Juli 2014

140706

ENERGIE-CHRONIK


Ukraine-Krise weiter zugespitzt - EU verschärft Sanktionen - Kreml droht mit höheren Gaspreisen

Die Kämpfe zwischen prorussischen Separatisten und Regierungstruppen im Ostteil der Ukraine dauerten im Juli an und verschärften sich noch. Am 17. Juli wurde ein in Amsterdam gestartetes Verkehrsflugzeug der Malaysian Airlines aus zehn Kilometer Höhe abgeschossen. Dabei kamen alle 298 Passagiere ums Leben. Der Abschuß erfolgte auf ukrainischem Gebiet, nicht weit von der russischen Grenze. Schuld an der Katastrophe waren offenbar Separatisten, die über ein aus Rußland geliefertes Raketensystem verfügten. Da sie das Absturzgelände besetzt hielten, waren genauere Nachforschungen vorerst nicht möglich. Schon die Bergung der Leichen gestaltete sich schwierig. Die russische Propaganda unternahm sofort die größten Anstrengungen, um von der Verantwortung des Kreml abzulenken und den Abschuß der Regierung in Kiew anzulasten.

Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Navi Pillay, legte am 28. Juli einen alarmierenden Bericht über die Zustände in den umkämpften Gebieten der Ukraine vor. Demnach wurden seit Mitte April mindestens 1130 Menschen getötet und mehr als 3400 verletzt. Die prorussischen Separatisten hätten eine "Schreckensherrschaft" errichtet, indem sie Menschen entführen, einsperren, foltern und ermorden. In deren Führung befänden sich viele russische Staatsbürger. Ohne Rücksicht auf die unbeteiligte Zivilbevölkerung würden sowohl die Separatisten als auch die Regierungstruppen bei Kämpfen in bewohnten Gebieten auch Artillerie, Panzer und Raketen einsetzen.

Beschränkungen betreffen Finanzwesen, Waffenhandel und "sensitive Technologien"

Vor diesem Hintergrund hat die Europäische Union am 29. Juli die Sanktionen gegen Rußland verschärft. Die zusätzlich beschlossenen Maßnahmen beschränken für staatliche russische Banken der Zugang zum europäischen Finanzmarkt, verhängen ein Embargo über den Waffenhandel und verbieten die Ausfuhr von Gütern, die auch militärischen Zwecken dienen können. Ferner wird für Rußland der Zugang Rußlands zu sensitiven Technologien eingeschränkt. Dies gilt insbesondere für den Mineralölsektor, was für die inzwischen eingeleitete Prüfung des Verkaufs der RWE-Explorationstochter DEA an russische Oligarchen (140603) von Bedeutung sein könnte.

Wie EU-Kommissionspräsident Barroso und Ratspräsident Van Rompuy in einer gemeinsamen Erklärung hervorhoben, soll Rußland damit verdeutlicht werden, daß "die illegale Annexion eines Hoheitsgebiets und die bewußte Destabilisierung eines souveränen Nachbarstaates im Europa des 21. Jahrhunderts nicht geduldet werden können". Wenn die Spirale der Gewalt derart außer Kontrolle gerate und zur Ermordung von fast 300 unschuldigen Zivilisten auf ihrem Flug aus den Niederlanden nach Malaysia führe, sei ein schnelles und entschlossenes Handeln erforderlich.

Kreml empört sich über angebliche "Sanktionen gegen den Energiesektor Rußlands"

Der Kreml reagierte auf die Beschlüsse in üblicher Weise, indem er die gekränkte Unschuld mimte. Zum Beispiel wunderte er sich über das Waffenembargo, da er doch gar nicht an dem Konflikt in der Ukraine beteiligt sei. In einer Erklärung des russischen Außenministeriums war von "Sanktionen gegen den Energiesektor Rußlands" die Rede, die "unvermeidlich zu einem Preiswachstum auf dem europäischen Energiemarkt" führen würden. Es sei undurchdacht und verantwortungslos, wenn die EU "eigenwillig Hindernisse für die weitere Kooperation mit Rußland in einem so wichtigen Sektor wie Energie" auftürme.

Rußland sei enttäuscht über die Unfähigkeit der EU, eine selbständige Rolle zu spielen, erklärte das Außenministerium weiter. Es sei eine "Schande, dass die Europäische Union nach einer langen Suche nach einer einheitlichen Stimme nun mit Washingtons Stimme spricht". Mit ihren Sanktionsbeschlüssen habe sie "die europäischen Grundwerte wie die Unschuldsvermutung verworfen". Die EU-Politik beruhe "auf keinen bestätigten Fakten", sondern werde "nach Diktat aus Washington" und auf der Grundlage von "suspekten Videos aus Youtube" formuliert.

BASF verspürt bisher keinerlei politischen Druck

Die übertriebene Bedeutung, die der Kreml den Auswirkungen der Sanktionsbeschlüsse im Energiesektor beimißt, kommt nicht von ungefähr und ist als Drohung zu verstehen. Tatsächlich vermeidet es die EU aber noch immer, den Kernbereich der Wirtschaftsbeziehungen mit Rußland anzutasten, der im Gasgeschäft liegt und für beide Seiten von entscheidender Bedeutung ist. So wurden bisher weder in Brüssel noch in Berlin Anstalten getroffen, den Komplettverkauf des Gashandels- und Speichergeschäfts der BASF an den russischen Staatskonzern Gazprom (121101) nachträglich zu stoppen. Die EU hatte dieses Geschäft, das Gazprom zu noch mehr Einfluß auf dem deutschen und europäischen Gasmarkt verhilft, kurz vor der Ukraine-Krise genehmigt (131206). Der ursprünglich vorgesehene Termin für den Abschluß der Transaktion konnte zwar nicht eingehalten werden. Dies liege aber an dem "komplexen juristischen Entflechtungsprozeß, der die Gründung neuer Gesellschaften erfordert", heißt es im Zwischenbericht für das erste Halbjahr 2014, den die BASF am 24. Juli vorlegte. "Den Abschluß unseres Tauschs von Vermögenswerten mit Gazprom erwarten wir nun im Herbst 2014." Auf Nachfrage von Journalisten versicherte der Vorstandsvorsitzende Kurt Bock, daß die Verzögerung nichts mit der Ukraine-Krise zu tun habe. Der Konzern habe keinerlei politischen Druck verspürt. "Wir fühlen uns mit Gazprom sehr wohl", bekräftigte Bock das seit 23 Jahren bestehende Bündnis mit dem vom Kreml gelenkten Gaskonzern.

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