Juli 2012 |
120701 |
ENERGIE-CHRONIK |
Falls es beim negativen Saldo des EEG-Kontos bleibt, entsteht bis zum Jahresende ein Milliarden-Defizit (siehe auch Hintergrund). |
Die EEG-Umlage für das laufende Jahr wurde mit 3,592 Cent pro Kilowattstunde zu niedrig angesetzt. Schon im ersten Halbjahr entstand deshalb auf dem EEG-Konto ein Defizit von 304,7 Millionen Euro. Abzüglich des zu Jahresbeginn noch vorhandenen Guthabens von 80,4 Millionen sind das 224,2 Millionen Euro. Der Saldo von Einnahmen und Ausgaben, der zu Anfang des Jahres noch deutlich positiv war, fiel im April stark ab und geriet in den beiden folgenden Monaten immer stärker ins Minus (siehe Grafik). Allein im Juni betrug das Defizit 786,6 Millionen Euro. Dies ergibt sich aus der Übersicht über den Kontostand, die am 4. Juli die Übertragungsnetzbetreiber veröffentlichten.
Aufgrund der bisherigen Erfahrungen mit dem seit 2010 geltenden Ausgleichsmechanismus ist zwar anzunehmen, daß sich der Saldo spätestens im Herbst wieder zum positiven Bereich hin entwickelt. Dennoch dürfte ein hohes Defizit und damit für die EEG-Umlage des Jahres 2013 eine starke Vorbelastung entstehen. Absehbar ist außerdem ein weiterer Anstieg der Ausgaben für Vergütungen, Marktprämien und allerlei Nebenkosten, die durch die seit 2010 geltende Neuregelung des "Ausgleichsmechanismus" verursacht werden. Es wird deshalb für möglich gehalten, daß die EEG-Umlage 2013 sogar auf über fünf Cent pro Kilowattstunde steigt.
Das wäre ein ähnliche Kostenexplosion wie bei der Einführung des neuen Ausgleichsmechanismus, als die EEG-Umlage gegenüber 2009 schlagartig von 1,2 auf 2,047 Cent/kWh stieg (100407). Eine kräftige weitere Steigerung gab es bereits 2012, als die Stromverbraucher mit 3,53 Cent/kWh belastet wurden (101001). Dagegen war 2012 der Anstieg auf 3,592 Cent/kWh nur geringfügig (111005). Aber schon damals zeichnete sich ab, daß die EEG-Umlage 2013 deutlich stärker steigen wird. Im November 2011 bestätigten dies auch die Übertragungsnetzbetreiber, als sie für das übernächste Jahr eine Bandbreite zwischen 3,66 und 4,74 Cent prognostizierten (111110). Die genannte untere Grenze war dabei eher unrealistisch und eine Konzession an die Politiker. Das Bundesumweltministerium versicherte dennoch, daß die Umlage "in den nächsten beiden Jahren relativ stabil bleiben und höchstens geringfügig ansteigen" werde. Nun stellt sich heraus, daß bereits die Umlage für 2012 zu niedrig angesetzt war.
Blamiert wäre vor allem die Bundeskanzlerin Angela Merkel, die am 9. Juni 2011 vor dem Bundestag versicherte: "Unsere Devise heißt: Die Unternehmen genauso wie die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland müssen auch in Zukunft mit bezahlbarem Strom versorgt werden. Deshalb wollen wir die erneuerbaren Energien schneller zur Marktreife führen und effizienter gestalten. Die EEG-Umlage soll nicht über ihre heutige Größenordnung hinaus steigen; heute liegt sie bei etwa 3,5 Cent pro Kilowattstunde."
Schon am 24. April berichtete das "Handelsblatt", daß die Übertragungsnetzbetreiber für das kommende Jahr mit einer EEG-Umlage rechnen, die "zwischen 4,8 bis 5,2 Cent" pro Kilowattstunde liegt. Offiziell äußern sich die Netzbetreiber dazu nicht. Sie haben noch bis 15. Oktober Zeit, ehe sie gemäß § 3 AusglMechV die neue EEG-Umlage für das Jahr 2013 bekanntgeben müssen.
Zu allem Überfluß will die Bundesregierung außerdem eine Art zweite EEG-Umlage einführen, mit der die Betreiber von Offshore-Windparks entschädigt werden sollen, wenn ihre betriebsbereiten Anlagen nicht rechtzeitig ans Netz angeschlossen werden. Sie dürfte zwar vergleichsweise klein sein. Mit Summen in dreistelliger Millionenhöhe ist aber zu rechnen (120702).
