November 2013 |
131106 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die schwarz-gelbe Landesregierung in Stuttgart zahlte rund 780 Millionen Euro zuviel, als sie vor drei Jahren von der Electricité de France (EDF) deren Aktienpaket an der Energie Baden-Württemberg (EnBW) erwarb. Dies ergibt sich aus einem Gutachten, das die Staatsanwaltschaft Stuttgart im März dieses Jahres in Auftrag gab (130412) und das inzwischen vorliegt. Wie die Behörde am 21. Oktober mitteilte, stellte der Finanzwissenschaftler Prof. Wolfgang Ballwieser fest, daß der angemessene Kaufpreis für eine EnBW-Aktie damals bei 34,58 Euro gelegen habe. Die Landesregierung stimmte aber einem Kaufpreis von 41,50 Euro pro Aktie zu. Sie zahlte somit für die 112.517.569 Aktien, die sie von der EDF übernahm, insgesamt 778.621.578 Euro zuviel. Der Gesamtwert der EnBW betrug laut Gutachten zum damaligen Zeitpunkt 8.446 Millionen Euro.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt seit Juli 2012 gegen den früheren baden-württembergischen Ministerpräsidenten Stefan Mappus, den früheren Finanzminister Willi Stächele und den "Neckarpri"-Geschäftsführer Helmut Rau wegen Verdachts der Untreue beim Erwerb der EDF-Beteiligung an der Energie Baden-Württemberg (EnBW). Außerdem verdächtigt sie den früheren Geschäftsführer der Investmentbank Morgan Stanley, Dirk Notheis, der Beihilfe zur Untreue (120703). In den nächsten Monaten will sie das nun vorliegende umfangreiche Sachverständigengutachten auswerten und in die strafrechtliche Beurteilung einbeziehen. Außerdem wird das Gutachten den Landtagsausschuß beschäftigen, der vor zwei Jahren eingesetzt wurde, um die Umstände des EnBW-Kaufs zu untersuchen (111206).
Die grün-rote Landesregierung sieht in dem Gutachten eine Bestätigung dafür, daß sie den mit der Electricité de France vereinbarten Kaufpreis nachträglich mit einer Schiedsklage bei der Internationalen Handelskammer (ICC) in Paris angefochten hat (120213). Desavouiert fühlen muß sich dagegen der andere Großaktionär der EnBW, die Oberschwäbischen Elektrizitätswerke (OEW), in der neun CDU-regierte Landkreise ihre Beteiligungen an der EnBW gebündelt haben. Deren Sprecher, der Ulmer Landrat Heinz Seiffert, hatte vor dem Untersuchungsausschuß des Landtags die Höhe des Kaufpreises als völlig angemessen bezeichnet und sogar mit rechtlichen Schritten gedroht, falls der OEW aus der Rückforderungsklage der Landesregierung ein Schaden entstehen sollte. Gegenüber der "Stuttgarter Zeitung" (26.11.) erklärte der OEW-Vorsitzende nun, daß sich für ihn der Kaufpreis "nach wie vor in einer vertretbaren Bandbreite" bewege. Der Mehrpreis sei vor allem auf einen "Paketzuschlag" zurückzuführen, den der Gutachter anscheinend nicht berücksichtigt habe.
Die EnBW gehört derzeit zu jeweils 46,75 Prozent der Neckarpri-Beteiligungsgesellschaft mbH – einer hundertprozentigen Tochter des Landes Baden-Württemberg – und der OEW Energie-Beteiligungs GmbH. Die restlichen Aktien verteilen sich auf die Badische Energieaktionärs-Vereinigung (2,45 %), den Gemeindeelektrizitätsverband Schwarzwald-Donau (0,97 %), den Neckar-Elektrizitätsverband (0,63 %), Streubesitz (0,39 %) und eigene Aktien der EnBW (2,08 %). Das Unternehmen befindet sich damit fast hundertprozentig im Eigentum der öffentlichen Hand.