November 2011

111102

ENERGIE-CHRONIK


Gazprom kauft deutschen Stromvertrieb und will Gewerbekunden beliefern

Der russische Staatskonzern Gazprom hat einen deutschen Stromvertrieb gekauft und will damit künftig vor allem Gewerbekunden beliefern. Es handelt sich um die in Walluf bei Wiesbaden ansässige Envacom Service GmbH, die bisher außer Strom auch Mobilfunk und Internet anbot. Gazprom hat jedoch nur das Stromgeschäft übernommen, das nun unter "Gazprom Marketing and Trading Retail Germania GmbH" firmiert. Gegenüber den Kunden präsentiert sich das Unternehmen als "Gazprom Energy". So lautet die Handelsmarke der in London ansässigen Gazprom Marketing & Trading, die unter dem Dach der Berliner Gazprom Germania GmbH angesiedelt ist und sich bereits in Großbritannien, Frankreich, den Niederlanden und Irland betätigt.

Gegenüber der Nachrichtenagentur Dow Jones bestätigte ein Vertreter der Gazprom Marketing & Trading, daß der Kauf des deutschen Stromanbieters am 10. November besiegelt worden sei. Er sei als "Schritt in den deutschen Strommarkt" gedacht. Man wolle vor allem Gewerbekunden gewinnen. Die bisherigen Endkunden von Envacom würden aber weiter beliefert. Zum Kaufpreis machte er keine Angaben.

Laut "Frankfurter Rundschau" (12.11.) hat das Bundeskartellamt der Übernahme bereits zugestimmt. Die 1999 gegründete Envacom beschäftigte ihren Angaben zufolge 45 Mitarbeiter und hatte insgesamt "über 500.00 Kunden". Die Zahl der Stromkunden soll bei 100.000 liegen. Das Geschäft mit Mobilfunk- und Internetdienstleistungen bleibt im Besitz des Unternehmensgründers Tillmann Raith.

Gazprom verfolgt mehrere Kraftwerks-Optionen

Sechs Jahre nach der Ankündigung, sich nicht mehr auf die Rolle des Gaslieferanten beschränken zu wollen (051203), erhält der russische Staatsmonopolist damit erstmals Zugang zum Endkundenmarkt in Deutschland. Bemerkenswerterweise geschieht dies nicht beim angestammten Geschäft mit Gas, sondern als Stromlieferant. Schon seit Monaten verhandelt Gazprom mit dem RWE-Konzern über die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens für den Bau von Gas- und Steinkohlekraftwerken in Deutschland, Großbritannien und den Benelux-Staaten (110701). Parallel dazu oder ersatzweise will er in Lubmin, wo die neu eröffnete Gas-Pipeline durch die Ostsee anlandet (111101), gemeinsam mit E.ON ein leistungsstarkes Kraftwerk errichten (080303). Außerdem plant der Kreml die Errichtung eines Atomkraftwerks im russischen Teil des früheren Ostpreußen, um von dort Strom in die EU-Staaten zu exportieren (100102).

Kreml propagiert deutsch-russische Allianz beim Kraftwerksbau

Der deutsche Ausstieg aus der Kernenergie verbessert aus russischer Sicht die Chancen für den Einstieg ins Kraftwerksgeschäft und generell für die "Idee eines gemeinsamen Energiekomplexes in Europa", wie sie Kremlchef Putin vor einem Jahr propagiert hat (101109). Putin unterstrich am 16. November vor deutschen Wirtschaftsvertretern in Moskau erneut das russische Interesse an gemeinsamen Kraftwerksbauten in Deutschland. An dem Treffen mit Mitgliedern des Ostausschusses der deutschen Wirtschaft beteiligten sich auch E.ON-Chef Johannes Teyssen sowie Spitzenmanager von BASF/Wintershall und VNG Verbundnetz Gas. Im Vorfeld des Treffens hatte der russische Energieminister Sergej Schmatko ebenfalls für eine weitreichende Allianz beim Kraftwerksbau geworben. Der Kreml sei bereit, mit deutschen Partnern den Bau, die Finanzierung und den Betrieb von Kraftwerken zu übernehmen, sagte er der "Süddeutschen Zeitung" (14.11.). Rußland verfolge das Ziel einer vertieften Energiepartnerschaft in Form eines bilateralen Abkommens mit Deutschland.

Erster Spatenstich für Gasspeicher "Katharina"

Im Beisein des Magdeburger Ministerpräsidenten Reiner Haseloff vollzogen Gazprom und VNG – Verbundnetz Gas am 16. November den ersten Spatenstich für den Erdgasuntergrundspeicher "Katharina" (UGS Katharina) in Peißen bei Bernburg. Das Projekt war im April 2008 vereinbart worden. Zur Durchführung wurde ein Jahr später die Erdgasspeicher Peissen GmbH mit Sitz in Halle (Saale) gegründet, die bis zum Jahr 2024 schrittweise insgesamt zwölf Kavernen in Betrieb nehmen wird (090509). Das Gasspeichervolumen beträgt im Endausbau ca. 600 Millionen Kubikmeter. Zusätzlich entsteht eine etwa 37 Kilometer lange Speicheranbindungsleitung zur Erdgasleitung JAGAL.

Links (intern)