Während im Januar und Februar der größte Teil des an der Börse verkauften EEG-Stroms aus Windkraftanlagen stammte, dominierte ab März der Solarstrom. Keinen großen Schwankungen unterlag dagegen der Biomasse-Anteil. Die Grafik demonstriert zugleich, daß sich die fluktuierende Einspeisung von Wind- und Solarstrom im Jahresverlauf recht gut ergänzen. Der geringe Anteil der "Sonstigen" ist darauf zurückzuführen, daß Wasserkraft und andere Filetstücke des EEG-Stroms erst gar nicht an die Börse gelangen, sondern größtenteils direkt vermarktet werden. Die Subventionierung dieser Direktvermarktung geht ebenfalls in die EEG-Umlage ein. |
Die jetzt veröffentlichte Halbjahresbilanz läßt erkennen, daß die EEG-Umlage nicht proportional zu den Einspeisungsvergütungen steigt, sondern der neue Ausgleichsmechanismus mit seinen Nebenkosten sowie die durch die "marktgerechte" Umgestaltung des EEG entstehenden Zusatzkosten eine wesentliche Rolle spielen. So kamen zu den 7,9 Milliarden Einspeisungsvergütungen, die 86 Prozent der Gesamtausgaben ausmachen, noch 1,15 Milliarden für die neu eingeführte "Marktprämie" (110603) hinzu, die mit 12,5 Prozent der Gesamtausgaben ebenfalls in die EEG-Umlage eingehen. Auf der Einnahmen-Seite standen dagegen lediglich 7,18 Milliarden aus der EEG-Umlage sowie 1,57 Milliarden aus dem Verkauf von EEG-Strom an der Börse.
Insgesamt wurden im ersten Halbjahr 37.909 Gigawattstunden (GWh) über die Börse "vermarktet". Der Strom stammte dabei zu 37,3 Prozent aus Photovoltaik, zu 27,6 Prozent aus Windkraft, zu 30,7 Prozent aus Biomasse und zu 4,4 Prozent aus sonstigen regenerativen Quellen. Da am EEX-Spotmarkt in der ersten Jahreshälfte insgesamt 123.881 GWh gehandelt wurden, bestand der Umsatz somit zu gut einem Drittel aus EEG-Strom. Der erzielte Durchschnittspreis für den EEG-Strom lag bei 41,46 Euro pro Megawattstunde.
Der Verkauf des EEG-Stroms über die Börse wurde von den Übertragungsbetreibern im Vorgriff auf die neue Regelung bereits seit 2009 praktiziert. Dadurch sind die Durchschnittspreise am Spotmarkt der EEX, die im Oktober 2008 mit 118,35 Euro/MWh (peak) bzw. 85,65 Euro/MWh (base) einen absoluten Höchststand erreicht hatten (siehe Phelix), inzwischen stark zurückgegangen. Vor allem Solarstrom hatte eine preisdämpfende Wirkung, da er regelmäßig zu Zeiten hohen Verbrauchs anfällt. Im vergangenen Halbjahr bewegte sich der Phelix peak zwischen 44,76 und 71,34 Euro/MWh und der Phelix base zwischen 38,25 und 54,90 Euro/MWh. Der erzielte Durchschnittspreis für EEG-Strom lag bei 41,46 Euro pro Megawattstunde. Der Rückgang des Börsenpreises kommt aber nur der Stromwirtschaft zugute. Für die Letztverbraucher bedeutet er eine erhöhte Belastung, weil geringere Verkaufserlöse für EEG-Strom die EEG-Umlage nach oben treiben (120204).
Zu einer Erhöhung der EEG-Umlage führt auch sinkender Stromverbrauch, sei es durch konjunkturelle Einflüsse oder Energiesparmaßnahmen. Davon betroffen sind hauptsächlich die "nicht privilegierten Letztverbraucher". Große Stromverbraucher mit einem Jahresbedarf ab 1 Gigawatt (GWh) sind gemäß § 41 Abs. 3 EEG weitgehend von der EEG-Umlage befreit. Entsprechend stärker belastet werden die "nicht privilegierten Letztverbraucher", zu denen ausnahmslos alle Haushalte sowie die weniger stromintensiven Unternehmen gehören (siehe Hintergrund).
Die Bundestagsfraktion der SPD richtete am 19. Juli eine Große Anfrage an die Bundesregierung. Durch nicht weniger als insgesamt 137 Einzelfragen möchte sie in Erfahrung bringen, welche Kosten den Verbrauchern und Unternehmen durch die "Energiewende" entstehen. Ein großer Teil dieser Fragen bezieht sich auf die Kosten durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und den neuen Ausgleichsmechanismus. Unter anderem will sie wissen: