Januar 2024 |
240104 |
ENERGIE-CHRONIK |
Auch Bestandsanlagen wie die beiden 16 Jahre alten GuD-Blöcke des Gaskraftwerks Hamm können durch Modernisierung zumindest "H2-ready" werden. Weder dieses Etikett noch die spätere Umrüstung auf den ausschließlichen Betrieb mit Wasserstoff haben jedoch einen Klimanutzen, wenn der alternative Energieträger nicht per Elektrolyse mit Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt wird. Foto: Trianel
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Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) hat die Bundesregierung zum Jahresbeginn aufgefordert, die durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (231101) verursachte Haushaltskrise schnell zu überwinden und für eine "Kraftwerksstrategie mit klaren Rahmenbedingungen" zu sorgen. Vor allem müsse die notwendige Investitions- und Planungssicherheit für die Errichtung wasserstofffähiger Gaskraftwerke geschaffen werden. Dabei bedürfe es einer "klugen Verzahnung der Ausschreibungen mit einem zukünftigen Marktdesign wie einem Kapazitätsmarkt". In diesem Zusammenhang kritisierte der Lobbyverband überraschenderweise auch die im EEG seit einem Jahr vorgeschriebenen beiden Ausschreibungssegmente für Pilotprojekte im Umfang von jeweils 4,4 Gigawatt, die ausschließlich mit "grünem" Wasserstoff betrieben werden sollen: Um Komplexität und Kosten der notwendigen Umstrukturierung zu senken, müsse unbedingt der Umfang der vorgesehenen EEG-Förderung für "Wasserstoff-Sprinter" und "Wasserstoff-Hybrid-Kraftwerke" überprüft werden. Vor allem bei den geplanten Wasserstoff-Hybrid -Kraftwerken handele es sich "um teure, aber für die System- und Versorgungssicherheit nur sehr begrenzt relevante Komponenten". Der Schwerpunkt der Kraftwerksstrategie müsse "bei den systemrelevanten H2-ready-Kraftwerken liegen".
Der Verband begründet nicht näher, weshalb er so wenig von den im EEG vorgesehenen Projekten hält, die von vornherein mit "grünem" Wasserstoff betrieben werden müssten, der per Elektrolyse mit Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt wird. Die "H2-ready-Kraftwerke", die er zu Lasten dieser EEG-Projekte favorisiert haben möchte, wären dagegen bis auf weiteres erst mal Erdgas-Kraftwerke mit unverändert hohen Treibhausgas-Emissionen. Ihre Klimaschädlichkeit würde sich auch nach der Umstellung auf Wasserstoff nicht ändern, solange dieser Wasserstoff zum allergrößten Teil aus Erdgas gewonnen wird, wie das bis heute der Fall ist. Und es sieht leider ganz danach aus, als ob "grüner" Wasserstoff ein ziemlich rarer Energieträger bleiben werde, mit dem sorgsam umgegangen werden muss. Unter diesem Aspekt sind die beiden speziellen Ausschreibungssegmente durchaus sinnvoll und wichtig. Zum Beispiel sollen damit optimale Lösungen gefunden werden, um die ständigen Überschüsse an EEG-Strom in Form von grünem Wasserstoff zu speichern und bei Bedarf zurückzuverstromen. Bisher wird viel zu wenig unternommen, um diese naheliegende Überlegung in die Praxis umzusetzen. Stattdessen werden die Stromüberschüsse, die infolge der fluktuierenden Einspeisung von Windkraft- und Solaranlagen zwangsläufig anfallen, nutzlos abgeregelt und zu hohen Kosten entschädigt.
Der BDEW ist nicht nur ein Verband der Stromwirtschaft, wie das beim Vorläufer VDEW der Fall war, sondern vertritt als Nachfolger des einstigen Bundesverbands der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft (BGW) auch die Interessen der Gaswirtschaft (061214). Das könnte manche Unklarheit und Ungereimtheit erklären. Die jetzige Kritik des branchenübergreifenden Lobbyverbands bezieht sich auf die beiden exklusiven Grünstrom-Konzepte zur Ausschreibung von Wasserstoff-Anlagen, die mit der im Juli 2022 vom Bundestag beschlossenen Neufassung dem EEG eingefügt wurden (220703). Dem Gesetz zufolge hätte eigentlich schon zum 15. Dezember 2023 für beide Arten die jeweils erste Ausschreibung stattfinden müssen: 400 MW für Hybrid- und 800 MW für Sprinter-Kraftwerke. Auf Nachfrage bestätigte die Bundesnetzagentur, dass dies bisher nicht geschehen ist. Der Grund dafür sei in beiden Fällen, dass die Rechtsverordnung noch nicht vorliegt, die nach § 88e zu Einzelheiten der Hybrid-Kraftwerke erlassen werden soll. Zur jüngsten Kritik des BDEW wollte die Behörde nicht Stellung nehmen, weil dafür das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz zuständig sei.
