März 2008 |
080312 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die FDP will sich für eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Gas, Strom und Öl einsetzen. Gegenüber der "Bild-Zeitung" (26.3.) verlangte Parteichef Guido Westerwelle, anstelle des Normalsatzes von 19 Prozent künftig nur noch den ermäßigten Satz von 7 Prozent anzuwenden, wie er etwa für Brot und andere wichtige Güter des täglichen Bedarfs gilt. Er begründete dies mit den ständig steigenden Energiepreisen. Bezahlbare Energie sei ein Grundbedürfnis und Heizen sei so wichtig wie Kleidung und Nahrung. Fahren und Heizen dürfe kein Luxus werden. Die Energiekosten seien der "Brotpreis des 21. Jahrhunderts".
Unterstützung bekam Westerwelle dafür von der Partei "Die Linke", vom Bundesverband der Energieabnehmer (VEA), dem Steuerzahlerbund und dem Mieterbund. Der Bundesgeschäftsführer der "Linken", Dietmar Bartsch, verwies darauf, daß seine Partei diese Position schon lange vertrete, und spottete: "Wenn CSU und FDP Vorschläge der Linken aufnehmen und als ihre präsentieren, ist das zumindest unsererseits keine Option für zukünftige Koalitionen."
Westerwelle ließ sich möglicherweise von Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) inspirieren, der im Januar im Bundestag die Einführung von Sozialtarifen für Geringverdiener angeregt hat (080105). Allerdings kann sich für seine neoliberal-populistische Alternative sonst kaum jemand erwärmen. Mit einer Verwirklichung ist vor allem deshalb nicht zu rechnen, weil die Senkung der Mehrwertsteuer für Energie ein großes Loch in den Bundeshaushalt reißen würde.
Dennoch dürfte das Thema weiterhin eine Rolle in der politischen Auseinandersetzung spielen, denn in der Tat ist es widersinnig, für eher nebensächliche Bedürfnisse wie Hundefutter den ermäßigten Steuersatz zu gewähren, während das menschliche Grundbedürfnis nach Versorgung mit erschwinglicher Energie ignoriert wird. Mitte der neunziger Jahre plante die Bundesregierung sogar eine spezielle Erhöhung des Normalsatzes der Mehrwertsteuer für Energie, wobei ausgerechnet die FDP auf diese Erhöhung drängte (961202). Nach der Untersagung des "Kohlepfennigs" durch das Bundesverfassungsgericht suchte die Bonner Koalition aus Union und FDP nach Alternativen, um die Subventionierung der Steinkohle-Verstromung weiterhin den Stromverbrauchern aufzuerlegen. So kam auch der Plan zustande, eine besondere Energie- bzw. Stromsteuer einzuführen (950101). Die SPD griff ihn in Form einer "Stromsparsteuer" auf, die erklärtermaßen das "ökologisch und ökonomisch falsche Absinken der Strompreise" infolge Wegfalls des Kohlepfennigs verhindern sollte (950608). Außerdem verfiel die SPD auf die Idee, mit den Erträgen der Stromsteuer die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung und andere Soziallasten zu senken (950905). Die Regierung begnügte sich unterdessen damit, die Pläne für eine Energiesteuer als Druckmittel zu verwenden, um die Wirtschaft zu Zugeständnissen bei der CO2-Minderung zu bewegen (960304). Erst nach dem Regierungswechsel zu Rot-Grün kam es tatsächlich zur Einführung der sogenannten "Öko-Steuer" für Mineralöl und Strom, die fiskalische Interessen mit umweltschützerischem Pathos verband (990201). Die damit neugeschaffene Stromsteuer verdoppelte sich von 1999 bis 2003 von 1 auf 2,05 Cent pro Kilowattstunde (021102). Sie belastete hauptsächlich Haushalte und Kleingewerbe, während die Großverbraucher weitgehend verschont blieben.
Die Kritik an der derzeit 19prozentigen Mehrwertsteuer für Energie entzündet sich ferner daran, daß die Stromrechnung zum großen Teil aus staatlich auferlegten Belastungen für Stromsteuer, Konzessionsabgaben, EEG und KWK-Gesetz besteht. Der Staat besteuert also die von ihm selbst auferlegten Lasten, wenn er darauf nochmals die Mehrwertsteuer erhebt.
Allerdings ist das bei den Benzinpreisen genauso. Hier wird der Endpreis für die Verbraucher sogar in noch weit höherem Maße von staatlichen Belastungen bestimmt, auf die der Staat außerdem noch die Mehrwertsteuer erhebt. Schon deshalb wird künftig außer FDP und Linken – die aus ganz unterschiedlichen und sogar gegensätzlichen Motivationen die Senkung der Besteuerung von Energieverbrauch fordern – keine andere Partei an dieses Thema rühren wollen.