Juni 2017 |
170608 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die Menschenkette reichte vom belgischen Kernkraftwerk Tihange (im Hintergrund) über 90 Kilometer bis Aachen. |
Mit einer 90 Kilometer langen Menschenkette protestierten am 25. Juni rund 50.000 Menschen gegen den Weiterbetrieb der belgischen Kernkraftwerke Doel und Tihange. Der Protest galt vor allem den beiden Reaktoren Doel 3 und Tihange 2, die trotz konstruktionsbedingter Risse im Reaktordruckbehälter wieder ans Netz gingen (160104). Ferner richtete er sich gegen die Verlängerung der Laufzeiten für Doel 1 und 2 sowie Tihange 1. Diese Reaktoren hätten eigentlich schon 2015 das Ende ihrer gesetzlich festgelegten Betriebszeit von vierzig Jahren erreicht. Aufgrund eines finanziellen Kuhhandels zwischen dem Betreiber Electrabel und der belgischen Regierung dürfen sie jedoch zehn Jahre länger bis 2025 betrieben werden (091004).
Die Menschenkette reichte vom Kernkraftwerk Tihange über Lüttich und Maastricht bis nach Aachen. Mit dem Verlauf durch Belgien, die Niederlande und Deutschland unterstrich sie die internationale Bedeutung des Risikos, die von den belgischen Atomkraftwerken ausgeht.
Das Land Nordrhein-Westfalen war bisher über seinen Pensionsfonds mit 23 Millionen Euro am französischen Energiekonzern Engie (vormals GDF Suez) beteiligt, der über seine Tochter Electrabel die belgischen Reaktoren betreibt. Wie das Düsseldorfer Finanzministerium am 13. Juni mitteilte, wurde diese indirekte Beteiligung an Electrabel jetzt verkauft. Auch der designierte neue Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) unterstützte die Forderung nach Abschaltung von Doel 3 und Tihange 2.
Am 30. Juni wurde außerdem bekannt, daß auch der Bund über zwei Pensionsfonds an Engie-Electrabel und damit indirekt an den belgischen Kernkraftwerken beteiligt ist. Wie das Innenministerium auf eine Kleine Anfrage der Grünen mitteilte, handelt es sich um Aktien im Marktwert von 6,4 Millionen Euro.
Mit den Stimmen von Union und SPD lehnte der Bundestag am 29. Juni zwei Anträge von Linken und Grünen ab, die sich gegen die Herstellung von Brennelementen in Deutschland und deren Export in die Nachbarländer richteten. In beiden Fällen sollte der Bundestag die Bundesregierung auffordern, die Anreicherung von Uran in Gronau sowie die Herstellung von Brennelementen in Lingen zu beenden und den Export dieser Produkte zu stoppen. Ein ähnlicher Antrag der Grünen war schon im März von der schwarz-roten Parlamentsmehrheit abgelehnt worden (170315).
Bei der Beratung der Anträge im Ausschuß für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit räumten sowohl SPD als auch Union ein, daß grenznahe Kernkraftwerke wie Doel und Tihange ein Sicherheitsrisiko für die deutsche Bevölkerung darstellen. Die Union argumentierte indessen damit, daß "qualitativ hochwertige Brennstäbe aus Deutschland dazu beitragen, die Sicherheit der Kraftwerke zumindest partiell auf einem hohen Niveau zu halten". Die SPD berief sich bei ihrer Ablehnung der Anträge auf ein Rechtsgutachten des Bundesumweltministeriums, wonach die Ausfuhrgenehmigung nicht verweigert werden könne. Im Prinzip hielt sie es allerdings für richtig, den Atomausstieg auch auf die Produktion von Brennelementen auszuweiten.