Beide Ausschreibungs-Konzepte im EEG bezwecken die Schaffung einer Stromerzeugungskapazität von jeweils 4,4 Gigawatt mittels "grünem" Wasserstoff, der per Elektrolyse mit Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt wird, um dann bei Bedarf mit dafür geeigneten Gasturbinen wieder verstromt zu werden. Bei den sogenannten Hybrid-Kraftwerken nach § 28f ist dabei jedoch Voraussetzung, dass der Wasserstoff mit einem "innovativen" Erzeugungskonzept kombiniert wird. Bei der Ausschreibung von reinen Wasserstoff-Kraftwerken nach § 28g genügt es hingegen, wenn der Brennstoff mit Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt wurde.
Gemäß § 28f sollen bis 2028 insgesamt zehn solcher Ausschreibungen für "innovative Konzepte mit wasserstoffbasierter Stromspeicherung" durchgeführt werden. Es handelt sich dabei um Kombinationen von Windkraft- oder Solaranlagen oder auch mehreren erneuerbaren Stromquellen mit Wasserstoff-Speichern, die im Endausbau eine Leistung von insgesamt 4400 Megawatt aufnehmen und durch Rückverstromung des Wasserstoffs wieder ins Netz einspeisen könnten. Ergänzend schreibt der neue § 39o vor, dass diese Speicher nur mit dem von den jeweiligen Anlagen elektrolytisch erzeugten "grünen" Wasserstoff gefüllt werden dürfen. Die Rückverstromung darf ebenfalls nur mittels des Wasserstoffs erfolgen, den die jeweiligen Anlagenkombinationen erzeugt haben. Die Einzelheiten der Ausschreibungen für solche inselartigen Anlagenkombinationen sollen in einer Rechtsverordnung nach § 88e näher bestimmt werden.
Im Unterschied zu diesen inselartigen Anlagenkombinationen muss bei den als "Sprinter" bezeichneten Kraftwerken der Brennstoff nur dem Grünstrom-Kriterium genügen. Sie sollen an Standorten errichtet werden, an denen bereits die notwendige Infrastruktur vorhanden ist, um sie mit grünem Wasserstoff oder dem Folgeprodukt Ammoniak zu versorgen (220703). Bis 2026 sollen insgesamt acht solcher "Sprinter"-Ausschreibungen stattfinden. Im Vergleich mit den Hybrid-Kraftwerken dürfte es hier wohl leichter sein, genügend Interessenten für die insgesamt 4,4 Gigawatt zu finden.
Im EEG ist übrigens weder von "Hybrid-Kraftwerken" noch von "Sprintern" die Rede, sondern nur von "innovativen Konzepten mit wasserstoffbasierter Stromspeicherung" bzw."Anlagen zur Erzeugung von Strom aus Grünem Wasserstoff". Die beiden griffigeren Bezeichnungen wurden nachträglich vom Bundeswirtschaftsministerium geprägt und beispielsweise am 1. August 2023 durch eine Pressemitteilung in Umlauf gebracht, die über den Stand der Verhandlungen mit der EU-Kommission zur Wasserstoff-Thematik informierte.
In der erwähnten Pressemitteilung kündigte Minister Robert Habeck außerdem an, es nicht bei den im EEG vorgesehenen 8,8 Gigawatt zu belassen, sondern bis 2035 weitere 15 Gigawatt für die Errichtung sogenannter "H2-ready-Kraftwerke" auszuschreiben:
"Konkret wollen wir 8,8 Gigawatt an neuen Kraftwerken ausschreiben, die von Beginn an mit Wasserstoff betrieben werden. Und wir wollen bis 2035 bis zu 15 Gigawatt an Wasserstoffkraftwerken ausschreiben, die vorübergehend mit Erdgas betrieben werden können bis sie an das Wasserstoffnetz angeschlossen sind, maximal jedoch bis 2035. Von diesen 15 Gigawatt wollen wir in einem ersten Schritt 10 Gigawatt bis 2026 ausschreiben und dann eine Evaluierung vornehmen, bevor die verbleibenden 5 Gigawatt ausgeschrieben werden können."
