst prominente FDP-Mann hatte 2005 seine politische Karriere aufgeben müssen, nachdem ihm die uneidliche Falschaussage vor dem Flowtex-Untersuchungsausschuß des Landtags einen Strafbefehl über neun Monate Haft zur Bewährung eingebracht hatte. Die Staatsanwaltschaft beschuldigte ihn außerdem der Bestechlichkeit, stellte dieses Verfahren aber wegen Ablaufs der Verjährungsfrist ein (siehe Geschichte der FDP).

Wie Mitte März bekannt wurde, prüft die Staatsanwaltschaft auch den Verdacht der Insolvenzverschleppung. Daß das Unternehmen nicht so gut dastand, wie Balz es darstellte, war bereits bekannt. Ende 2012 mußte der bisherige Alleinaktionär deshalb einen geplanten Börsengang absagen. Balz begann daraufhin mit der Umwandlung seines Unternehmens in eine GmbH, die am 6. März beim Amtsgericht Stuttgart ins Handelsregister eingetragen wurde.

Balz zahlte irrwitzig hohe Zinsen für ein Darlehen und opferte dafür den Windpark "Deutsche Bucht"

Am 12. Februar berichtete die "Frankfurter Allgemeine", daß Balz von dem Schotten Irvine Laidlaw, der zum Kreis seiner Segel- und Motorsport-Bekannten zählt, ein Darlehen von insgesamt 60 Millionen Euro erhalten hat, und zwar zu einem irrwitzig hohen Zinssatz von ungefähr 24 Prozent. Um diese Belastung zu mindern, habe er Laidlaw das Windpark-Projekt "Deutsche Bucht" komplett überlassen. Dennoch schulde er ihm noch immer 43 Millionen Euro.

Das warf ein neues Licht auf eine "Ad-hoc-Mitteilung" der Windreich AG vom 24. Oktober 2012, die schon damals erkennbar windig war: Sie vermeldete triumphierend, ein ungenannter "angelsächsischer Finanzinvestor" habe den Windpark gekauft. Er werde aber Windreich weiterhin die Fertigstellung und voraussichtlich auch den Betrieb überlassen. In der Überschrift stand außerdem: "Windreich erzielt mit Deutsche Bucht insgesamt Erlöse im dreistelligen Millionenbereich". Wer sich dazu Angaben im Text erhoffte, suchte freilich vergebens. Stattdessen hieß es hymnisch: "Damit ist auch dieses Windreich-Offshore-Projekt ein voller Erfolg und der schwäbische Windkraftpionier erobert die deutsche Nordsee endgültig."

Sabine Christiansen wird nun auch keine große Hilfe mehr sein

Die von der Staatsanwaltschaft eingeleiteten Ermittlungen dürften zumindest für zwei Spitzenkräfte der Windreich AG völlig überraschend gekommen sein, die Balz erst unlängst angeheuert hat: Der eine ist der frühere Yello-Chef Peter Vest (090715), der seit Anfang des Jahres im Windreich-Vorstand die Bereiche Marketing und Geschäftsentwicklung verantwortet. Die andere ist die frühere Fernsehmoderatorin Sabine Christiansen, die Balz zur stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden gemacht hat. "Aufgrund der gestiegenen Anforderungen in der Medien- und Öffentlichkeitsarbeit möchten wir mit Sabine Christiansen die Expertise eines Medienprofis mit unserem Haus verknüpfen", ließ er zur Begründung verlauten. Er wird nun nicht nur die Expertise eines Medienprofis, sondern vor allem juristischen Beistand benötigen.

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