September 2024

240910

ENERGIE-CHRONIK


Bundesverfassungsgericht bekräftigt Achmea-Urteil des Europäischen Gerichtshofs

Das Bundesverfassungsgericht hat am 13. September zwei Verfassungsbeschwerden des niederländischen Versicherungskonzerns Achmea nicht zur Entscheidung angenommen. Damit bekräftigten die Karlsruher Richter das vor mehr als sieben Jahren ergangene Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH), wonach bilaterale Investitionsschutzabkommen zwischen den EU-Staaten mit der "Autonomie des Unionsrechts" unvereinbar sind. Diese EuGH-Entscheidung vom 6. März 2018 ist allgemein als "Achmea-Urteil" bekannt geworden und hatte sehr weitreichende Folgen: Sie gab nicht nur den Anstoß zur Beendigung aller Investitionsschutzverträge zwischen den EU-Staaten (190107), sondern beschleunigte auch entscheidend den längst überfälligen Austritt der Europäischen Union und ihrer einzelnen Mitgliedsländer aus dem Vertrag über die "Energie-Charta" (240403).

Achmea wollte das Urteil des Bundesgerichtshofs nicht akzeptieren...

Die beiden Verfassungsbeschwerden von Achmea, die nun als unzulässig zurückgewiesen wurden, waren schon seit Jahren in Karlsruhe anhängig. Die ältere aus dem Jahr 2019 richtete sich gegen den Beschluss, mit dem der Bundesgerichtshof am 31. Oktober 2018 die Entscheidung eines Schiedsgerichts aufhob, das der Versicherungsgruppe ein Schadenersatz von 22,1 Millionen Euro durch die slowakische Regierung zuerkannt hatte. Der Bundesgerichtshof stützte sich dabei auf das acht Monate zuvor ergangene Achmea-Urteil, das er zur Klärung der rechtlichen Situation im Wege der Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV beim Europäischen Gerichtshof in Luxemburg angefordert hatte.

...und die Beendigung bilateraler Investitionsschutzverträge zwischen den EU-Staaten verhindern

Die zweite Beschwerde aus dem Jahr 2022 richtete sich gegen das "Gesetz zu dem Übereinkommen vom 5. Mai 2020 zur Beendigung bilateraler Investitionsschutzverträge zwischen den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union", dem der Bundestag am 19. November 2020 zustimmte. Achmea hatte außerdem den Eilantrag gestellt, das Inkrafttreten dieses Ratifizierungs-Gesetzes bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde zu untersagen. Dieser Eilantrag war bereits im Februar 2021 als unzulässig abgelehnt worden.

Wegen enttäuschter Gewinnerwartungen sollte die Slowakei 22 Millionen Euro Schadenersatz zahlen

Die Vorgeschichte der Affäre reicht bis ins Jahr 1991 zurück, als die Niederlande und die damalige Tschechoslowakei ein bilaterales Investitionsschutzabkommen unterzeichneten. Zu den Nutznießern des Abkommens gehörte die Versicherunggruppe Achmea, die nun ihre Geschäftstätigkeit auf das ehemalige Ostblock-Land ausdehnte. Mit der Auflösung der Tschechoslowakei wurde dann ab 1993 die Slowakei zum neuen Vertragspartner, die ebenso wie Tschechien 2004 der EU beitrat.

Die Regierung in Bratislava enttäuschte jedoch die Gewinnerwartungen des niederländischen Investors, indem sie 2007 ein Verbot von Gewinnausschüttungen aus Krankenversicherungsgeschäften erließ, das erst 2011 durch ein Urteil des Verfassunggerichts wieder aufgehoben wurde. Achmea leitete deshalb 2008 auf Grundlage des inzwischen 17 Jahre alten Investitionsschutzabkommens ein Schiedsverfahren ein. Das Schiedsgericht legte dabei Frankfurt am Main als Schiedsort fest und verurteilte die Slowakische Republik mit Schiedsspruch vom 7. Dezember 2012 zur Zahlung von 22,1 Millionen Euro Schadenersatz an Achmea.

Oberlandesgericht Frankfurt bestätigte den Schiedsspruch

Wegen der Wahl von Frankfurt als Sitz des Schiedsgerichts wurde die deutsche Justiz für den Fall zuständig, als die slowakische Regierung den Schiedsspruch nicht anerkennen wollte. Sie bezweifelte nämlich, dass der 1991 zwischen den Niederlanden und der Tschechoslowakei geschlossene Investitionsschutzvertrag noch eine gültige Rechtsgrundlage sein könne. Da die Slowakei seit 2004 der EU angehörte, müsse auch das von Achmea beanstandete Gewinnausschüttungsverbot von 2007 bis 2011 nach EU-Recht beurteilt werden. Das Frankfurter Oberlandesgericht sah das freilich anders und lehnte am 18. Dezember 2014 die beantragte Aufhebung des Schiedsspruchs ab.

Nach Abstimmung miit dem Europäischen Gerichtshof hob der Bundesgerichtshof das Urteil wieder auf

Die slowakische Regierung beantragte daraufhin eine höchstinstanzliche Entscheidung durch den Bundesgerichtshof. Diesem schwante jedoch, dass hier juristisches Neuland betreten wurde, das die Kompetenzen der nationalen Justiz überschritt. Er setzte deshalb das Verfahren vorläufig aus und bat den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg um eine Vorabentscheidung des Streitfalls, wie sie in Artikel 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) vorgesehen ist. Als diese Einschätzung mit dem "Achmea-Urteil" vom 6. März 2018 endlich vorlag, hob er mit Beschluss vom 31. Oktober 2018 die Entscheidung des Oberlandesgerichts und den Schiedsspruch auf. Zur Begründung führte er im wesentlichen aus, dass die im Investitionsschutzabkommen von 1991 vereinbarte Schiedsklausel den Artikeln 267 und 344 im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union widerspreche und daher nicht anwendbar sei. Dadurch fehle es im Verhältnis der Parteien an einer Schiedsvereinbarung und der Schiedsspruch sei deshalb gemäß § 1059 Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a der Zivilprozessordnung aufzuheben.

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