September 2014

140903

ENERGIE-CHRONIK


Putin erreicht Sonderstatus für den Osten der Ukraine

Auf den Einmarsch russischer Soldaten im Osten der Ukraine (140802) reagierte die Europäische Union im September mit einer Verschärfung der bisherigen Sanktionen. Nach dem Willen etlicher Mitgliedsstaaten sollte es sich zunächst nur um eine Drohung handeln, bis Rußland weitere Anstalten macht, das umkämpfte Gebiet zu annektieren. Als die Beschlüsse am 12. September doch in Kraft traten, wurden sie mit der Zusage verzuckert, den im Juni unterzeichneten Wirtschaftsteil des Assoziierungsabkommens mit der Ukraine (140603), gegen den Moskau heftig protestiert hatte, bis Anfang 2016 nicht in Kraft zu setzen. Auf Drängen der EU stimmte das Parlament in Kiew außerdem am 16. September einen Sonderstatus für das umkämpfte Gebiet im Osten des Landes zu. Faktisch wird dieses Gebiet damit den von Rußland unterstützten Separatisten überlassen und dem russischen Machtbereich eingeordnet. Der russische Präsident Putin hat insofern sein Ziel, nach der Halbinsel Krim auch den Osten der Ukraine zu annektieren, vorerst teilweise erreicht.

Die Situation bleibt weiterhin davon gekennzeichnet, daß die Ukraine nicht in der Lage ist, sich militärisch gegen den von Rußland ausgehenden Angriff auf ihre Souveränität und territoriale Unversehrheit zu verteidigen. Wie der EU-Kommissionspräsident Barroso berichtete, hatte ihm der Kremlchef Putin schon im August bei einem Telefonat erklärt: "Wenn ich wollte, könnte ich Kiew binnen zwei Wochen einnehmen."

"Winterpaket" soll Gasversorgung des Landes vorläufig sichern

Der Kreml muß allerdings nicht unbedingt Truppen entsenden, um die Ukraine gefügig zu machen. In der Vergangenheit genügte das Drehen am Gaspreis und am Gashahn. Auch jetzt setzt er wieder auf dieses bewährte Mittel. Seit Juni sind die Gaslieferungen an die Ukraine gestoppt, nachdem sich die Regierung in Kiew geweigert hatte (und auch gar nicht in der Lage gewesen wäre), die überhöhten Preisforderungen der Gazprom zu akzeptieren (140603). Da der Winter naht, ist es somit nur eine Frage der Zeit, bis die Speicher der Ukraine leer sind. Die Eigenförderung des Landes deckt nur etwa 40 Prozent des Verbrauchs, und auch bei zusätzlichen Erdgaslieferungen per "Schubumkehr" aus dem Westen bliebe gut die Hälfte des Bedarfs ungedeckt (140402).

Vor diesem Hintergrund vereinbarten Unterhändler aus Moskau und Kiew unter Vermittlung des EU-Energiekommissars Günther Oettinger am 26. September die Eckpunkte eines "Winterpakets", das die Gasversorgung der Ukraine in den nächsten Monaten sichern und Anfang Oktober unterzeichnet werden soll. Demnach müßte die Ukraine der Gazprom bis Ende Oktober 2 Milliarden Dollar und bis zum Jahresende weitere 1,1 Milliarden Dollar für noch offene Gasrechnungen überweisen. Die Russen wären ihrerseits bereit, gegen Vorkasse mindestens fünf Milliarden Kubikmeter Gas zu liefern, wobei ein Preis von 385 Dollar je tausend Kubikmeter zugrundegelegt wird. Wie schon in der Vergangenheit wird das dahinsiechende Land solche Summen keinesfalls selber aufbringen können. Es wird vielmehr zum teuren Kostgänger der westlichen Staaten, was durchaus ins Kalkül des Kreml passen dürfte, sofern er überhaupt bereit ist, eine Annäherung der Rest-Ukraine an die EU zu dulden.

Polen und Ungarn stoppen Gaslieferungen an die Ukraine

Auch gegenüber der EU nutzt der Kreml die Erdgaslieferungen als Erpressungspotential. Die neuesten Sanktionsbeschlüsse quittierte er am 11. und 12. September symbolisch mit einer kurzfristigen Verringerung der Gasflüsse über Österreich. Zugleich verweigerte er Polen ohne Begründung eine Erhöhung des Gasbezugs, die im Rahmen der getroffenen Vereinbarungen auszuführen gewesen wäre. Anscheinend war dies der Grund, weshalb Polen daraufhin die Gasbelieferung der Ukraine per "Umkehrschub" einstellte. Der ungarischen Regierung genügte bereits ein gewisses Entgegenkommen Moskaus bei den Verhandlungen über eine Erhöhung des Gasbezugs, um die brüchige Phalanx der EU-Staaten zu verlassen und sich auf die andere Seite zu stellen: Ende September stoppte Ungarn seine Gaslieferungen an die Ukraine und begründete dies mit erhöhtem Eigenbedarf.

Russische Auslandspropaganda jetzt per "Handelsblatt"

Am 26. September erschien das "Handelsblatt" zum ersten Mal mit der deutschen Ausgabe von "Russia Beyond The Headlines". Das von der russischen Auslandspropaganda erstellte Produkt soll dem Wirtschaftsblatt künftig einmal monatlich beigefügt werden. Früher erschien es unter dem Titel "Rußland heute" in der "Süddeutschen Zeitung". Wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine verzichtete die Verlagsleitung im März auf diese Einnahmequelle, womit sie auch dem Wunsch der SZ-Redaktion entsprach (140801).

Im Unterschied zur plumpen Propaganda in den russischen Medien versucht "Russia Beyond The Headlines", den Anschein sachlicher Information und journalistischer Unabhängigkeit zu erwecken. Passend zur neuen Zielgruppe beschäftigte sich die erste Beilage im Handelsblatt auf zwölf Seiten mit den gegen Rußland verhängten Sanktionen und warnte vor deren Rückwirkungen auf das Rußlandgeschäft der deutschen Wirtschaft (die freilich eher mittelständische Betriebe als Großkonzerne wie BASF und E.ON treffen).

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