Januar 2005

050106

ENERGIE-CHRONIK


CDU-Politiker bezeichnete EnBW-Chef Claassen als "Rambo"

Die Politik könne es nicht kritiklos hinnehmen, wie der gegenwärtige EnBW-Chef Utz Claassen mit seinem Verhalten das Image des Stromversorgers ramponiere. Dies erklärte der Vorsitzende der Kommunalpolitischen Vereinigung der CDU Baden-Württemberg, der Singener Oberbürgermeister Andreas Renner, am 7. Januar der Nachrichtenagentur DPA, nachdem Claassen den Karlsruher SC zur Entlassung des Trainers Reinhold Fanz gezwungen hatte, mit dem Claassen vor Jahren eine gerichtliche Auseinandersetzung hatte (siehe 050105).

Die Einmischung Claassens als Sponsor in sportliche Entscheidungen eines Vereins sei "der Gipfel" und ein "einmaliger Eklat im deutschen Profi-Fußball". Aber auch in seinem Umgang mit Städten, Gemeinden und dem Land habe sich Claassen wiederholt als "Rambo unter den deutschen Managern" gezeigt, sagte der CDU-Politiker. Claassen regiere "nach Gutsherrenart". Es spreche nicht für Führungsqualität, wenn man Gespräche verweigere und einen Minister - wie vor kurzen den Wirtschaftsminister Ernst Pfister - "wie einen Schulbuben" behandele. Die Kommunen des Landes müßten es sich überlegen, ob die EnBW mit Claassen an der Spitze noch der richtige Partner für sie sei.

EnBW drohte mit Klage wegen Geschäftsschädigung

Die EnBW reagierte auf diese Kritik am 10. Januar mit einer Stellungnahme ihres Vorstands, der Renners Äußerungen als "in der Sache unbegründet und in der Form inakzeptabel" zurückwies. Renners Kritik an Claassen sei von einer "nicht nachvollziehbaren Feindseligkeit" geprägt. Die EnBW behalte sich ausdrücklich vor, den Politiker wegen Ruf- und Geschäftsschädigung auf Schadensersatz zu verklagen.

"Die beiden Herren kennen sich nicht einmal persönlich", hieß es in der EnBW-Stellungnahme. "Um so mehr ließe sich fragen, was Renner motiviert und wer ihn legitimiert, mit maßlosen Verbalanwürfen über eine Person, ein Unternehmen und vermeintliche Vorgänge zu polemisieren, die er durchweg aus eigener Anschauung weder kennt noch beurteilen kann." Renner provoziere damit eine "parteiliche Politisierung", an der weder die EnBW noch die CDU interessiert sein könnten.

Betriebsräte distanzieren sich von Beistandsbekundung für Claassen

Zusätzlich veröffentlichte die EnBW am selben Tag eine Erklärung des Gesamtbetriebsratsvorsitzenden Peter Neubrand und seines Stellvertreters Rolf Koch. Die beiden Belegschaftsvertreter, die auch im Aufsichtsrat des Unternehmens sitzen, bezeichneten Renners Äußerungen als "dreist und unbegründet". Claassen habe mit seinem Verhalten keineswegs das Image der EnBW ramponiert. Im Gegenteil: "Unter Prof. Claassen ist es gelungen, in kürzester Zeit nicht nur erfolgreich die Finanzen der EnBW in geordnete Bahnen zu lenken, sondern den Mitarbeitern unseres Unternehmens wieder eine gute Perspektive für die Zukunft aufzuzeigen." Nach ihrer Ansicht sei Renners Kritik "ein gezieltes Störfeuer gegen Prof. Claassen persönlich, gegen seine erfolgreiche Arbeit bei der EnBW und vielleicht sogar ein Wassertragen für EnBW-Konkurrenten".

Der von der EnBW-Pressemitteilung suggerierte Eindruck, Neubrand und Koch sprächen als "Arbeitnehmervertreter und Betriebsräte" für die gesamte Belegschaft, traf allerdings nicht zu. Nach Angaben der "Stuttgarter Zeitung" (14.1.) haben sich zahlreiche Betriebsräte der Konzernholding, der Kraftwerksgesellschaft und weiterer EnBW-Firmen von der Beistandsbekundung für Claassen distanziert. Die Erklärung sei mit der Belegschaft nicht abgestimmt gewesen. Unabhängig davon werde sie "sowohl vom Stil als auch von der Wortwahl abgelehnt", hieß es in einem internen Papier, in dem sich die Betriebsräte gegen den Alleingang von Neubrand und Koch wandten. Diese verteidigten sich damit, daß ihnen die Zeit gefehlt habe, sich mit den anderen Betriebsräten abzustimmen.

Künftig soll erst das "persönliche Gespräch" gesucht werden

"Für mich ist die Sache erledigt", sagte Renner nach einem Gespräch mit Detlef Schmidt und Ulrich Herzog von der EnBW-Konzernführung. Er habe nicht beabsichtigt, die Kommunen zum Boykott des Konzerns aufzurufen. Die EnBW ließ ihrerseits verlauten, daß im "Bedarfsfall" künftig "zunächst das persönliche Gespräch" gesucht werde. In dem Gespräch mit Renner seien Mißverständnisse ausgeräumt worden. Es gebe aber weiterhin unterschiedliche Auffassungen über "die wechselseitige Angemessenheit von Stil und Ton". (Heilbronner Stimme, 12.1.)