April 2010

100407

ENERGIE-CHRONIK


 

Im vergangenen Jahr betrug die EEG-Umlage 1,2 Cent bei einem Gesamtpreis von 23,2 Cent pro Kilowattstunde. Angesichts des enormen Zuwachses an EEG-Strom, der mit der EEG-Förderung in den vergangenen Jahren erzielt wurde, war das nicht sonderlich viel. Nun aber steigt die prognostizierte EEG-Umlage für das laufende Jahr schlagartig um 70 Prozent auf 2,047 Cent/kWh.

EEG-Umlage steigt um 70 Prozent – der größte Teil der "Mehrkosten" ist aber nicht echt

Seit 1. Januar 2010 ist für jede von Letztverbrauchern bezogene Kilowattstunde eine EEG-Umlage von 2,047 Cent zu entrichten. Das entspricht einer Steigerung um 70 Prozent gegenüber den 1,2 Cent/kWh, die im letzten Jahr gemäß § 53 EEG als "Differenzkosten" für die EEG-Förderung auf der Stromrechnung ausgewiesen werden durften. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) sprach am 1. April pauschal von "Mehrkosten durch Ökostrom", die 2010 auf 8,2 Milliarden Euro steigen würden, gegenüber 4,9 Milliarden Euro im Vorjahr. Anscheinend will die Branche den Anschein erwecken, als ob die Kosten der EEG-Förderung enorm gestiegen seien. Im wesentlichen wurden aber nur frühere Bestandteile der Netzkosten in die EEG-Umlage umgeschichtet. Der Grund dafür ist die Verordnung zur Neuregelung des EEG-Ausgleichsverfahrens (AusglMechV), die auf Basis von § 64 EEG mit Zustimmung des Bundestags erlassen wurde und zum 1. Januar 2010 das alte Verfahren ablöste.

Nach Ansicht der Bundesnetzagentur müßten gleichzeitig die Netzentgelte entsprechend sinken, so daß sich am Endbetrag der Stromrechnung dadurch nichts ändern würde. In der Praxis dürfte diese Rechnung aber schon deshalb nicht aufgehen, weil die Weitergabe gesunkener Netzentgelte durch die Stromversorger nicht gewährleistet ist. Hinzu wurde mit der Neuregelung die Absatzgarantie für EEG-Strom beseitigt, was zwar den Betreibern von Kohle- und Kernkraftwerken zustatten kommt, aber die EEG-Kosten in die Höhe treibt und ebenfalls zu Lasten der Verbraucher geht.

Die endgültige EEG-Umlage wird vermutlich noch höher ausfallen

Die Neuregelung verpflichtet in § 3 AusglMechV die vier Übertragungsnetzbetreiber, bis zum 15. Oktober eines Kalenderjahres die voraussichliche EEG-Umlage für das folgende Kalenderjahr zu veröffentlichen. Gemäß § 4 haben sie bei dieser Berechnung der voraussichtlichen Diskrepanz zwischen Einnahmen und Ausgaben den "durchschnittlichen Preis für das Produkt Phelix Baseload Year Future an der Strombörse European Energy Exchange AG in Leipzig für das folgende Kalenderjahr zu Grunde zu legen". Die so erstellte Prognose wurde von den vier Übertragungsnetzbetreibern am 15. Oktober 2009 auf ihrer gemeinsamen Internet-Seite veröffentlicht: Es handelt sich um die 2,047 Cent, die seit 1. Januar 2010 für jede von Letztverbrauchern bezogene Kilowattstunde als EEG-Umlage zu entrichten sind.

Die tatsächlichen Kosten dürften noch höher liegen. Denn es ist äußerst fraglich, ob sich beim Verkauf des EEG-Stroms an der Börse tatsächlich der angenommene Durchschnittspreis erzielen läßt. Es handelt sich nämlich hauptsächlich um Windstrom, der bei starker Erzeugung und schwacher Nachfrage nur geringe Erlöse erzielt oder sogar unter Zuzahlung von Millionensummen verschenkt werden muß (091201, 100101).

