April 2005

050403

ENERGIE-CHRONIK


Utz Claassen erhielt 2004 mehr Geld als die Chefs von RWE und E.ON

Der Vorstandsvorsitzende der Energie Baden-Württemberg, Utz Claassen, sorgte im April erneut für Unmut, als bekannt wurde, daß er für das vergangene Jahr 4,17 Millionen Euro kassierte. Der EnBW-Chef verdiente damit mehr als die Chefs von RWE (4 Mio. Euro) und E.ON (3,1 Mio. Euro), obwohl die EnBW nach Umsatz und Ertrag vier- bis fünfmal kleiner ist. Zugleich wurde bekannt, daß die Staatsanwaltschaft Mannheim inzwischen ein förmliches Ermittlungsverfahren gegen Claassen wegen des Verdachts der Bilanzfälschung eingeleitet hat.

Das fixe Gehalt des EnBW-Chefs beträgt "nur" 733 000 Euro. Die übrigen 3,4 Millionen von Claassens Rekordeinkünften entstammen einer variablen Vergütung, die Anfang März vom Aufsichtsratsausschuss für Vorstandsangelegenheiten bewilligt worden war. Dieser Ausschuß beschließt über die Anstellungsverträge der Vorstandsmitglieder, die Festsetzung der Jahresvergütung und eine eventuelle Kreditgewährung. Der Ausschuß tagt nach Bedarf. Außer dem Aufsichtsratsvorsitzenden Wolfgang Schürle, der die OEW repräsentiert, gehören ihm ein Vertreter der EDF sowie der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Peter Neubrand und dessen Stellvertreter Rolf Koch an.

Nach Darstellung der "Stuttgarter Zeitung" (28.4.) wurde die fürstliche Tantieme für Claassen vom Vertreter der EDF abgelehnt, während sich Wolfgang Schürle der Stimme enthalten habe. Letztlich verdanke Claassen seine exorbitanten Bezüge den beiden Belegschaftsvertretern Neubrand und Koch, die bereits Anfang des Jahres mit einer Beistandserklärung für den umstrittenen EnBW-Chef hervorgetreten waren (050106) und sich damit den Zorn der übrigen Betriebsräte zugezogen hatten (050214).

Laut "Stuttgarter Nachrichten" (27.4.) dringt nun die EDF darauf, daß künftig die Höhe der Vorstands-Tantiemen nicht mehr von dem vierköpfigen Ausschuß, sondern von sämtlichen 18 Mitgliedern des paritätisch besetzten Aufsichtsrats festgesetzt wird. Claassen war von Anfang an nicht ganz nach dem Geschmack der EDF, die den Chefsessel in Karlsruhe eigentlich mit einem hochrangigen Manager aus dem eigenen Haus besetzen wollte, aber am Einspruch der OEW gescheitert war (030408). Auch für die Einzelheiten des Anstellungsvertrags mit Claassen soll im wesentlichen der OEW-Vertreter Wolfgang Schürle verantwortlich gewesen sein. Unter anderem, so heißt es, hat er Claassen ein Ruhegehalt in Höhe von siebzig Prozent der normalen Einkünfte zugestanden.

Staatsanwaltschaft untersucht Wertberichtigungen

Die Staatsanwaltschaft Mannheim bestätigte am 21. April, daß sie gegen Claassen ein förmliches Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Bilanzfälschung eingeleitet hat. Den "Stuttgarter Nachrichten" (21.4.) zufolge untersuchen die Ermittler Wertberichtigungen in der Bilanz, die Claassen bei seinem Amtsantritt im Mai 2003 vornahm. Claassen habe damals den Wert etlicher Beteiligungen, die unter seinem Vorgänger Gerhard Goll erworben wurden, nach unten korrigiert (030706). Bereits im Februar war bekanntgeworden, daß gegen Claassen eine entsprechende Strafanzeige vorliegt (050216).

