April 2006 |
060405 |
ENERGIE-CHRONIK |
Der russische Staatskonzern Gazprom will über das geplante GuD-Kraftwerk Lubmin in den deutschen Gas- und Strommarkt einsteigen. Wie "Die Welt" (24.4.) berichtete, verhandelt Gazprom derzeit über eine Mehrheitsbeteiligung an der Concord Power Lubmin 1 GmbH, die das Projekt entwickelt. Unmittelbar neben dem Kraftwerksstandort soll die in Bau befindliche Gas-Pipeline von Rußland durch die Ostsee nach Deutschland anlanden. Gazprom hätte damit ideale Voraussetzungen für die Stromerzeugung. Die bereits genehmigte 210 Kilometer lange Gasleitung "Nordal" von Greifswald bis Bernau bei Berlin, die ursprünglich das GuD-Kraftwerk an das Gas-Hochdrucknetz anbinden und mit Brennstoff versorgen sollte, könnte in umgekehrter Richtung für den Transport russischen Erdgases benutzt werden. Das Pipeline-Projekt wird von der Concord Power Nordal GmbH betrieben, die wie die Concord Power Lubmin 1 GmbH der Hamburger Saalfeld Holding GmbH gehört.
Gazprom hatte bereits im Dezember 2005 angekündigt, sich nicht mehr auf die Rolle eine Lieferanten beschränken, sondern selber auf dem deutschen Markt aktiv werden zu wollen. Zum Beispiel denke man daran, sich an größeren Stadtwerken zu beteiligen, erklärte damals der Deutschland-Chef von Gazprom, Hans-Joachim Gornig. Außerdem wolle man bereits bestehende Beteiligungen wie die an der ostdeutschen VNG ausbauen (051203).
An der "North European Gas Pipeline Company" (NEGP), die die Ostsee-Pipeline errichten und betreiben wird, sind neben der Gazprom auf deutscher Seite E.ON und BASF beteiligt (050902). Unklar bleibt dagegen, in welcher Weise E.ON auch in das GuD-Projekt Lubmin eingebunden ist, das seinen Brennstoff nun wohl aus dieser Pipeline beziehen wird. Im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen um die Übernahme der Ruhrgas hatte sich E.ON Anfang 2003 verpflichtet, eine Beteiligung an der Concord Power zu erwerben, an der damals neben der Saalfeld-Gruppe auch die EnBW noch beteiligt war (030101). Die Concord Power lehnte es damals ab, Einzelheiten der mit E.ON getroffenen Abmachungen mitzuteilen, weil dazu "striktes Stillschweigen" vereinbart worden sei. "Die erwirkte Vereinbarung stärkt insgesamt unser Kraftwerksprojekt in Lubmin und unser Pipelineprojekt", hieß es lediglich.
Das Projekt der Ostsee-Pipeline entstand 1997 als Joint venture der Gazprom mit der finnischen Neste Oy (später Fortum). Seit 2001 beteiligten sich auch Ruhrgas und die BASF-Tochter Wintershall daran. Nachdem sich Fortum zurückgezogen hatte, wurde E.ON-Ruhrgas zum wichtigsten Partner der Gazprom, die hauptsächlich an dem Projekt interessiert war, um die osteuropäischen Gastransitländer umgehen und diese als Abnehmer besser unter Druck setzen zu können (050902). Die politische Protektion der Ostsee-Pipeline durch die deutsche Regierung unter Gerhard Schröder - der nach seinem Ausscheiden aus dem Kanzleramt sogar den Aufsichtsratsvorsitz der Gazprom-Tochter "North European Gas Pipeline Company" übernahm (051202) - hat deshalb in den Transitländern erhebliche Verstimmung ausgelöst.