Die Bundesnetzagentur hat selber Zweifel am Wert der Prognosen, die aufgrund der gesetzlichen Vorschriften erstellt werden: Sie gab am 9. April zu bedenken, daß definitive Aussagen zur Höhe der EEG-Umlage für das Jahr 2010 "verfrüht" seien, da man "eine Vielzahl von Einflußfaktoren zu berücksichtigen" habe. Insgesamt sei "eine seriöse Prognose zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht möglich".

Angebliche "Vereinfachung" des Verfahrens greift tief in das System der EEG-Förderung ein

Bis Ende 2009 fand ein physikalischer und finanzieller Ausgleich der EEG-Mengen zwischen Netzbetreibern und Stromvertrieben nach § 34 - 44 EEG statt. Dabei wandelten die Übertragungsnetzbetreiber den Strom aus Erneuerbaren Energien, den sie abgenommen, bezahlt und untereinander ausgeglichen hatten, im Zusammenwirken mit Stromhändlern in Monatsbänder um und lieferten diese an die Vertriebe. Drohende Überangebote an Windstrom-Einspeisungen kompensierten sie durch den Einkauf "negativer Regelenergie" an der Börse.

Das änderte sich mit der Neuregelung des EEG-Ausgleichsverfahrens, die vor einem Jahr vom Kabinett beschlossen und auch vom Bundestag gebilligt wurde (090507): Die Netzbetreiber sind seitdem nicht mehr bloß berechtigt, negative Regelenergie an der Börse einzukaufen, um ein Überangebot an (Wind-)Strom zu neutralisieren, sondern sind gesetzlich für vorläufig mindestens zwei Jahre beauftragt, jede Art von EEG-Strom direkt über die Börse loszuschlagen. Die Differenz zwischen den Verkaufserlösen und den zu zahlenden EEG-Einspeisungsvergütungen dürfen sie über die EEG-Umlage auf die Endverbraucher abwälzen.

Die Änderung kam auf Wunsch der Strombranche und mit Unterstützung der Bundesnetzagentur zustande. Sie wurde als Vereinfachung des Verfahrens angepriesen, die vor allem für kleine und mittlere Stromvertriebe den mit der EEG-Abrechnung verbundenen Aufwand verringere (090507). Der Branchenverband BDEW begrüßte die Änderung damals gar unter der Überschrift "Mehr Durchblick für Stromkunden", weil die Endverbraucher nun angeblich besser über die tatsächlichen EEG-Kosten informiert würden.

Tatsächlich sind es aber Kraftwerksbetreiber und Stromvertriebe, die von der "Vereinfachung" des Ausgleichsverfahrens profitieren. Für den Endverbraucher wird es dagegen noch schwieriger, echte und angebliche EEG-Kosten zu unterscheiden. Zum Beispiel belastet es künftig die EEG-Umlage, wenn die Netzbetreiber den eingespeisten Strom zehn Stunden lang verschenken und ihm noch 22 Millionen Euro hinterherwerfen müssen, um sich die benötigte "negative Regelenergie" zu erkaufen (100101). Bisher gingen solche Verluste in die Systemdienstleistungen und damit in die Netzentgelte ein. Dort gehören sie eigentlich auch hin, weil der Ausbau der Speicherkapazitäten vernachlässigt wurde und weit hinter der Zunahme der EEG-Einspeisung zurückgeblieben ist. Künftig werden sie aber als Kostenfaktor der erneuerbaren Energien auftauchen.

Indessen bleibt es nicht bei einer bloßen Umbuchung von Kosten: Durch den Pflichtverkauf des EEG-Stroms an der Börse entfällt die bisherige Absatzgarantie für EEG-Strom. Damit verändert sich das ganze Preisbildungs- und Abrechnungsverfahren. Beispielsweise wird durch die Beschränkung auf den Spotmarkt zumindest der fluktuierend anfallende EEG-Strom (Wind, Photovoltaik) noch häufiger verramscht oder gar verschenkt werden müssen. Die Zeche dafür zahlt über die EEG-Umlage der Verbraucher. Infolge des Wegfalls der Absatzgarantie für EEG-Strom tritt außerdem zusätzlich zum Regelproblem noch ein Vertriebsproblem auf, das ebenfalls nur über die Preisbildung gelöst werden kann und damit den Verbraucher belastet.

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