Juli 2025 |
250706 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die Ankündigung von Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU), bis 2030 eine Kapazitätsreserve mit einer Leistung von insgesamt 20 Gigawatt aus "Gaskraftwerken" errichten zu lassen, hat in weiten Kreisen die Besorgnis ausgelöst, dass damit auf lange Sicht eine klimaneutrale Technik zur Netzregelung verhindert und die notwendige Umstellung von Erdgas auf Wasserstoff zumindest verzögert wird. Wie bei der ähnlich gearteten "Kraftwerksstrategie", welche die Ampel-Koalition im Februar 2024 vorlegte (240202), sollen diese Gaskraftwerke die jeweils verbleibende Residuallast abdecken, die den schwankenden Beitrag der erneuerbaren Stromquellen übersteigt. Im Unterschied zu ihrem Vorgänger Habeck will Reiche die Leistung der Kapazitätsreserve aber doppelt so hoch ansetzen und spricht auch nicht davon, dass die geplanten Gaskraftwerke wenigstens "wasserstofftauglich" sein müssten.
"Der Wert ist viel zu hoch, der Zeitplan unrealistisch", meinte dazu der schleswig-holsteinische Energieminister Tobias Goldschmid (Grüne). "Aus meiner Sicht spiegelt sich darin der Durchmarsch der Gaslobby wider." Die Bundeswirtschaftsministerin klammere nicht nur Alternativen wie Wasserstoff einfach aus, sondern auch Batteriespeicher oder Biogaskraftwerke. Die Energieexpertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Claudia Kemfert, hielt die Pläne ebenfalls für "völlig überdimensioniert".
Ein Bündnis aus 14 Unternehmen der Wasserstoff- und Erneuerbaren-Wirtschaft sowie Umweltverbänden forderte am 9. Juli die Bundeswirtschaftsministerin Reiche in einem Offenen Brief auf, "die Kraftwerksstrategie zum Motor der grünen Wasserstoffwirtschaft zu machen" (PDF). Mit Wasserstoff betriebene Gaskraftwerke könnten die Effizienz und Resilienz des gesamten Energiesystems stärken. Wenn man die regelmäßig anfallenden strukturellen Stromüberschüsse mittels Elektrolyseuren in Wasserstoff umwandele und diesen in Kavernen speichere, könne der so erzeugte CO2-freie Energieträger auch in Zeiten sogenannter Dunkelflauten zur Abdeckung der Residuallast genutzt werden.