Gegen Goll ermittelt die Mannheimer Staatsanwaltschaft schon seit mehr als eineinhalb Jahren. Er wird ebenfalls der Bilanzverschleierung verdächtigt (031113, 050216). Auslöser der Ermittlungen war in diesem Fall eine Strafanzeige, die Anfang August 2003 von der Kreistagsfraktion der Grünen im Landkreis Ravensburg erstattet wurde.

Nach Paragraph 331 des Handelsgesetzbuches (Unrichtige Darstellung) wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer als Mitglied des vertretungsberechtigten Organs oder des Aufsichtsrats einer Kapitalgesellschaft die Verhältnisse der Kapitalgesellschaft in der Eröffnungsbilanz, im Jahresabschluß, im Lagebericht oder im Zwischenabschluß unrichtig wiedergibt oder verschleiert.

Claassen ließ die gegen ihn erhobenen Vorwürfe am 21. April in einer EnBW-Pressemitteilung zurückweisen: Sie seien "in jeglicher Hinsicht haltlos und unbegründet". Die entsprechenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft basierten "schon im Ansatz auf völlig falschen Annahmen". Dies könne zweifelsfrei belegt werden.

Claassen macht früheren Finanzvorstand Balzereit für Abwertungen verantwortlich

Die mit Spannung erwarteten Hauptversammlung der EnBW am 29. April nutzte Claassen, um sich als erfolgreicher Sanierer der EnBW darzustellen und den Verdacht der Bilanzfälschung zurückzuweisen. Nach Angaben des EnBW-Vorstandsvorsitzenden stieg das Ergebnis vor Steuern und Zinsen (Ebit) im ersten Quartal 2005 um 36 Prozent auf 537,5 Mio. Euro, während der Vergleichswert des Vorjahres bei 394,9 Mio. Euro lag.

Die Ermittlungen wegen Bilanzfälschung wies Classen erneut als "schon im Ansatz haltlos" zurück. "Wir haben die Dinge nicht schön gerechnet, sondern sachgerecht bewertet", sagte er speziell zur umstrittenen Bewertung der EnBW-Beteiligung an den Stadtwerken Düsseldorf. An dem nach Bilanzrecht vorgesehenen sogenannten Impairment-Test (Firmenbewertung) sei "gar nichts zu beanstanden". Außerdem sei für den Impairment-Test nicht er, sondern der ehemalige Finanzvorstand Bernd Balzereit verantwortlich gewesen, der kurz nach Claassens Amtsübernahme im Juli 2003 abberufen wurde (030706). Auch nach Balzereits Ausscheiden habe es aber keinen Anlass gegeben, an der Richtigkeit der Abwertung der Beteiligungen zu zweifeln, sagte Claassen, der nach dem Ausscheiden Balzereits selber das Finanzressort und die damit verbundene Vorstandsvergütung beansprucht hatte.

Vertreter der Minderheitsaktionäre übten auf der Hauptversammlung zum Teil scharfe Kritik an der Höhe von Claassens Einkünften. Ulrich Wecker von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) appellierte außerdem an Claassen, mit dem Kleinkrieg in den Medien aufzuhören: "Es kann nicht sein, dass die EnBW mehr im landespolitischen Teil als auf den Wirtschaftseiten zu finden ist."

Der Aufsichtsratsvorsitzende Wolfgang Schürle (OEW) verteidigte dagegen die hohen Bezüge des Vorstandsvorsitzenden Claassen. Wegen der Ausnahmesituation im vergangenen Jahr seien sie angemessen, meinte er. Claassen habe außerdem bis zum Jahresende neben seiner Funktion als Vorstandsvorsitzender auch als Finanzvorstand fungiert. Diese Doppelbelastung rechtfertige eine Ausnahme-Tantieme. Zugleich kündigte Schürle allerdings eine Änderung der bisherigen Richtlinien an, die offenbar auf Druck der EDF zurückzuführen ist. Der Aufsichtsrat arbeite bereits an der Gestaltung eines neuen Vergütungssystems.