November 2023 |
231104 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die 15 Gas-Fernleitungsbetreiber haben am 15. November der Bundesnetzagentur und dem Bundeswirtschaftsministerium ihren Antragsentwurf für ein deutsches "Wasserstoff-Kernnetz" übermittelt, das bis zum Jahr 2032 realisiert werden soll. Die Gesamtlänge dieses Kernnetzes würde rund 9.700 Kilometer betragen, die zu 60 Prozent aus umgerüsteten Leitungen des bisherigen Erdgas-Transportnetzes bestehen (das eine Gesamtlänge von etwa 40.000 Kilometer hat, die 555.000 Kilometer Verteilnetze nicht mitgerechnet). Der Rest entfiele auf neue Leitungen. Es wäre damit noch um 3.800 Kilometer länger als die "Vision für ein H2-Netz", mit der die Branchenvereinigung FNB Gas vor knapp vier Jahren erstmals an die Öffentlichkeit ging, um die teilweise Umstellung des Erdgas-Netzes auf Wasserstoff zu propagieren (200106). Die Kosten des H2-Kernnetzes werden mit rund 20 Milliarden Euro veranschlagt.
Karte: FNB Gas |
Die Bundesnetzagentur wird den Antragsentwurf nun prüfen und eine allgemeine Konsultation durchführen. Betroffene Akteure haben die Möglichkeit, bis zum 8. Januar 2024 Stellungnahmen einzureichen. Die endgültige Genehmigung des Kernnetzes obliegt der Bundesnetzagentur, sobald die Fernleitungsnetzbetreiber den formellen Antrag nach Inkrafttreten der ersten Stufe der Wasserstoff-Netzplanung gestellt haben. Zuvor hatte der Bundestag am 10. November die Änderung bzw. Streichung verschiedener energierechtlicher Vorschriften beschlossen, mit denen nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofs die Befugnisse der Regulierungsbehörde in unzulässiger Weise beschränkt wurden. Die Bundesnetzagentur wird deshalb auch bei Wasserstoffnetzen künftig noch mehr Entscheidungbefugnisse haben (231109).
Nach wie vor ist allerdings unklar, woher der Wasserstoff kommen soll, um ein solches Netz zu füllen, dessen Einspeisekapazität mit 100 Gigawatt veranschlagt wird. Zumindest würde es sich größtenteils nicht um "grünen" Wasserstoff handeln, der per Elektrolyse aus aus erneuerbaren Stromquellen erzeugt wird, sondern um konventionellen "grauen" Wasserstoff, der mittels Dampfreformierung aus Erdgas gewonnen wird (oder um "blauen" Wasserstoff, vorzugsweise aus Norwegen, bei dem das anfallende Kohlendioxid abgespeichert wird).
Im Unterschied zum eher skeptischen Echo auf den ersten Vorstoß im Januar 2020 können die Fernleitungsbetreiber inzwischen aber mit deutlich mehr Unterstützung durch Bundesregierung und Behörden rechnen. Dafür sorgte neben dem Regierungswechsel vor allem die Energiekrise infolge des russischen Überfalls auf die Ukraine. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) verdeutlichte diesen Schulterschluss mit der Branche, indem er den Plan für das Wasserstoff-Kernnetz gemeinsam mit dem Vorsitzenden der FNB Gas, Thomas Gößmann, der Öffentlichkeit vorstellte.
Außerdem beschloss das Bundeskabinett am selben Tag weitere Änderungen
des Energiewirtschaftsgesetzes, um die Wasserstoff-Technologie voranzubringen.
Der Gesetzesentwurf sieht Regelungen zur Finanzierung des Kernnetzes vor. Das
Wasserstoff-Kernnetz soll grundsätzlich vollständig über Netzentgelte finanziert
und somit privatwirtschaftlich aufgebaut werden. Die Netzentgelte werden gedeckelt,
um zu verhindern, dass in den ersten Jahren des Netzaufbaus sehr hohe Entgelte
den Wasserstoffhochlauf behindern. Den künftigen Kernnetzbetreibern wird eine
risikoangemessene Verzinsung und subsidiäre Risikoabsicherung des Bundes unter
Anrechnung eines Selbstbehalts gewährt. Durch eine zeitliche "Entgeltverschiebung"
sollen spätere Nutzer die Aufbaukosten des Netzes mittragen, da sie dann ebenfalls
von einem auskömmlich dimensionierten Netz und einem gelungenen Hochlauf profitieren.