Januar 2020

200106

ENERGIE-CHRONIK


Betreiber von Gas-Fernleitungen propagieren Wasserstoffnetz

Die Vereinigung der deutschen Gas-Fernleitungsnetzbetreiber (FNB Gas) propagiert den Einstieg der Branche in die Erzeugung und den Transport von Wasserstoff. Am 28. Januar stellte sie ihre "Vision für eine erste deutschlandweite Wasserstoffinfrastruktur" in Form einer Netzkarte vor, die Leitungen mit einer Gesamtlänge von etwa 5.900 km aufführt. Dieses visionäre Leitungssystem basiere zu über 90 Prozent auf dem bereits bestehenden Erdgasnetz und werde kontinuierlich weiterentwickelt. Mit ihm könne "ein Großteil der zukünftigen Verbrauchsschwerpunkte von Wasserstoff in den Sektoren Industrie, Mobilität und Wärme sowie zahlreiche Untertagespeicher mit den Aufkommensschwerpunkten verbunden werden".

Der Verband beruft sich auf Studien, die einen stark ansteigenden Bedarf an Wasserstoff belegen, insbesondere in der Industrie, aber auch im Mobilitäts- und Wärmesektor. Deshalb sei dieses Netz erforderlich, um Wasserstoff aus "diversen inländischen Erzeugungsquellen" sowie aus Speichern und Importen zu den Verbrauchern zu bringen. Als inländische Erzeugungsquellen werden "PtG-Anlagen in Regionen mit hohem Aufkommen erneuerbarer Energien" genannt – also Elektrolyseure, die überschüssigen Wind- oder Solarstrom in Wasserstoff umwandeln.

Verband drängt auf Berücksichtigung im Netzentwicklungsplan und Änderung des Rechtsrahmens


So grün, wie es hier dargestellt wird, ist das "visionäre Leitungssystem" für Wasserstoff keineswegs.
Grafik: FNB

"Unser Ziel ist es, die bestehende Gasinfrastruktur für den Transport von Wasserstoff nutzbar zu machen. Dabei untersuchen wir in konkreten Projekten ausgewählte Leitungsabschnitte, um zügig erste Industriebetriebe mit Wasserstoff versorgen zu können", erklärte Ralph Bahke, Vorstandsvorsitzender des FNB Gas, anlässlich der Veröffentlichung des "visionären Wasserstoffnetzes". Darüber hinaus fänden die zukünftige Wasserstofferzeugung und der Wasserstoffbedarf erstmalig Eingang in die aktuelle Modellierung des Netzentwicklungsplans (NEP) Gas 2020-2030. Zusätzlich hätten die FNB konkrete Vorschläge zur Weiterentwicklung des NEP Gas gemacht. "Wir machen uns dafür stark, dass Wasserstoff künftig in diesen bewährten Prozess als weitere Gasbeschaffenheit (neben H-Gas und L-Gas) integriert wird", ergänzte die FNB-Geschäftsführerin Inga Posch. "Da der Rechtsrahmen hierfür angepasst werden muss, appellieren wir an die Politik und die Regulierungsbehörde, hier zügig die notwendigen Schritte in die Wege zu leiten."

Das Projekt ist für "grünen" Wasserstoff entbehrlich...

In der Tat dürfte Wasserstoff künftig noch größere Bedeutung als Energieträger erlangen – vor allem als "grüner" Wasserstoff, der per Elektrolyse aus überschüssigem Wind- oder Solarstrom erzeugt wird und deshalb den emissionsfreien Betrieb von Fahrzeugen ermöglichen könnte. Die so erzeugten Mengen würden indessen bei weitem nicht ausreichen, um ein derartiges Netz zu füllen. Außerdem läge es näher, sie als Regelenergie zurückzuverstromen oder durch Einspeisung in die Verteilnetze dem Erdgas beizumischen. Vor allem ist die Elektrolyse mit erheblichen energetischen Umwandlungsverlusten verbunden und so teuer, dass sie nicht mit dem üblichen Verfahren konkurrieren kann, bei dem der Wasserstoff aus Erdgas, Öl oder Kohle gewonnen wird. Deshalb kommen auch die 600 Milliarden Kubikmeter, die jährlich weltweit an Wasserstoff erzeugt und verbraucht werden, zu mehr als 95 Prozent durch Kohlenstoff-Reduktion zustande.

...würde aber den Verbrauch von Erdgas erhöhen

Bei dieser Sachlage können die jetzt vorgestellten Pläne für ein bundesweites Wasserstoff-Fernleitungsnetz nur darauf zielen, noch mehr Erdgas oder gar Kohle in Wasserstoff umzuwandeln, der als wichtiger Chemie-Rohstoff vor allem zur Ammoniak-Synthese und zur Verarbeitung von Rohöl benötigt wird. Das ist aber mit einer entsprechenden Umweltbelastung verbunden. Die vorgesehene Einbindung von Strom-zu-Gas-Anlagen ändert daran nichts, sondern dient eher der "grünen" Einkleidung des Vorhabens. Sie wäre sogar nicht einmal sonderlich sinnvoll, weil die Rückverstromung von elektrolytisch erzeugtem Wasserstoff zu Regelzwecken an jeder Stelle des Stromtransportnetzes erfolgen kann. Ebenso läßt er sich an jeder Stelle des Erdgas-Verteilnetzes beimischen.

Bundesnetzagentur ist nicht begeistert

So ähnlich scheint das auch die Bundesnetzagentur zu sehen. Die Behörde kann weder der von den Gasnetzbetreibern gewünschten "Modellierung" des NEP Gas 2020-2030 viel abgewinnen noch hält sie eine Änderung des Rechtsrahmens für erforderlich. "Die Neuerrichtung von Wasserstoffleitungen fällt nicht in den verbindlichen Anwendungsbereich des Netzentwicklungsplans", stellte dazu ihr Präsident Jochen Homann am 5. Dezember fest. Allerdings sei nichts dagegen einzuwenden, die Auswirkungen geplanter Grüngas-Projekte auf die Netzinfrastruktur im Rahmen des Netzentwicklungsplans zu betrachten, wie dies nun zum ersten Mal seitens der Fernleitungsnetzbetreiber gewünscht werde. Der NEP Gas 2020-2030 könne so "als Transparenzplattform für eine entstehende Wasserstoffinfrastruktur dienen".

"Grundlegende Betrachtungen zur integrierten Strom-und Gasnetzplanung"

Zugleich verband die Behörde ihre Bestätigung des Netzentwicklungsplans Gas mit einer radikalen Kürzung der zweckoptimistischen Prognose der Fernleitungsbetreiber, dass die Elektrolyseleistung zur Erzeugung von "grünem" Wasserstoff bis 2025 auf 1,5 Gigawatt steigen könne und sich dann bis 2030 verfünffachen werde. Aus den 7,5 GW wurden so 2,8 GW. Ferner ergänzte sie beide Netzentwicklungspläne – den für Gas ebenso wie den für Strom – um den Abschnitt "Grundlegende Betrachtungen der Bundesnetzagentur zur integrierten Strom-und Gasnetzplanung". Natürlich mit der für eine Behörde gebotenen Zurückhaltung. Aber lesenswert sind diese vier Seiten dennoch.

 

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