Juli 2013

130714

ENERGIE-CHRONIK


Bundesregierung nimmt Abstriche an der Netzentgelt-Befreiung für Großverbraucher vor

Die Bundesregierung beschloß am 31. Juli eine "Verordnung zur Änderung von Verordnungen auf dem Gebiet des Energiewirtschaftsrechts". Darin nimmt sie Abstriche an der Netzentgelt-Befreiung für Großstromverbraucher sowie andere Änderungen der Stromnetzentgeltverordnung (StromNEV) vor. Sie will so erklärtermaßen vermeiden, daß die EU-Kommission, die am 6. März eine "eingehende Prüfung" des § 19 Abs. 2 StromNEV beschlossen hat, die darin enthaltenen Begünstigungen von Großunternehmen als verbotene Beihilfe untersagt. Es geht ihr aber kurz vor den Bundestagswahlen sicher auch darum, die Empörung über den im Juli 2011 handstreichartig beschlossenen "Mitternachtsparagraphen" (111004, 111109) einzudämmen, mit dem die 2005 eingeführte Begünstigung großer Stromverbraucher zu einer Totalbefreiung ausgeweitet wurde. Zugleich will sie weiteren Richtersprüchen vorbeugen, die diesen Paragraphen wegen fehlender Rechtsgrundlage für unwirksam erklären, wie dies der 3. Kartellsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf getan hat (121203).

Trotz Abschaffung der Totalbefreiung keine Rückkehr zur früheren Regelung

In der Praxis ändert sich aber nicht sonderlich viel. Der neugefaßte § 19 Abs. 2 StromNEV ersetzt lediglich die bisherige Totalbefreiung der größten Stromverbraucher mit einem Jahresverbrauch von mehr als 10 Gigawatt durch eine Mindestbeteiligung an den normalen Netzentgelten, die je nach Benutzungsstundenzahl 10, 15 oder 20 Prozent des Normalsatzes beträgt. In jedem Falle werden Großverbraucher auch ab 2014 viel weniger an Netzentgelten zahlen, als die ursprüngliche Befreiungsregelung in § 19 Abs. 2 vorsah, indem sie den zulässigen Mindestsatz auf "nicht weniger als fünfzig Prozent des veröffentlichen Netzentgelts" beschränkte. Das so entstehende Defizit geht in den Normalsatz der Netzentgelte ein und wird auf die Kleinverbraucher umgelegt (120404).

Ab 2014 kommt eine "physikalische Komponente" hinzu

Ab 2014 sollen die genannten Sätze nach oben flexibilisiert werden. Die Netzbetreiber können dann Großverbrauchern, deren Abnahmeverhalten den netztechnischen Bedürfnissen weniger entspricht, auch etwas höhere Netzentgelte abverlangen, sofern die Bundesnetzagentur damit einverstanden ist. Darin liegt ein gewisses Druckpotential, um Großabnehmer zur Kooperation zu bewegen. Im übrigen bleibt aber offen, wie der in der ab 2014 gültigen Fassung verlangte "Beitrag des Letztverbrauchers zu einer Senkung oder zu einer Vermeidung der Erhöhung der Kosten der Netz- oder Umspannebene" in der Praxis ermittelt und stärker berücksichtigt werden soll.

Die Bundesregierung bezeichnet die ab 2014 geltende Regelung als "physikalische Komponente". Sie will damit offenbar ihre Argumentation stützen, daß Großverbraucher eine weitgehende Befreiung von den Netzentgelten verdient hätten, weil sie durch ihr "gleichmäßiges Abnahmeverhalten" die Kosten für Regelenergie und andere Maßnahmen zur Stabillisierung des Netzes senken würden. Hinter dieser kuriosen Begründung steckt freilich mehr Rabulistik als Physik: Mit demselben Argument könnte man auch Kleinverbrauchern eine Befreiung zugestehen, da diese in ihrer Gesamtheit ebenfalls ein sehr gleichmäßiges und gut prognostizierbares Abnahmeverhalten aufweisen.

Verbesserte Investitionsbedingungen für Verteilnetzbetreiber

Der neu eingefügte § 6a StromNEV verändert die Methodik zur Bestimmung des Tagesneuwertes von Netzanlagen unter Verwendung von Indexreihen des Statistischen Bundesamtes. Die übrigen Artikel der Verordnung betreffen die Gasnetzentgeltverordnung, die Anreizregulierungsverordnung und die Stromnetzzugangsverordnung. Die Änderungen in der Anreizregulierungsverordnung sollen die Bedingungen für Investitionen in die Hochspannungsebene der Verteilnetze verbessern. In der Stromnetzzugangsverordnung wird ein neues Bilanzierungsverfahren für sogenannte variable Tarife eingeführt, das es ermöglichen soll, Energie individueller zu zu beschaffen und zu bilanzieren.

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