März 2014

140304

ENERGIE-CHRONIK


 

 

Willkommen im Club? - Fast sieht es so aus auf diesem Bild, auf dem EU-Kommissionspräsident Barroso, der ukrainische Regierungschef Arsenii Yatseniuk, die EU-Außenbeauftragte Ashton und der ukrainische Außenminister Andriy Deshchytsa (v.l.n.r) gemeinsam posieren. Es entstand am 21. März, als die vorläufige Regierung der Ukraine in Brüssel den politischen Teil des Assoziierungsabkommens mit der EU unterzeichnete, das im Dezember unter russischem Druck gescheitert war. Das Teilabkommen sieht vor, Gesetzgebung und Normen der Ukraine den EU-Standards anzupassen. Dazu gehört vor allem die Durchsetzung von Freiheits- und Bürgerrechten, die Schaffung einer unabhängigen Justiz und die Bekämpfung der Korruption. Als nächster Schritt würde ein umfassendes Freihandelsabkommen folgen, das den Kern des 1200 Seiten starken Vertragswerks bildet. Ob und wann die Ukraine die von ihr angestrebte Mitgliedschaft in der EU erreichen kann, bleibt aber vorläufig sehr ungewiß.

Pressefoto Reg. UA

Kreml kündigt Gas-Rabatte für Ukraine und annektiert die Krim

Auf den Sturz des ukrainischen Präsidenten Janukowitsch (140215) reagierte der russische Präsident Putin Anfang März mit der Kündigung der Gas-Rabatte, die er Janukowitsch bisher zugestanden hatte. Parallel dazu besetzten russische Truppen – die jedoch ohne Hoheitszeichen an den Uniformen auftraten – die zur Ukraine gehörende Halbinsel Krim am Schwarzen Meer, die mehrheitlich von Russen bewohnt wird. Die faktische Annexion der Insel wurde durch die Ausrufung von angeblich unabhängigen Sezessionsregierungen für die Krim und die Hafenstadt Sewastopol notdürftig kaschiert. Bei einem anschließend durchgeführten Referendum votierten am 16. März angeblich mehr als 95 Prozent der Teilnehmer für den Anschluß der Krim an Rußland, der einige Tage später offiziell vollzogen wurde.

Vor vier Jahren hatte der Kreml die Rückkehr seines Günstlings Janukowitschs an die Macht honoriert, in dem er den von Gazprom geforderten Gaspreis deutlich ermäßigte. Als Gegenleistung durfte Rußland seine Schwarzmeerflotte weiterhin auf der Krim stationieren. Offiziell wurde dieser Rabatt nicht von Gazprom, sondern aus der russischen Staatskasse gezahlt (100402). Hinzu kam Ende 2013 ein weiterer Rabatt als Gegenleistung dafür, daß sich Janukowitsch dem russischen Druck gebeugt und das geplante Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union nicht unterzeichnet hatte. Diesen Rabatt gewährte Gazprom unmittelbar, während der Kreml zusätzlich eine Finanzhilfe von 15 Milliarden Dollar in Aussicht stellte (131210).

Erneuter Konflikt um Gaslieferungen scheint programmiert

Wie die staatliche Nachrichtenagentur RIA Nowosti am 4. März mitteilte, hat Rußland beide Preisnachlässe für Gas ab April gekündigt. Der offiziell von Gazprom verlangte Preis habe nach der jüngsten Ermäßigung 268,5 Dollar pro tausend Kubikmeter betragen. Hinzu sei der direkt vom Kreml eingeräumte Rabatt in Höhe von 100 Dollar gekommen. Insgesamt sei so der Ukraine ein Preisnachlaß von rund 240 Dollar gewährt worden. Infolge des Wegfalls beider Ermäßigungen müßte die Ukraine demnach ab April mehr als 400 Dollar pro tausend Kubikmeter zahlen.

Gazprom begründete die Streichung des eben erst zugesagten Rabatts damit, daß die Ukraine Gasschulden in Höhe von mehr als 2,6 Milliarden Dollar nicht beglichen habe. Parallel dazu erklärte der Kreml die Vorenthaltung des vor vier Jahren vereinbarten Preisnachlasses in zynischer Logik damit, daß die Krim jetzt zu Rußland gehöre und damit die Gegenleistung für die Stationierung der russischen Schwarzmeerflotte in Sewastopol entfalle. Den horrenden Gaspreis, den Moskau künftig verlangt, kann die neue Regierung in Kiew aber keinesfalls bezahlen. Ein erneuter Konflikt um die Gaslieferungen an und durch die Ukraine dürfte damit programmiert sein.

EU und USA reagieren bei aller Empörung vergleichsweise verhalten

Das gewaltsame Einverleibung der Krim durch Rußland verstößt eindeutig gegen das Völkerrecht. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß die Krim zu Rußland gehörte, ehe sie 1954 vom damaligen sowjetischen Parteichef Chruschtschow der Ukraine angegegliedert wurde. Das Verhältnis zwischen Rußland und den westlichen Staaten ist deshalb so gespannt wie noch nie seit dem Ende des Kalten Kriegs. Allerdings reagierten die EU und die USA bisher vergleichsweise verhalten. Zum Beispiel darf die Gazprom die von der Ostsee nach Tschechien führende Anschlußpipeline Opal (130103) weiterhin nur bis zur Hälfte der verfügbaren Kapazität für ihre Gastransporte nutzen. Mit wirklich einschneidenden wirtschaftlichen Sanktionen – die dann freilich beide Seiten treffen würden – ist erst zu rechnen, falls Rußland versuchen sollte, sich auch den östlichen Teil der Ukraine unter Berufung auf die dort lebenden Russen einzuverleiben.

Immerhin wird nun die energiewirtschaftliche Abhängigkeit Westeuropas von russischen Gaslieferungen wieder kritischer gesehen. In Deutschland verursachte es nachträglich politische Bauchschmerzen,daß der BASF-Konzern sein Gashandels- und Speichergeschäft komplett der russischen Gazprom überläßt (131206). Rußland könnte damit hierzulande sogar Einfluß auf die Bevorratung von Gas gewinnen, die strategisch wichtig ist, um die dominante Rolle des Kreml als Gaslieferant etwas zu kompensieren. Wenig Verständnis gab es auch für den RWE-Konzern, der den Verkauf seiner Öl- und Gastochter Dea an russische Oligarchen zum selben Zeitpunkt bekanntgab, als Rußland sich die Krim einverleibte (140303).

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