Dieser Ankündigung wäre allerdings hinzuzufügen, dass es sich bei den "H2-ready-Kraftwerken" nicht um Alleskönner handelt, die wahlweise mit Erdgas oder Wasserstoff betrieben werden können, wie es der Anglizismus suggeriert. Habeck erweckte ebenfalls einen falschen Eindruck, wenn er von "Wasserstoffkraftwerken" sprach, "die vorübergehend mit Erdgas betrieben werden können bis sie an das Wasserstoffnetz angeschlossen sind". Tatsächlich handelt es sich zunächst mal um Erdgas-Kraftwerke, bei denen lediglich – soweit dies möglich ist – eine komplette Umrüstung auf Wasserstoff bereits berücksichtigt wird. Bestenfalls ist eine Beimischung von bis zu zwanzig Prozent Wasserstoff möglich (die freilich keine Vorteile und vor allem keinen Klimanutzen bringt, wenn es sich nur um den üblichen Wasserstoff aus Erdgas handelt).
Eine solche Umrüstung wäre nicht nur bei Neubauten möglich, denn Bestandsanlagen können ebenfalls "H2-ready" gemacht werden. Aktuell geschah dies beispielsweise bei der Modernisierung der beiden 16 Jahre alten GuD-Blöcke des Gaskraftwerks Hamm, die seither eine Beimischung von bis zu 15 Prozent Wasserstoff vertragen könnten. Ein dritter, seit kurzem in Planung befindlicher Block soll von vornherein wasserstofftauglich werden. Außerdem ist an die Errichtung einer mit Grünstrom gespeisten Elektrolyse-Anlage gedacht (wobei der so erzeugte Wasserstoff jedoch nicht für das Kraftwerk verwendet werden soll, sondern für den abgasfreien Betrieb der städtischen Busse sorgt).
Das Etikett "H2-ready" besagt meistens lediglich, dass sich der immer noch erforderliche technische Aufwand und die damit verbundenen Kosten für die hundertprozentige Umstellung auf Wasserstoff in einem erträglichen Rahmen halten. Genauere Festlegungen gibt es bisher nicht. Einzige Ausnahme ist eine Bestimmung in § 6 des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes, wonach neue KWK-Anlagen "ab dem 1. Januar 2028 mit höchstens 10 Prozent der Kosten, die eine mögliche Neuerrichtung einer KWK-Anlage mit gleicher Leistung nach dem aktuellen Stand der Technik betragen würde, so umgestellt werden können, dass sie ihren Strom ausschließlich auf Basis von Wasserstoff gewinnen können".
Die KWK-Förderung wird demnach ab 2028 für neue Anlagen nur noch dann gewährt, wenn diese für höchstens zehn Prozent der Kosten einer von vornherein für Wasserstoff ausgelegten Neuanlage auf diesen Energieträger umgerüstet werden können. Die bis 2028 eingeräumte Frist berücksichtigt dabei den Umstand, dass aktuell noch gar keine Wasserstoffturbinen für größere Kraftwerksleistungen verfügbar sind. Einer Studie zufolge taugt das hier aufgestellte Kriterium indessen nur sehr bedingt als allgemeine Richtschnur, weil es auf GuD-Anlagen mit Kraft-Wärme-Kopplung zugeschnitten ist. Bei reinen Gasturbinen-Kraftwerken seien die Kosten deutlich höher. Eine undifferenzierte Anwendung dieser Zehn-Prozent-Regel würde deshalb die typischen Spitzenlast-Kraftwerke diskriminieren, die für den Ausgleich von Erzeugung und Nachfrage besonders wichtig sind und wegen ihrer kurzen Einsatzzeiten weniger Wasserstoff verbrauchen als die in Kraft-Wärme-Kopplung laufenden GuD-Anlagen (womit man bei der Forderung nach einer "klugen Verzahnung der Ausschreibungen mit einem zukünftigen Marktdesign wie einem Kapazitätsmarkt" wäre, für die sich der BDEW ebenfalls stark macht).
Der eigentliche Schwachpunkt des vom BDEW einseitig forcierten "H2-ready"-Konzepts bleibt indessen, dass es sich weiterhin um Erdgaskraftwerke handelt, die auch nach der möglichen Umrüstung auf Wasserstoff noch keine Verbesserung der Treibhausgasbilanz bewirken, solange und soweit dieser Wasserstoff aus Erdgas statt mittels "Grünstrom" gewonnen wird.