September 2016 |
160909 |
ENERGIE-CHRONIK |
Der Siemens-Konzern kann die geplante Übernahme des spanischen Windkraftanlagen-Herstellers Gamesa nur dann vollziehen, wenn er auch den Offshore-Windkraftanlagenhersteller Adwen übernimmt, der bisher der Gamesa und dem französischen Areva-Konzern gemeinsam gehört. Die Areva machte am 15. September von der Option Gebrauch, ihre hälftige Adwen-Beteiligung der Gamesa zu verkaufen. Faktisch wird damit das Unternehmen dem Siemens-Konzern eingegliedert, dem die Gamesa künftig mehrheitlich gehören wird.
Die im Juni getroffene Vereinbarung zwischen Siemens und Gamesa hatte das Schicksal von Adwen vorläufig offen gelassen: Sie räumte der Areva bis 17. September wahlweise die Möglichkeit ein, ihre eigene Beteiligung an Gamesa zu verkaufen, selber die Beteiligung der Gamesa zu übernehmen oder Adwen komplett einem Dritten zu überlassen (160601). In den vergangenen drei Monaten ist es aber nicht gelungen, einen Käufer zu finden, dessen Angebot annähernd der Preisvorstellung von 120 Millionen Euro entsprochen hätte. Als Hauptinteressent galt der US-Konzern General Electric (GE), der 2015 nach einem Bieter-Wettbewerb mit Siemens die Energiesparte des Alstom-Konzerns übernommen hat und dadurch bei Windkraftanlagen zum wichtigsten Rivalen von Adwen wurde. GE hat tatsächlich auch ein Angebot gemacht. Die Fusionspartner lehnten es aber als unzureichend ab.
Siemens ist selber führender Hersteller von Offshore-Windkraftanlagen. Mit dem Erwerb der Gamesa will der Konzern eigentlich nur seine bislang schwache Position bei landgestützten Windkraftanlagen stärken. Insofern könnte er gut und gern auf den verlustträchtigen Konkurrenten Adwen verzichten, der 2015 aus der Zusammenlegung der Offshore-Aktivitäten von Areva und Gamesa entstand (150314). Den Kern von Adwen bildete die frühere "Areva Wind", die ihrerseits aus dem deutschen Offshore-Hersteller Multibrid hervorging (100614, 070910). Bisher hat Adwen zwei Offshore-Anlagen mit einer Nennleistung von jeweils 5 MW im Angebot, die von Multibrid bzw. Gamesa entwickelt wurden. Eine Windkraftanlage mit 8 MW ist in Vorbereitung und soll 2018 in Serie gehen. Die Übernahme und Weiterführung dieser Produktlinien dürfte für Siemens eher Nach- als Vorteile mit sich bringen. Zudem könnte die Erweiterung der Fertigungskapazitäten die EU-Kommission auf den Plan rufen und als bedenklicher Zuwachs an Marktmacht gewertet werden, da schon jetzt der größte Teil des europäischen Offshore-Windstroms aus Anlagen von Siemens kommt.
Die 60 Millionen Euro, die Areva nun für die hälftige Beteiligung an Adwen bekommen soll, sind für Siemens sicher keine große Summe. Gravierender sind die 216 Millionen Euro, die das Unternehmen im vergangenen Jahr an Verlust erwirtschaftet hat. Eine deutliche Belastung ergibt sich ferner aus Verpflichtungen, die von Areva bzw. Adwen eingegangen worden sind. Dazu gehört die Errichtung von zwei Fabriken in Le Havre mit 700 Beschäftigten, die das Unternehmen zugesichert hat, um den Zuschlag für drei Windparks zu erhalten. Die Erfüllung dieser Verpflichtung könnte sich nachteilig auf die beiden deutschen Standorte Bremerhaven und Stade auswirken, an denen früher die "Multibrid"-Turbinen bzw. deren Rotorblätter hergestellt wurden und an denen noch immer der größte Teil der Fertigung angesiedelt ist.
Der französische Nuklearkonzern Areva hatte vor ungefähr zehn Jahren begonnen, sich neben seinem Hauptgeschäft auch den erneuerbaren Energien zu widmen. Die Areva-Chefin Anne Lauvergeon verkündete damals, daß Atomkraftwerke und erneuerbare Energien sich als CO2-freie Energiequellen ergänzen würden. Es müsse deshalb Schluß damit sein, sie gegeneinander auszuspielen. Es gehe vielmehr darum, beide Ressourcen zu nutzen. In der Folge entdeckte Areva vor allem die Windkraft. Der Staatskonzern zeigte bei diesen vergleichsweise bescheidenen Investitionen aber ähnliches Ungeschick wie bei seinem Hauptgeschäft mit Reaktoren, das sich immer desaströser entwickelte (150703). Mit dem Verkauf von Adwen ist der Ausflug in die erneuerbaren Energien nach zehn Jahren praktisch zu Ende. Nach Berechnungen der französischen Wirtschaftszeitung "Les Echos" (19.9.) hat er den Staatskonzern rund 1,5 Milliarden Euro gekostet.